Der Krieg, der Gipfel und die Protestbewegung

In Garmisch sorgt der Staat sogar für Fahrgelegenheiten zur G7-Demo

Schloss Elmau (Foto: Matthias Frank)
Schloss Elmau (Foto: Matthias Frank)

 

Von Michael Lehner 

 

Die Teilnehmerzahlen beim Protest gegen den G7-Gipfel bleiben weit hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück. Womöglich ahnt die Szene, dass Anliegen wie Frieden und Klimaschutz bei den Industrienationen besser aufgehoben sind als bei postkommunistischen Despoten. 

 

Da geraten liebgewordene Feindbilder ins Wanken. Auf beiden Seiten. So wie internationale Konzerne erkennen, dass ihr Wirtschaften das Lebensgefühl einer umweltbewegten Jugend nicht ignorieren kann, erkennt die Protestbewegung, dass ihre Ziele in höchste Gefahr kommen, wenn statt Demokratie Denkverbote und Staatsterror herrschen. „Fridays for Future“ sind in Moskau oder Peking unvorstellbar. Wer nicht in den Kram passt, landet in der Zelle und im Straflager.

 

In Garmisch-Partenkirchen kutschiert der Staat eine Abordnung der Gipfel-Kritiker sogar zum Tagungshotel nach Schloss Elmau. Nicht wie ursprünglich angeboten im Mannschaftsbus der Polizei, sondern auf Wunsch der Protestierenden in neutralen Fahrzeugen. Wer behauptet, hierzulande dürften Kritiker nicht ihre Meinung sagen, wird eindrucksvoll eines Besseren belehrt. In diesen Kontext gehört dann auch die Anmerkung, dass die eher linke Szene offenbar konsensbereiter ist als Reichsbürger & Konsorten. Womöglich kein Wunder bei der Nähe zwischen Rechtsaußen und dem Kriegstreiber Putin.

 

Was für eine Welt soll denn gerettet werden?

 

Es liegt nun mal nicht an den westlichen Industrienationen, dass Umwelt und Klima aktuell gegen Massenmord und andere Verbrechen gegen das Völkerrecht in den Hintergrund treten. Sie haben nicht zu verantworten, dass den Ärmsten dieser Erde Hungersnot droht. Was für eine Welt soll denn gerettet werden, wenn die Diktatoren freie Hand hätten? Bedingt der unbedingte Wunsch nach Frieden nicht am Ende eine Abkehr von einer Umweltpolitik, die den Profit neuen, ökologischen Regeln unterwirft.

Vieles von dem, was Sprecher der kleinen Protest-Schar in diesen Tagen in die Mikrophone sagen, klingt aus der Zeit gefallen. Als sei eine neue Wirtschaftsordnung momentan wichtiger als die akute Gefahr für die Weltordnung. Als ließe sich der Wiederaufbau der Ukraine finanzieren, wenn wir die Wirtschaft auf umweltfreundliche Sparflamme setzen. Als wäre der Umweltminister von den Grünen vom Teufel geritten, wenn er den Betrieb von Kohlekraftwerken in akuter Not nicht ausschließen will.

 

Realität und Bilder zeigen Wirkung

 

Der Irrglaube, dass Demokratien nicht wehrhaft sein müssten, besteht nicht vor den Bildern der blindwütigen Zerstörung. Und die Hoffnung, dass das Schlachten endet, ruht aktuell auf den Mächten der NATO und – vor allem – auf der militärischen Kraft Amerikas. Es ist durchaus friedfertig, vom Gipfel in Elmau überzeugende Drohkulissen zu erwarten. Spannend, dass es sogar in der Linkspartei neuerdings Mehrheiten gegen den Kuschelkurs im Umgang mit Moskau gibt. Im Anblick russischer Bomben und Raketen ist auch das Ende der ideologieverliebten Lügen nahe. 

 

Hoffnungsvoll stimmt da vor allem der Eindruck, dass die Ernüchterung weit hinein reicht ins Lager der Jungen. Sie ahnen, dass es die wahren Feinde einer friedlichen, umweltbewussten Erde nur wenig beeindruckt, wenn sich Kritiker im Berufsverkehr auf Ausfallstraßen festkleben. Die Diktatoren erreicht das so wenig wie das Leid in den zerbombten Kliniken der Ukraine. So wahr auch, dass in Garmisch alle, die das wollten, ihren Protest durch die Straßen tragen durften.

 


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