Lassen wir den Arzt im Dorf!

Ob finanzielle Ausbildungsförderung, Landarztquote oder Landarzt-Track: Im ländlichen Raum wird sich die medizinische Versorgung nur langsam verbessern. Wenn überhaupt

Das Problem der ärztlichen Unterversorgung besonders im ländlichen Raum ist seit langem bekannt.  (Foto: Tim Reckmann / pixelio.de)
Das Problem der ärztlichen Unterversorgung besonders im ländlichen Raum ist seit langem bekannt. (Foto: Tim Reckmann / pixelio.de)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Viele Patienten machen sich große Sorgen. Allein in Baden-Württemberg könnten in den kommenden Jahren mehrere Hundert Praxen in Stadt und Land wegfallen, schätzt die Kassenärztliche Vereinigung. Das ist keine Horrorprognose: etwa 1400 Hausärzte in Baden-Württemberg sind älter als 65 Jahre.

 

Das Problem der ärztlichen Unterversorgung besonders im ländlichen Raum ist seit langem bekannt. Und lässt sich mit Geld allein wohl nicht so schnell lösen. Denn Initiativen gibt es viele. Im Südwesten können Mediziner nach dem Studium der Allgemeinmedizin bis zu 30.000 Euro Landesförderung erhalten, wenn sie sich auf dem Land niederlassen oder eine hausärztliche Praxis übernehmen. Ähnliche finanzielle Förderungen gibt es in den meisten Bundesländern. In Bayern wartet ein Stipendienprogramm auf angehende Mediziner, die ihre Facharztweiterbildung sowie mindestens fünf weitere Jahre entweder in einer Haus- oder Facharztpraxis oder in einem Krankenhaus in der Provinz absolvieren. Hessen gibt gut 20.000 Euro, wenn Absolventen der Allgemeinmedizin anschließend acht Jahre als Hausarzt in einem Landkreis praktizieren. Ähnliche Programme laufen in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland. Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen fördert sogar das Medizinstudium in Ungarn, wenn im Gegenzug mindestens fünf Jahre als Hausarzt einer ländlichen Region Sachsens praktiziert wird.

 

Baden-Württemberg und NRW setzen auf die Landarztquote

 

In Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen geht man noch weiter. Man setzt auch auf die sogenannte Landarztquote. Was heißt: Wer sich vor dem Studium verpflichtet, einige Jahre auf dem Land zu arbeiten, bekommt einen Medizinstudienplatz – und das unabhängig vom Numerus Clausus. Im Südwesten können so 75 Medizinstudienplätze ergattert werden, ohne den nötigen Notendurchschnitt geschafft zu haben. Voraussetzung: Sie müssen einen Eignungstest bestehen, Erfahrungen aus einem Gesundheitsberuf vorweisen und danach zehn Jahre in einem strukturschwachen Gebiet als Allgemeinmediziner arbeiten. 150 Plätze hat das Land seit 2021  über diese Quote vergeben. Die nächste Bewerbungsrunde läuft im März. Im Stuttgarter Sozialministerium nennt man die Kampagne „The Ländarzt“. Doch so fluffig ist das nicht. Schon die richtige Auswahl herauszufiltern, sei schwer, sagt der Hausarzt Adrian Hettwer, Mitglied der Auswahlkommission.

 

Universitäten gehen eigenen Weg

 

Die Universitäten setzen daher auf ein anderes Modell: den Landarzt-Track. Und das hat seine Vorteile. Das Neigungsprofil „Ländliche Hausarztmedizin“ steht nämlich allen angehenden Ärzten offen und bietet damit einen breiteren Zugang zur Allgemeinmedizin. Dafür gibt es „Regionen für ärztliche Ausbildung“, die die medizinischen Fakultäten im Land mit Lehrkrankenhäusern, Landarztpraxen, Versorgungszentren und Landgemeinden vernetzen sollen. Jede Uni-Klinik hat dafür eine Partnerregion angenommen. 25 Studierende haben den ersten Durchgang bereits durchlaufen. Am Ende könnte jeder Zehnte Allgemeinmediziner werden, hofft Hettwer. 

 

 

Die Aussichten bleiben dennoch düster. Hettwers Erfahrung ist, dass meistens nur jene jungen Ärzte aufs Land gingen, die dort verwurzelt sind und das Umfeld von klein auf kennen. Auch die Honorierung von Allgemeinmedizinern im Vergleich zu Fachärzten spielt neben der Überbürokratisierung der medizinischen Freiberufler und der damit verbundenen wachsenden Abneigung, unternehmerisches Risiko zu übernehmen, eine große Rolle. Erschwerend kommt hinzu, dass in der Medizin noch nie so viel Teilzeit gearbeitet worden ist wie heute. Auch das ein Grund für den hohen Bedarf an Landärzten. Was heißt: Die Wege zum nächsten Arzt dürften aller Bemühungen zum Trotz in den ländlichen Regionen noch immer weiter werden.

 


Lesen Sie auch:

Vom Gesundheitskiosk bis zum Versorgungszentrum: Karl Lauterbach plant eine Stärkung der Gesundheitsregionen und will dabei den ländlichen Raum in den Fokus nehmen
Mediziner auf Landpartie: Im Heidekreis lernen Nachwuchs-Ärzte die Arbeit in verschiedenen Landarztpraxen hautnah kennen

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.