Das Minimum steht auf dem Spiel

Obwohl seit Jahren bekannt ist, dass die medizinische Versorgung gerade auf dem Land in Gefahr gerät, wird noch zu wenig getan

Foto: Tim Reckmann / pixelio.de
Foto: Tim Reckmann / pixelio.de

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Die Debatte um die Zukunft und Qualität der medizinischen Versorgung in ländlichen oder auch strukturell schwachen Regionen ist nicht neu. Doch die Gesundheitskioske und Primärversorgungszentren, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dort jetzt etablieren will, werden nicht nur begrüßt. Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) sieht die Gefahr von „Doppelstrukturen“. Ihm fehlt eine integrierte Versorgungsstrategie. Man sollte besser bereits bestehende Kooperationen vorhandener Akteure und deren Angebote stärken und die überhaupt noch verfügbaren Ressourcen besser vernetzen. 

 

Dass es gut funktionierende Netzwerke in ländlichen Regionen bereits gibt, zeigt eine Studie, die der Versicherungsverband in Zusammenarbeit der Forschungsgruppe Digital Health der Technischen Universität Dresden erstellt hat. Exemplarisch werden in der Untersuchung verschiedene Gesundheitsnetzwerke porträtiert und beleuchtet. Die Namen stehen für die Vielfalt. „HaffNet“, „Gesundes Kinzigtal“, „prosper/proGesund“ oder „Ärztenetz Eutin-Malente“ heißen einige der Projekte. Sie helfen dabei, Pflegebedürftigkeit zu verhindern, nutzen digitale Kooperationen oder kümmern sich intensiv um den Landarzt.

 

Gemeinsam ist den Initiativen, dass sie eine lokale beziehungsweise regionale Herausforderung erkannt haben und auf diesem Gebiet initiativ geworden sind. Sie eint aber auch das Problem, dass sie in der Regel um ihren Dauerbetrieb kämpfen müssen. Läuft die finanzielle Förderung aus, erleiden sie – wie Experten schon lange bedauern – trotz des Erfolgs am Ende Schiffbruch. Ein Ärgernis, auf das auch das Netzwerk Deutsche Gesundheitsregionen NDGR e.V. schon länger hinweist.

 

Für andere Rahmenbedingungen

 

Mit den richtigen Rahmenbedingungen könnte die Gesundheitspolitik die Existenz solcher regionalen Versorgungsnetzwerke absichern, meinen die Macher der Studie „Neue Gesundheitsnetze für den ländlichen Raum“. Zurzeit erreichten diese Netze noch zu selten die Phase der „Verstetigung“. „Bei den bestehenden rechtlichen und finanziellen Hürden verdanken sich Netzwerke meist dem großen persönlichen Engagement ihrer Gründer und drohen, ohne dieses auszulaufen“, bemängelt Forschungsgruppenleiter Hannes Schlieter von der TU Dresden.

 

Kann man sich eine solche Verschwendung angesichts der Herausforderungen gerade in den ländlichen Regionen leisten? Wohl kaum, denn dort ist zum Beispiel der Ärztemangel vielerorts besonders akut. Im Jahr 2021 betrug die durchschnittliche Anzahl von Hausärzten auf 100.000 Einwohner in städtischen Gebieten etwa 90, während sie in ländlichen Regionen bei etwa 70 lag. Zahlen, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung im August bekannt gab. Und um die Pflege ist es in ländlichen Regionen vielfach ebenfalls nicht gut bestellt. Nach neuesten Hochrechnungen der Barmer wird der Pflegenotstand insgesamt brisanter als angenommen. 

 

In der von PKV und den Dresdener Wissenschaftlern erstellten Studie wird nüchtern festgestellt, dass es bei der Versorgungssicherung auf dem Land mit Blick auf die kommenden demografischen Herausforderungen nicht mehr um gleiche Lebensverhältnisse in ganz Deutschland geht: „Was auf dem Spiel steht, ist das Minimum an medizinischer und pflegerischer Versorgung. Verlieren wir weiter Zeit, verfehlen wir das Minimum“, heißt es klipp und klar. Ein Warnruf in der laufenden versorgungspolitischen Debatte.

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Dr. Martin Junker (Montag, 20 November 2023 13:01)

    Weil im südwestf. Raum die Basis-Versorgung wegfällt, nicht nur haus- sondern auch fachärztlich, außerdem die notwendigen MFA fehlen, steht die mediz. Versorgung kurz vor dem "Aus"! 40 % der niedergel. Ärzte im Kreis Olpe sind über 60 J, 24 % über 65; in den Krhs. haben über 80 % Migrationshintergrund (können zwar gut operieren usw., aber sich nicht mit dem Pat. intensiv unterhalten). Ähnlich in den Nachbarkreisen. wir sind dabei, die führenden Köpfe der gut aufgestellten mittelständischen Industrie einzubeziehen, um aufzuzeigen, dass dringend benötigte qualifizierte Arbeitskräfte nur noch angeworben werden können, wenn die hausärztliche wie fachärztl. Versorgung vor Ort sichergestellt ist! - Berlin und Lauterbach machen mit ihrer ideologischen Brille systematisch das Gesundheitswesen kaputt! - (Gerne weitere Kommentare und Belege von mir)

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