Die Bahn auf dem falschen Dampfer

Auch für den Klimaschutz ist die Großmannssucht des Staatskonzerns eine Katastrophe. Und der ländliche Raum hat das Nachsehen

Foto: Fred Vollmer / pixelio.de
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Von Michael Lehner

 

Winterfeste Pünktlichkeit gehörte einst zum Markenkern der Bundesbahn. Streiks waren damals auch kein Thema. Auf die Schiene war Verlass, obwohl ihre Chefs nach heutigen Maßstäben jämmerlich bezahlt wurden. Nun ist die Bahn ein Global Player. Und versagt als solcher auf der ganzen Linie. Kaum noch präsent in der Fläche und damit Haupt-Hindernis für die Verkehrswende im ländlichen Raum. Womöglich zudem ein vielversprechendes Feld für die Milliarden-Sparzwänge der Bundesregierung? 

 

Die Frage, warum der ländliche Raum die Kapriolen über Steuer-Subventionen mitfinanzieren soll, stellt sich eher noch verschärft. Hier das Deutschland-Ticket als politisches Signal zum Spottpreis. Dort teilweise saftige Einzelfahrpreiserhöhungen bis zu 10 Prozent und mehr für die gelegentliche Nutzung bei den regionalen Verkehrsverbünden. Die Anreize, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, konzentrieren sich auf Ballungsräume. Und dies obendrein mit fragwürdigem Erfolg: In absoluten Zahlen ist die Nutzung von Bussen und Bahnen seit dem Jahr 2019 um gut 1,5 Millionen Fahrgäste geschrumpft.

 

Beim Güterverkehr, der fürs Klima so wichtig wäre, ist die Realität nicht minder jämmerlich. Vom Eiertanz um die Zulaufstrecke zur enorm wichtigen Brenner-Transversale bis zur dürftigen Pünktlichkeit, die auch umweltbewussten Kunden den Verzicht auf Lastwagen verleidet. Statt verlässlicher Partner für den Kombi-Verkehr auf Straße und Schiene zu sein, sorgt der Konzern mit seiner Schenker-Tochter selber für reichlich Lkw-Verkehr und schreibt auch dabei rapide sinkende Erträge.

 

Nach dem schlimmen Zugunglück letzthin vor Garmisch-Partenkirchen kam auch noch auf, dass es offenbar lebensgefährdende Wartungsmängel gibt. Manche Strecken lassen sich halt nicht stilllegen, um den akuten Sanierungsaufwand zu sparen. Wo die Bahn doch dringend Geld an anderer Stelle braucht. Nicht nur für Millionen-Boni auf die Vorstandsgehälter obendrauf. Sondern auch für Prestige-Objekte wie den Utopia-Bahnhof Stuttgart 21, der nach jüngster Schätzung gut 11 Milliarden Euro kostet. Im Planfeststellungsverfahren war noch von höchstens 2,6 Milliarden die Rede.

 

Noch teurer und absurder wird die Großmannssucht beim Dauer-Versuch, dem Flugzeug Konkurrenz zu sein. Obwohl die allermeisten Fernreisenden schon froh und zufrieden wären, wenn ihr Zug pünktlich fahren würde, spielt das Thema Tempo in den Köpfen der Verantwortlichen noch immer eine aus der Zeit gefallene Rolle. Zum Beispiel, wenn bei der Planung von Neubaustrecken – wie aktuell in Niedersachsen oder im bayerischen Inntal – kleinere und mittelgroße Städte wegen ein paar Minuten Zeitgewinn ihren Anschluss ans Fernverkehrsnetz der Bahn verlieren. Unabhängig davon, dass das Flug-Ticket meist weniger kostet als der ICE-Sitzplatz: Leuten, die das Bahnfahren in guten Zeiten schätzten, kommt’s selbst auf zwei, drei Stunden weniger nur selten an.

 

Nicht nur Dörfer, sondern ganze Regionen abgehängt

 

Eher kommt es darauf an, dass das Bahnhofssterben außerhalb der Metropolen nicht länger die gern beschworene Verkehrswende ad absurdum führt. So werden nicht nur Dörfer, sondern ganze Regionen abgehängt und deren Bürger zum Kauf sündteurer Elektro-Autos gezwungen. Spätestens zum Familienurlaub wird jenseits der Ballungsräume klar, dass die Bahn diesen Kundenkreis längst aus dem Blick verloren hat. Zum Beispiel mit Gepäckabholung von daheim und Lieferung direkt zum Urlaubsquartier im Ausland? Das gibt’s zwar noch, zum Beispiel nach Italien. Aber längst nicht in alle EU-Länder. 

 

Dass nicht nur Süddeutsche zum Ferienhaus-Urlaub in Dänemark lieber Kind und Kegel ins Auto packen, ist da nicht verwunderlich. Eher wundert’s, dass es die Bahn mit ihrer weltweit operierenden Logistik-Tochter nicht schafft, flächendeckend jenen Rundum-Service zu bieten, der speziell für Familien und Senioren ein Segen wäre. Möglichst auch für Leute, die keinen Computer-Kurs absolviert und auch kein Smartphone haben. Aber Letztere sind bei der Bahn ohnehin arm dran, spätestens beim digitalen Deutschland-Ticket und bei den Verspätungs-Meldungen.

 

Die Bahn ist eher was für Leute, die Zeit haben

 

Mit gewisser Ironie ließe sich anmerken, dass die Bahn im aktuellen Zustand trotz Hochgeschwindigkeitsstrecken eher was für Leute ist, die Zeit haben. Zum Beispiel weil sie nicht zur Arbeit müssen. Ihnen kommt die Bahn ja auch beim Preis entgegen. Mit 49 Euro Monatspreis im Abo. Und der glücklichen Nebenwirkung, dass solches Umwelt-Ticket weiteren Bedarf an Steuer-Milliarden begründet. Noch dazu als Wohltat für ein Publikum, das einem Teil der Politik besonders am Herzen liegt. Zum Ende gedacht ließen sich mit winterlichen Fahrten ins Blaue sogar Heizkosten im Sozial-Etat sparen. Vorausgesetzt, es sind noch Sitzplätze frei im Zug in die Zukunft. 

 


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