Krankenhausreform mit vielen Zweifeln

Ob Grüne, Union oder SPD: In den Ländern bleibt das Misstrauen gegenüber Lauterbachs Plänen groß

Eine Operation. (Symbolbild: Sasin Tipchai)
Eine Operation. (Symbolbild: Sasin Tipchai)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Es tut einer Sache nie gut, wenn der Eindruck entsteht, Politik und Praxis reden aneinander vorbei. In Sachen Krankenhausreform aber verdichtet sich die Vermutung, dass der Gesundheitsminister aus der Großstadt und die Verantwortlichen im ländlichen Raum eine gänzlich unterschiedliche Sicht auf die Chancen und Risiken eines medizinisch sinnvollen und wirtschaftlich praktikablen Umbaus der Kliniklandschaft sowie der unverzichtbaren Versorgungsaufgaben vor Ort haben.

 

Nein, versichert Karl Lauterbach, es gebe keine Pläne, die ein konkretes Krankenhaus gefährdeten. Die Behauptung, viele Kliniken auf dem Land müssten durch die Reform dichtmachen, ist für den Minister „reine Panikmache“. Im Gegenteil. Es gehe ihm darum, die Kliniken vor der Haustür zu erhalten und obendrein Patienten höhere Qualität zu bringen. Mehr noch: Lauterbach zeigt sich seit kurzem für flexiblere regionale Lösungen offen – pocht allerdings auf einheitliche Regeln, um in Deutschlands Kliniken den wirtschaftlichen Druck zu mildern. Nicht nur Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hält dafür Öffnungsklauseln für „unabdingbar“. Ob Grüne, Union oder SPD: In den Ländern bleibt das Misstrauen gegenüber Lauterbachs Plänen groß.

 

Ärzte befürchten zweitklassige Versorgung

 

Und nicht nur dort. Viele Ärzte befürchten nicht ohne Grund eine zweitklassige Versorgung der Patienten abseits der großen Städte. Und das aus bitterer Erfahrung. Falls die Reform kommt, könnten deutschlandweit 600 Kliniken von der Schließung betroffen sein, so Schätzungen. Es sind ja nicht nur die weiteren Entfernungen zum nächsten Krankenhaus, die Patienten im akuten Behandlungsfall träfen. Manche Klinik würde wohl bisher selbst betriebene Bereiche wie Kardiologie, Orthopädie oder Unfallchirurgie schließen müssen (und damit ihre Wirtschaftlichkeit) – auch wenn Lauterbach recht mit dem Hinweis hat, dass lange geplante Spezialoperationen in größeren Fachzentren durchaus eine höhere medizinische Qualität mit sich brächten. Hinzu könnte nämlich eine Abwanderung von Klinikpersonal und Stellenabbau sowie eine Ärzteflucht vom Land in die Städte kommen, weil sich viele Mediziner mit einer bloßen Grundversorgung nicht ausreichend gefordert fühlen. Ein Landproblem, wer will das bezweifeln?

 

Kopfschmerzen bereitet den kleinen und mittleren Kliniken vor allem die Einteilung in sogenannte Level. Level I steht für die Grundversorgung, Level II für die Schwerpunktversorgung und Level III für die Maximalversorgung, etwa in hochspezialisierten Uni-Kliniken. Ein Krankenhaus mit Level I darf dann nur noch eine begrenzte Zahl von Leistungen erbringen, zum Beispiel die Aufnahme von Menschen, die nach einer Level II-Behandlung überwacht und gepflegt werden müssen. Dazu, so das Lauterbach-Ministerium, reiche es in bestimmten Fällen, qualifiziertes Pflegepersonal einzusetzen – ohne Anwesenheit von Ärzten.

 

Komplexe Behandlungen in weniger Kliniken

 

Schon das zeigt, wo die weitreichenden Einschnitte am tiefsten sein werden: im ländlichen Raum mit seinen kleineren Kapazitäten. Denn um auf Level III zu kommen, reicht es nicht mehr, bei der Behandlung einer Krankheit (etwa der Kardiologe) hochspezialisiert zu sein, solange keine andere Level II-Leistung angeboten wird. Die Folge: Die Klinik wird abgestuft. Hochwertige Leistungen oberhalb des neuen Levels, die bisher gemeistert wurden, dürfen von ihr nicht mehr erbracht werden. Die Konsequenz: Langfristig können weniger Kliniken komplexe Behandlungen anbieten. Das mag in Großstädten mit einem breit gefächerten Kliniknetz verkraftbar und nachvollziehbar sein, nicht aber dort, wo die Wege von Klinik zu Klinik immer weiter und mühsamer werden.

 

Alle Klinikleitungen wissen, dass eine Reform zwingend nötig und unausweichlich ist. Aber sie hoffen, wenn auch mit gemischten Gefühlen, dass Lauterbachs Großstadtpläne nicht sein letztes Wort sind. Es wäre schon viel erreicht, wenn Leistungsgruppen und Level-Einstufungen voneinander getrennt würden, damit ein Krankenhaus der Basisversorgung auch Leistungen anbieten darf, die den Plänen nach nur in einer Schwerpunktversorgung statthaft sind. Ein schärferer Blick auf die Bedürfnisse auf dem Land tut da not. Es wäre fatal, wenn auch bei der medizinischen Versorgung die Praxis im ländlichen Raum einer ministeriellen Theorie zum Opfer fiele.

 


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