Moorschutz – und die Angst vor Enteignung

Die Wiedervernässung der Moore dient dem Klimaschutz, das ist unbestritten. Doch dann bangen Tausende Landwirte um ihre Existenz

Moorlandschaft (Symbolbild: Herbert Aust)
Moorlandschaft (Symbolbild: Herbert Aust)

 

Von Christian Urlage

 

Er galt in den 1950er-Jahren als technischer Fortschritt: Der Tiefpflug „Mammut“ der Firma Ottomeyer wandelte in nur fünf Stunden bis zu ein Hektar Moor in Land um und konnte so die Flächen für die Landwirtschaft nutzbar machen. Das geschah zum Beispiel im Bourtanger Moor an der deutsch-niederländischen Grenze. Auf diese Moorkultivierung waren die Emsländer stolz – doch das hat sich längst gedreht.

 

Heute loben Naturschützer und Umweltpolitiker die Moore wegen ihrer biologischen Vielfalt und dafür, dass sie höchst effektiv tonnenweise Kohlenstoffdioxid (CO2) speichern. Trocknen die Moore aus, werden sie allerdings zu Klimakillern und stoßen Treibhausgase wie Kohlenstoff und Lachgas in die Atmosphäre. Dagegen hilft nur Wasser, um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Doch dann besteht ein Zielkonflikt: Wird das Moor wiedervernässt, führt dies zu „erheblichen sozioökonomischen Folgewirkungen“, wie Experten formulieren.

 

5.000 bis 8.000 Betriebe betroffen

 

Im Klartext: Tausende Landwirte bangen um ihre Existenz, vor allem in Niedersachsen, wo 38 Prozent der deutschen Moorflächen liegen und sogar 73 Prozent der Hochmoorflächen. Nach Angaben des Landvolks sind 5.000 bis 8.000 Betriebe betroffen. Auf dem trockenen Moor bauen sie Futter für die Milchvieh-Haltung an. Wertvoller Anbauboden ginge durch eine Wiedervernässung verloren. Und je höher der Wasserstand, desto schwieriger wird die Weidehaltung.

 

Jungbauern fragen sich: Lohnen sich noch Investitionen? Hausbesitzer machen sich Sorgen, Land-Kommunen ebenso. Um Antworten zu finden, lud das Landvolk Niedersachsen mit dem Bremischen Landesbauernverband zur Fachtagung „Zukunft Moor“ nach Bremen. Der Einladung folgten Spitzenpolitiker: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, seine niedersächsische Kollegin Barbara Otte-Kinast (CDU), Landesumweltminister Olaf Lies (SPD) und die Bremer Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne).

 

Landvolk: Moorschutz so teuer wie der Kohleausstieg

 

Gut möglich, dass sich Özdemir künftig am Versprechen messen lassen muss, dass er nicht belehren und nichts überstülpen will. Die Transformation könne nur mit den Betroffenen gelingen, betonte der Agrarminister. Allerdings kann das teuer werden: Niedersachsens Landvolkpräsident Holger Hennies rechnet mit Milliardensummen. Der Moorschutz erreicht für ihn die Dimensionen des Kohleausstiegs.

 

Wie es konkret in Sachen Moorschutz weitergeht, steht noch nicht fest, doch sein erstes Ziel hat das Landvolk erreicht: Das Thema ist in der Öffentlichkeit. Das ist auch deshalb nötig, weil die Bauern befürchten, dass Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg gefällt werden und eine kalte Enteignung droht. Konsens aller Beteiligten ist immerhin, dass eine offene, ehrliche Debatte nötig ist und Finanzierungsfragen beantwortet werden müssen.

 

Paludi-Kulturen als Lösung?

 

Möglicherweise bieten sich andere Anbaumethoden an, zum Beispiel Paludi-Kulturen (von paludus = Sumpf, Moor): neben dem Anbau von Schilf für Dachreet könnte Niedermoor-Biomasse verwertet und Röhricht für neue Baustoffe genutzt werden. Doch das ist bisher Zukunftsmusik. Und es ist noch nicht gesichert, dass die Paludi-Kulturen ökonomisch konkurrenzfähig sind. Derzeit stecken die Überlegungen erst in der Erprobungs- und Entwicklungsphase. Sicher ist nur: In den kommenden Jahren wird und muss es weitere Fachtagungen und Konferenzen zum Moorschutz geben, um Lösungen zu finden, mit denen alle Beteiligten zufrieden sind.

 


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