Bauern auf den Barrikaden

Pläne aus Brüssel zur Eindämmung von Pflanzenschutzmitteln sorgen in Niedersachsen für Empörung unter Landwirten
Landwirt beim Ausbringen von Pestiziden. (Symbolbild: Erich Westendarp)
Landwirt beim Ausbringen von Pestiziden. (Symbolbild: Erich Westendarp)

 

Von Jürgen Wermser

 

Umwelt- und Klimaschützer warnen momentan, dass ihr Anliegen durch den Krieg in der Ukraine und dessen Folgen zunehmend an öffentlicher Aufmerksamkeit verliert. Recht haben sie. Doch Schuld daran haben nicht „die Medien“, sondern zuallererst Russlands Präsident Putin und seine Truppen, die alle internationalen Regeln des Zusammenlebens über den Haufen geworfen haben. Der brutale Angriff auf einen friedlichen Nachbarstaat muss abgewehrt werden. Dies bindet natürlich finanzielle und sonstige Ressourcen auch in Deutschland.

 

Gleichwohl muss der Kampf gegen die Erderwärmung auch hierzulande energisch fortgeführt werden. Heikel wird es jedoch, wenn gleichsam im medialen Schatten des Ukrainekriegs harte Strukturveränderungen erfolgen, ohne dass deren Auswirkungen mit den unmittelbar Betroffenen fair und im Detail debattiert werden.

 

Beispiel ist ein neuer Plan der EU, jegliches Schutzgebiet zur Tabuzone für Schädlingsbekämpfungsmittel zu machen. In Niedersachsen mit seinen großen Agrarflächen hat dieses Ansinnen aus Brüssel unter Bauern für Empörung gesorgt. Mit den Worten „Wir sind fassungslos“ wird Landvolkpräsident Hennies in den Medien zitiert. Auch das Umweltbundesamt sieht nach eigenen Angaben „dringenden Nachbesserungsbedarf“. Dessen Präsident meinte, dass die Landwirte den Einsatz von Pestiziden nur verringern würden, wenn die finanziellen Nachteile abgefedert würden.

 

30 Prozent Ertragseinbußen erwartet

 

Ob ein solcher finanzieller Ausgleich angesichts der Größenordnung momentan realistisch ist, lässt sich allerdings bezweifeln.  Denn nach Berechnung des Bauernverbandes würde die EU-Regelung in Niedersachsen einschließlich der Wasser- und Landschaftsschutzgebiete ungefähr die Hälfe der Ackerfläche betreffen. Man gehe von Ertragseinbußen von rund 30 Prozent aus, heißt es beim Landvolk.

 

Keine Frage, da braut sich heftiger Unmut unter Bauern zusammen. Für viele von ihnen geht es hier schlicht um die betriebliche Existenz - und dies in Zeiten, in denen sie ohnehin schon krisenbedingt mit Unwägbarkeiten unterschiedlichster Art zu kämpfen haben, von Kostenexplosionen bis hin zu politisch motivierten Restriktionen.

 

Umso wichtiger, dass sich alle Seiten - Politiker, Landwirte und Umweltverbände - gemeinsam an einen Tisch setzen und nach einer akzeptablen Lösung suchen. Der sogenannte „Niedersächsische Weg“ ist ein solches Modell. Das Problem: Ein Vertreter der Brüsseler Kommission sitzt nicht mit am Tisch. Und damit fehlt ein zentraler Akteur. Insofern stößt dieses Gesprächsformat hier an seine Grenzen. Denn weshalb sollten betroffene Landwirte jetzt mühsam den Austausch oder gar Ausgleich auf Landesebene suchen, wenn die eigentlichen Entscheidungen ohnehin in Berlin und vor allem in Brüssel fallen? Die Lage droht deshalb zu eskalieren.

 

Bund muss aktiv werden

 

Es sollte Aufgabe der Bundesregierung - sprich des zuständigen Agrarministers Özdemir - sein, sich der Sache schnell anzunehmen. Denn nur auf dieser hohen Ebene bestehen nationale Einwirkungsmöglichkeit Richtung Brüssel, wo am Ende verbindliche Fakten geschaffen werden. Und da müssen die Interessen der deutschen Landwirte politisch ebenso eingepreist werden wie die Erfordernisse von Natur- und Umweltschutz.

 

Ein Patentrezept zur Lösung gibt es gewiss nicht. Sicher dürfte nur sein: Es wird teuer werden, nicht zuletzt für die deutschen Steuerzahler und Verbraucher. Keine schöne Perspektive angesichts der ohnehin heftig steigenden Preise.

 


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