Sieh, das Gute liegt so nah

Ländliche Regionen müssen sich wappnen, um im Wettbewerb um Arbeitsplätze nicht von den Großstädten abgehängt zu werden

Ein Student mit einem Buch in der Hand (Symbolbild: Gerd Altmann)
Ein Student mit einem Buch in der Hand (Symbolbild: Gerd Altmann)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Für Wido Geis-Thöne ist die Sache ziemlich klar: Laut der brandneuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) müssen „die Regionen für junge Menschen ein Umfeld schaffen, in das diese gerne zurückkehren“. Erst im zweiten Schritt braucht der ländliche Raum eine gezielte Suche nach Fachkräften aus dem In- und Ausland, um sie für einen Zuzug zu gewinnen.

 

Für Studienautor Geis-Thöne ergibt sich daraus eine klare Priorität. Denn haben die Regionen beim Werben um Abiturienten Erfolg, können sich Wanderungsgeschehen und Bevölkerungsentwicklung sehr viel günstiger darstellen als in den IW-Modellrechnungen. Was Geis-Thöne damit sagen will, hat Wolfgang von Goethe einmal geradezu sprichwörtlich formuliert: Sieh, das Gute liegt so nah.

 

Die Regionen müssen das beherzigen, um im Wettbewerb um Arbeitsplätze nicht von den Großstädten abgehängt zu werden. Und da ist der Studie zufolge nicht nur Migration aus dem Ausland entscheidend, sondern auch innerdeutsche Umzüge sind von großer Bedeutung. Die Erkenntnis: Großstädte profitieren von ihnen am meisten, ländliche Gebiete stehen vor großen Herausforderungen. Besonders im Osten der Republik.

 

Großer Umbruch auf dem Arbeitsmarkt

 

Der deutsche Arbeitsmarkt steht kurz vor einem tiefgreifenden Umbruch. In den kommenden Jahren gehen die Babyboomer in Rente. Die Folgen: In vielen Bereichen droht ein noch größerer Fachkräftemangel als schon jetzt. Entscheidend wird es da sein, ob und wenn ja, wie gut die deutschen Städte und Regionen ihre Erwerbstätigen halten und neue hinzugewinnen können.

 

Laut den IW-Berechnungen über die künftige Größe der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (statistische Grundlage sind die Veränderungen der amtlichen Bevölkerungszahlen verschiedener Geburtsjahrgänge in den vergangenen fünf Jahren), könnte Leipzig seine Bevölkerung im Alter zwischen 20 bis 64 Jahren bis 2030 um rund 26 Prozent durch Zuzüge steigern. Im Landkreis Lüchow-Dannenberg sieht die Lage ganz anders aus. Dort dürften deutlich mehr Bürger im erwerbsfähigen Alter ab- als zuwandern. Der Wanderungsverlust beläuft sich bei den 20- bis 64-Jährigen im Jahr 2030 auf rund sieben Prozent.

 

Für Akademiker wenig attraktiv

 

Die Studie alarmiert vor allem die ländlichen Gebiete in den neuen Bundesländern. Ihnen fehlt es mit Blick auf Akademiker oft an beruflicher Perspektive und attraktiven privaten Angeboten. Denn entscheidend für den Verlust junger Einheimischer ist der Wegzug von Abiturienten zum Studium. Die in späteren Jahren zu verzeichnende Rückkehr in den ländlichen Raum gleicht die Verluste bei Weitem nicht mehr aus.

 

Der ländliche Raum braucht deshalb eine bessere Mischung aus einfacheren Dienstleistungen und attraktiver Infrastruktur für Rechtsanwälte, Lehrer, Ärzte, Betriebswirtschaftler oder Digital-Unternehmensgründer, die in der Regel neue Arbeitsplätze mit sich bringen. Die ersten Schritte müssen im ländlichen Raum früh getan werden. Wer das Gute, das so nah liegt, mit kluger und mutiger Ortsentwicklung früh für sich interessiert und an sich bindet, muss später trotz manch kultureller und infrastruktureller Nachteile gegenüber den Großstädten nicht fürchten, im Ringen um Fachkräfte endgültig abgehängt zu werden.

 


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