„Green Deal“ in der Folge als Stadt-Land-Konflikt

Was aus Sicht vieler Städter idyllische Landschaften verspricht, ist für viele Bauern und Förster eine existenzielle Bedrohung

Landwirt beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln auf eine Grünfläche. (Symbolbild: Franz W.)
Landwirt beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln auf eine Grünfläche. (Symbolbild: Franz W.)

 

Von Ludwig Hintjens

 

Kann es sein, dass Politiker bei Gesetzentwürfen vorrangig an die Interessen der Wählerschichten denken, denen sie sich ganz besonders verpflichtet fühlen? Beim Blick auf den Vorschlag der EU-Kommission für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur drängt sich dieser Eindruck auf. Der Vorschlag gehört zum Green Deal. Die Ziele des Natur-Wiederherstellungsgesetzes sind ja gut. Das Artensterben soll bekämpft, der Klimaschutz durch neu zu pflanzende Bäume gestärkt werden. Wer wollte da widersprechen?

 

Nur: Die wirtschaftlichen Folgen der vorgeschlagenen Maßnahmen würden einseitig der ländlichen Bevölkerung aufgebürdet, Bauern und Waldbesitzern. Letztlich profitieren alle davon, wenn die Natur repariert, Grünflächen wiederhergestellt und neue Erholungsgebiete geschaffen werden. Uneingeschränkt freuen würden sich aber nur die wohl situierten, gut gebildeten städtischen Bevölkerungsschichten. Wenn es sie am Wochenende aufs Land und in die Wälder zieht, würden sie die Früchte in vollen Zügen genießen können. Und die ländliche Bevölkerung müsste einen Preis dafür zahlen.

 

Dimensionen der EU-Öko-Reparaturen weitgehend unbekannt

 

Die Kommission will rechtlich bindende Maßnahmen durchsetzen, die in allen 27 Mitgliedstaaten der EU weite Teile des nicht urbanen und unbebauten Landes betreffen: Es geht insbesondere um Ackerland, Feuchtgebiete und Wälder. Noch ist in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, welche Dimensionen die Öko-Reparaturen haben sollen: Ein Fünftel der gesamten Land- und Seeflächen der EU soll allein bis zum Jahr 2030 von den Wiederherstellungsmaßnahmen erfasst werden. Es geht nicht nur um Flächen in bestehenden Schutzgebieten (FFH und Natura 2000). Auch Äcker, Wiesen und Feuchtgebiete außerhalb der schon heute ausgewiesenen Schutzzonen würden erfasst.  

 

Die Kommission hat bereits angekündigt, welche Maßnahmen zur Reparatur der Natur erlassen werden sollen. Es geht um strenge Regeln für einen drastisch geringeren Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln. Auch der Einsatz von Kunstdünger soll härter reglementiert werden. Die Hälfte aller trocken gelegten Moore, die derzeit landwirtschaftlich genutzt oder in denen Torf abgebaut werden, sollen wieder vernässt werden. Die Kommission erklärt zwar, dass die wirtschaftliche Nutzung nicht ausgegrenzt werden soll. Es gehe darum, Landwirtschaft und Naturschutz in einen Einklang zu bringen.

 

Existenzielle Bedrohung für Bauern und Waldbesitzer

 

Praktisch dürfte das aber sehr schwer werden: Was aus Sicht vieler Städter idyllische Landschaften verspricht, ist für viele Bauern und Förster eine existenzielle Bedrohung. Selbst Ökolandwirtschaft würde in besonders streng geschützten Gebieten nicht mehr möglich sein. Dort soll nämlich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ganz verboten werden. Biowinzer etwa würden da schon nicht mehr zum Zuge kommen. Auch im Ökoweinbau kommen die Bauern nicht ohne Einsatz von Kupfer aus. Auf Flächen, wo Pflanzenschutz und Kunstdünger Tabu sein sollen, könne man künftig Büffel für die Mozzarella-Produktion halten, heißt es beschwichtigend in Kommissionskreisen.

 

Damit der Reparatur-Versuch im großen Stil gelingt, soll jeder Mitgliedstaat künftig Pläne erstellen, die es in Brüssel einzureichen und zu genehmigen gilt. Damit nicht genug: Die Kommission will zudem Nichtregierungsorganisationen eine Überwachungsfunktion geben. Wenn die Pläne den Aktivisten nicht weitgehend genug sind oder es aus ihrer Sicht bei der Umsetzung hapert, soll ihnen der Klageweg offenstehen. Umweltlobbyisten wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) haben etwa im Zusammenhang mit der EU-Luftreinhaltungsrichtlinie gezeigt, dass sie sich die Gelegenheit zur Profilierung und finanziellen Bereicherung vor Gerichten nicht entgehen lassen.

 

Höchste Zeit, dass der Gesetzgeber seine Arbeit macht

 

Wohl gemerkt: Noch handelt es sich nur um den Vorschlag der EU-Kommission. Es wird höchste Zeit, dass der Gesetzgeber seine Arbeit macht. Die zuständigen Minister der Mitgliedstaaten und die Fachpolitiker im Europa-Parlament müssen diesen untauglichen Vorschlag einem Stresstest unterziehen und aus der Folgenabschätzung die richtigen Schlüsse ziehen. Ansonsten droht in wenigen Jahren ein unangenehmes Erwachen - auf dem Land.

 


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