Wo die Landarzt-Quote nicht so richtig greift

Die medizinische Versorgung in dünn besiedelten Regionen ist gefährdet. Doch für die Politik gestaltet sich die Lösungssuche schwierig

Foto: RainerSturm / pixelio.de
Foto: RainerSturm / pixelio.de

 

Von Christian Urlage

 

Problem erkannt, Gefahr gebannt – diese Spruchweisheit trifft leider nicht auf die ärztliche Versorgung auf dem Land zu. Seit längerem ist bekannt, dass gerade in dünn besiedelten Regionen viele ältere Mediziner in den Ruhestand gehen und Schwierigkeiten haben, Nachfolger zu finden. Bis 2035, so zeigte eine Studie der gemeinnützigen Robert-Bosch-Stiftung von 2011, werden 11.000 Hausarztstellen unbesetzt sein – und in 40 Prozent der Landkreise droht eine Unterversorgung. Gleichzeitig werden die Patientinnen und Patienten nicht weniger.

 

Eine Praxis(gemeinschaft) in der Großstadt ist für viele Medizinerinnen und Mediziner attraktiver, denn hier haben sie die Infrastruktur, die auf dem Land fehlt: ein reichhaltiges Kulturangebot, mehr Einkaufsmöglichkeiten, Kitas, Schulen oder einen Arbeitsplatz für den Partner. Und nicht die Sorge, rund um die Uhr erreichbar sein zu müssen und keinen Kollegen bei einer schwierigen Diagnose oder Behandlung um Rat fragen zu können. Teamarbeit und mehr Zeit für die Familie haben im Übrigen an Bedeutung gewonnen.

Was also tun, um Mediziner in die Dörfer und Kleinstädte zu locken? Eine Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland ist schwierig, weil diese Menschen dann in ihrem Herkunftsland fehlen. Außerdem erschweren oft Sprachprobleme den Umgang mit Patientinnen und Patienten.

 

Die meisten Bundesländer haben auf den Ärztemangel reagiert

 

Alle Bundesländer bis auf die Stadtstaaten haben vor einigen Jahren reagiert und eine Landarztquote eingeführt – sie liegt, je nach Land, zwischen vier und zehn Prozent. Jungen Menschen wird der Zugang zum Medizinstudium erleichtert, wenn sie sich verpflichten, nach dem Studium und der Weiterbildung zehn Jahre als Hausärztin oder Hausarzt in einer Region mit Ärztemangel tätig zu sein. Wollen sie trotzdem den Standort wechseln, droht ihnen eine gesetzlich festgelegte hohe Vertragsstrafe. Die Summe beträgt in einigen Bundesländern bis zu 250.000 Euro.

 

Doch was gut gemeint ist, kommt nicht immer so an wie geplant. In Niedersachsen teilte kürzlich das Gesundheitsministerium mit, dass die Erwartungen an das Landarzt-Studium nicht erfüllt sind. Dafür interessieren sich deutlich weniger Frauen und Männer als vorher geschätzt. Für den ersten Jahrgang in diesem Wintersemester hatte die Landesregierung mit 600 Bewerbungen gerechnet – tatsächlich waren es 299, also die Hälfte. 60 von ihnen erhielten einen Zulassungsbescheid. 

 

Das Kliniksterben verschärft die Versorgungslage

 

Woran das mangelnde Interesse liegt, teilte das Ministerium nicht mit. Ein Grund könnte sein, dass sich die Studierenden schon früh auf einen langen Zeitraum festlegen müssen, ohne dass sie bereits wissen, welche Facharzt-Richtung sie später einschlagen wollen. Denn das Regelstudium in Medizin dauert sechs Jahre, es folgt ein Jahr als Assistenzarzt, danach die fünfjährige Facharzt-Ausbildung zum Allgemeinmediziner. Bis die vor wenigen Jahren eingeführte Landarztquote greift, dauert es also noch etwas.

 

Und so bleibt eine gewisse Ratlosigkeit, während sich die Versorgungsengpässe Jahren verschärfen werden. Denn neben dem Landarzt-Mangel droht noch ein Kliniksterben, weil Inflation, gestiegene Energiepreise und Tarifsteigerungen zahlreichen Krankenhäusern zu schaffen machen. Kein Wunder, dass die Wut auf Gesundheitsminister Karl Lauterbach zunimmt, denn die geplante große Krankenhausreform könnte für etliche Einrichtungen zu spät kommen. Keine guten Aussichten für das Gesundheitswesen auf dem Land.

 


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