Merz muss die CDU nicht neu erfinden

Die Christdemokraten erwarten von ihrem neuen Vorsitzenden Geschlossenheit und eine klare Kante

Bewegter Friedrich Merz nach der Wahl zum CDU-Parteivorsitzenden (Screenshot YouTube)
Bewegter Friedrich Merz nach der Wahl zum CDU-Parteivorsitzenden (Screenshot YouTube)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Die CDU übt sich in Bescheidenheit. Allen voran ihr neuer Vorsitzender. Mal wieder eine ganze Amtszeit durchzuhalten, das wünscht sich Friedrich Merz. Also gerade mal zwei Jahre. Seine Hoffnung wirkt keineswegs kokett. Dass die eher Dauer-Führung gewohnte CDU mittlerweile Vorsitzende SPD-like fallen lassen kann wie eine heiße Kartoffel, haben Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet schmerzlich erfahren müssen.

 

Jetzt also muss es Friedrich Merz richten. Der 66-Jährige soll die CDU aus dem tiefen Tal der Oppositionstränen möglichst schnell wieder auf die sonnigen Höhen des Kanzleramtes führen und in den Bundesländern glänzen lassen. Die Delegierten haben einem Politiker dafür einen bemerkenswert großen Vertrauensvorschuss gegeben, der auch nach zwei deprimierenden Kandidaturen nicht aufgegeben hat. Knapp 95 Prozent der Delegiertenstimmen sind daher nicht zuletzt das Eingeständnis, so ziemlich alles falsch mitentschieden zu haben, was man früh in noch halbwegs aussichtsreichen Wahlkampfmonaten hätte verhindern können. Vielleicht verheißen sie sogar Einsicht.

 

Das wäre dann wirklich ein tragfähiges Fundament, auf das Merz bauen will. Der erste Schritt jedenfalls zu einer neubestimmten Richtung ist gelungen. Auch personell. Das Merz-Team verkörpert nicht das Versprechen, die CDU neu zu erfinden. Aber es ist ein starkes Zeichen, sich nicht einen von den Gegnern platt plakatierten Rückfall in altkonservative Klischees zu gönnen.

 

Fokus auf leistungswillige Mitte

 

Es hieße Merz zu unterschätzen, drückte man ihm den Von-Gestern-Stempel auf. Der neue Vorsitzende mit lang zurückliegender Führungsposition ist keineswegs ein nach 16 Jahren aus den Tiefen des ewigen Eises aufgetauter Hoffnungsträger mit spätkapitalistischen Konzepten oder einem ausgemusterten Frauen- und Familienbild. Merz und die ganze Partei wissen, dass Umwelt- und Klimaschutz, dass soziale Gerechtigkeit und innere Sicherheit endlich eine klare christdemokratische Handschrift brauchen. Kühlen wirtschaftlichen Verstand statt schwurbeligen Öko-Patriotismus. Eine erkennbare Fokussierung auf die leistungswillige gesellschaftliche Mitte statt der zeitgeistigen Unterwerfung unter laute Minderheitsansprüche. Eine Rückbesinnung auf eine solide finanzierte Zukunft im Sozialen, in der Bildung und der Infrastruktur. Und die unmissverständliche Abgrenzung zu rechtsradikaler Volksverdummung.

 

Die CDU muss sich nicht neu erfinden. Aber sie muss inhaltlich und personell Kante zeigen. Muss in den nächsten Jahren Opposition wirklich wollen, um wieder Regierungsverantwortung übernehmen zu können. Muss Kompetenz und Courage zeigen, um sich von der Ampel abzugrenzen – mit so viel Konfrontation wie möglich und so viel Konsens wie nötig.

 

Die Ära Merkel verglüht

 

Mit Merz verglüht die Ära Merkel, jene lange Zeit von immer stimmenspärlicheren Siegen.  Partei und Ex-Kanzlerin gehen spröde auf Distanz. So endet eine christdemokratische Nicht-Fisch-nicht-Fleisch-Epoche, an deren Schluss die Wählermehrheit die verschwimmende Unverwechselbarkeit und das überkommene Führungsselbstverständnis bestraften.

 

Merz braucht eine möglichst geschlossene Partei. Das wird nicht leicht. Die Ansprüche an seinen Vorsitz speisen sich noch immer aus sehr unterschiedlichen Quellen. Wie harmonisch-straff Merz seine CDU in die Erfolgsspur zurückbringen kann, wird sich zum ersten Mal darin zeigen, ob er im Frühjahr nach dem Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion greift. Im Mai wählt dann Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag. Danach wird sich andeuten, ob Merz für zwei Jahre planen kann.

 


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