Die CDU versteht sich als Partei der ländlichen Räume

In ihrem neuen Grundsatzprogramm berücksichtigt die CDU ausdrücklich die Dorfbewohner. Das zeigt ein Blick in den bisher unveröffentlichten Entwurf, der uns bereits vorliegt

CDU-Chef Friedrich Merz. (Foto: Tobias Koch)
CDU-Chef Friedrich Merz. (Foto: Tobias Koch)

 

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Von Christian Urlage

 

„Wir sind die Partei der Land- und Forstwirtschaft und der ländlichen Räume“: Diese klare Aussage findet sich im 70-seitigen Entwurf zum neuen Grundsatzprogramm der CDU. Das Papier mit dem Titel „In Freiheit leben – Deutschland sicher in die Zukunft führen“ ist zwar kürzlich schon in Berlin vorgestellt worden, wird aber erst Anfang 2024 im Wortlaut veröffentlicht. Bereits jetzt hat es für zahlreiche Diskussionen, für Lob und Kritik gesorgt. 

 

Dass sie den ländlichen Raum mindestens ebenso wertschätzen wie die Städte, daran lassen die Christdemokraten keinerlei Zweifel aufkommen. Unter der Überschrift „Leben und Wohnen in Stadt und Land“ finden sich dafür zahlreiche Belege: „Der ländliche Raum ist Zukunftsraum“, heißt es beispielsweise und: „Wir wollen gutes Leben auf dem Land.“ 

 

Für eine bessere gesundheitliche Versorgung auf dem Land

 

Die Menschen müssten dort alles zum Leben vorfinden – ärztliche Grundversorgung, digitale Angebote und Infrastruktur, Zugang zu Bildung und öffentlichen Verwaltungsleistungen. Genau das sind die neuralgischen Punkte, die wir in unserem Politblog „natur+mensch“ immer wieder angesprochen und angemahnt haben. Ausdrücklich wird als Ziel genannt, die gesundheitliche Versorgung insbesondere im ländlichen Raum zu verbessern. Hier besteht in der Tat dringender Nachholbedarf.

 

„Wir unterstützen Unternehmen, sich im ländlichen Raum anzusiedeln“, verspricht die CDU und fordert, die Polizei müsse dort sichtbarer sein. Telemedizin, autonomes Fahren und Drohnen sieht die Partei als technologische Entwicklungen an, die den ländlichen Raum attraktiv machten. Das klingt reichlich optimistisch – und ob es wirklich so kommt, muss sich in den nächsten Jahren erst noch zeigen.

 

Wahlfreiheit in der Mobilität

 

Zwar geht der Entwurf nicht auf die zunehmende Zahl der Pendler und das immer stärker verbreitete Arbeiten im Homeoffice ein, das vor allem seit Corona die Arbeitswelt verändert hat. Doch bei der Mobilität spricht sich die CDU vernünftigerweise für Wahlfreiheit aus: „Wir schreiben niemandem vor, welches Verkehrsmittel er nutzen soll.“ Individualverkehr und öffentlicher Personenverkehr müssten zusammen gedacht werden. 

 

Bus, Bahn, Schiff und Flugzeug sowie Automobil-, Rad- und Fußverkehr seien keine Gegensätze, sondern ergänzten sich sinnvoll, heißt es praxisnah. „Wir stehen zum Automobil, unabhängig von der Antriebsart“, beteuern die Christdemokraten und fordern gleichzeitig, den öffentlichen Nahverkehr schnell auszubauen und die Bahn leistungsfähiger zu machen. Sie versprechen, stillgelegte Strecken wieder in den Betrieb zu nehmen und halten ein robustes Schienennetz für notwendig.

 

Vor Ort verwurzelte bäuerliche Landwirtschaft

 

Nicht allein in der Verkehrspolitik ist erkennbar, dass die CDU weniger einseitig als andere Parteien ausgerichtet ist und sich nicht radikal auf eine Seite schlägt, sondern stets abgewogen nach Kompromissen sucht. Das gilt auch für das Verhältnis von Umwelt- und Naturschutz zur Landwirtschaft, der ein eigenes Kapitel gewidmet ist. „Unser Leitbild ist eine vor Ort verwurzelte, bäuerliche Landwirtschaft“, heißt es im ersten Satz. Eine von Kapitalinvestoren bestimmte Landwirtschaft lehnt die CDU ab. Umwelt- und Naturschutz seien nur mit der Landwirtschaft zu machen, erklärt die Partei realistischerweise. Um klima- und umweltpolitische Ziele zu erreichen, brauche die Landwirtschaft Freiräume, keine detaillierten Vorgaben.

 

Besserer Schutz des Eigentums

 

Vermutlich durch den Ukraine-Krieg beeinflusst, wird ausdrücklich die Ernährungssicherung genannt und die Erzeugung und Produktion qualitativ hochwertiger Lebensmittel und nachwachsender Rohstoffe als strategische Aufgabe bezeichnet. Dazu wollen die Christdemokraten Felder, Wiesen und Äcker sowie Eigentum besser schützen. Für eine nachhaltige landwirtschaftliche Erzeugung sollen die Indikatoren „ökonomisch, ökologisch und sozial“ einen gleichwertigen Stellenwert erhalten. Digitalisierung, Präzisionslandwirtschaft und neue genomische Züchtungstechnologien könnten einen Beitrag leisten, um stabile Ernten zu bekommen, heißt es fortschrittsoptimistisch. Dadurch müssten weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt und weniger Wasser verbraucht werden.

 

In dem 70-seitigen Entwurf fordern die Christdemokraten außerdem weniger Bürokratie, mehr Freiheit, das Bewusstsein von Heimat und Anerkennung für das Ehrenamt: Überraschend klingt vieles nicht, doch es dürfte bei den allermeisten Bewohnern von Dörfern und Kleinstädten auf Zustimmung stoßen. Mit ihrem Grundsatzprogramm verdeutlicht die CDU ihnen auf jeden Fall, wofür sie steht und was sie vorhat, wenn sie im Bund wieder Regierungsverantwortung übernimmt.

 

Unglücklich ist in dem Papier die Formulierung „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“. Daran gab es zu Recht Kritik, denn gemäßigte Muslime können diese Worte durchaus als Generalverdacht auffassen. Zumal der Satz weniger einladend klingt als Christian Wulffs „Der Islam gehört zu Deutschland“. Schließlich heißt es auch nicht „Buddhisten, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“ oder „Katholiken, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“. Doch wer im Entwurf die gesamte Passage liest, kann erkennen, dass gemäßigte Muslime unterstützt werden sollen. So befürwortet die CDU ausdrücklich den Ausbau von Forschung und Lehre der islamischen Theologie und die Ausbildung deutschsprachiger Imame an deutschen Hochschulen.

 


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