Das Aus für den E-Auto-Zuschuss war überfällig

Warum wirklich erschwingliche Elektro-Autos vom Staat noch nie gefördert wurden und wie die Pendler auf dem Land alleine gelassen werden

Foto: Johannes Wiesinger / pixelio.de
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Von Michael Lehner

 

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Kaum zu glauben: Elektro-Autos mussten immer schon mehr als 27 Pferdestärken haben und über 450 Kilo wiegen, damit ihre Anschaffung vom Bund gefördert wird. Die Käufer kleiner Stadtflitzer, die durchaus für Berufspendler im ländlichen Raum taugen könnten, gehen leer aus. Und das liegt nicht am Bundesverkehrsminister, der mit seinem Nein zum Tempo-Limit zur Hassfigur der Anhänger einer kompromisslosen Mobilitätswende geworden ist. Die Bremser sitzen im Haus des Bundeswirtschaftsministers, der bekanntlich Mitglied der Grünen ist.

 

Mag ja sein, dass es nur um eine Petitesse geht. Aber um eine Petitesse mit Symbolkraft. Zumal Abgeordnete der Habeck-Partei schon für Änderung der Kleinstwagen-Diskriminierung kämpften, als die Grünen noch die Oppositionsbank drückten. Verschärfend kommt hinzu, dass reichlich Verbraucher bereit wären, mit „weniger Auto“ unterwegs zu sein. Aber während die Elektro-Minis in anderen Industrie-Nationen – wie in Japan – längst Verkaufsschlager sind, bleiben sie in Deutschland bisher Nischenprodukt.

 

Womöglich auch deshalb, weil die heimische Automobilindustrie am liebsten gar keine Kleinwagen bauen möchte? Und weil die Subventionspolitik des Bundes bisher dafür sorgte, dass die heimischen Konzerne teure Autos an ein zahlungskräftiges Publikum verkaufen konnten, weil sich alle Steuerzahler – also auch die Pendler – an den stolzen Kosten der Karossen von Tesla & Co. beteiligen mussten. Eine Rolle mag auch gespielt haben, dass das Großstadt-Publikum von Grünen und SPD in Masse auf spottbilligen öffentlichen Nahverkehr im Zehn-Minuten-Takt umsteigt. Statt eigenem Auto gibt’s in den Metropolen obendrein Leihwagen aus dem Car-Sharing zu erträglichen Kosten. Was ebenso dazu beiträgt, dass erschwingliche Alltagsauto zur aussterbenden Art werden.

 

Böse Menschen spekulierten schon, ob das Automobil-Aus durch die Hintertür am Ende gar erwünscht sein könnte: um das als eher störrisch verrufene Landvolk zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr zu zwingen. Oder gleich zum Umzug in die Ballungsgebiete. So ließe es sich ja auch vermeiden, Bahn und Busse auf dem Land endlich zu einer echten Alternative zum Auto zu ertüchtigen. Umstände, die es irgendwie logisch erscheinen lassen, dass Elektromobilität in der Provinz eher zu den nachrangigen Zielen der Metropol-Politiker gehört. Sogar die sündteure Ertüchtigung des Stromleitungsnetzes in den Dörfern ließe sich sparen, wenn E-Autos für Normalverdiener zu teuer bleiben.

 

Knuffiger Zweisitzer aus der Schweiz

 

Jüngstes Beispiel: Ausgerechnet aus der kleinen Schweiz kommt demnächst auch nach Deutschland ein Wägelchen namens „Microlino“. Der knuffige Zweisitzer hat schon zum Start das Zeug dazu, Kult zu werden. Mit deutlicher Anlehnung an die Formensprache der „Isetta“, mit der die Bayerischen Motorenwerke großen Anteil an der Massenmotorisierung der Wirtschaftswunderjahre hatten. Wie die „Isetta“ bietet die Neuauflage Platz für zwei Leute und zusätzlich drei Getränkekisten.

 

Auf dem Höhepunkt seiner Erfolgsgeschichte hatte der bayerische Kleinstwagen 13 PS, die Neuauflage aus der Schweiz bringt es immerhin auf 27 Pferdestärken. Das reicht für 90 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit und erstaunliche Agilität im Stadtverkehr. Je nach Akku-Größe sind bis zu 230 Kilometer Reichweite drin. Der Knackpunkt sind die Preise von 21.000 Euro aufwärts. Gäbe es den staatlichen Umwelt-Bonus von 4500 Euro für derart leichte (und sparsame) Kleinwagen, käme der Umstieg auf Elektromobilität auch in die finanzielle Reichweite von Normalverdienern, die aufs Auto angewiesen sind, um zur Arbeit und zum Einkaufen zu fahren.

 

Nahezu satirisch an der Sache ist nicht zuletzt die üppige Internet-Präsenz, mit der BMW das Isetta-Original heute als „wundervolle Geschichte“ feiert. Nostalgie, die sich zwanglos mit dem „Goggomobil“ ergänzen ließe: Ebenfalls maximal 15 PS stark, mit engen Sitzplätzen für vier Personen – und der schärfste Isetta-Konkurrent, bis BMW das Familienunternehmen Glas im niederbayerischen Dingolfing schluckte.

 

Wahr ist zudem, dass die Kleinstwagen aus Bayern die Wirtschaftswunderjahre mindestens ebenso prägten wie die Nobel-Karossen jener Zeit. Und auch die Motorleistungen der damaligen Oberklasse waren überwiegend so bescheiden, dass sie heute kaum ein deutscher Hersteller seiner Kundschaft als Einstieg in die E-Mobilität anbieten möchte. Das Geschäft mit der automobilen Bescheidenheit überlassen unsere Traditionsmarken erkennbar den Franzosen. Zum Beispiel dem Staatskonzern Renault, der mit dem minimalistischen Zweisitzer „Twizy“ seit über zehn Jahren ordentliche Geschäfte macht – ganz ohne Zuschuss aus der Staatskasse.

 

Weit entfernt vom Minimalismus der „Ente“

 

Mit der Übernahme durch Citroën mischt wenigstens Opel künftig ein wenig mit bei der Verkehrswende für Normalverdiener, denen der öffentliche Nahverkehr – zumal beim akuten Haushaltsdebakel der Bundesregierung – wohl noch viele Jahre keine Alternative zum Auto sein wird. Bis 2026 soll der Strom-Opel für 25.000 Euro marktreif sein. Mit genug Pferdestärken für den Pendler-Alltag. Und weit entfernt vom Minimalismus der „Ente“, mit der Citroën nach Kriegsende Automobilgeschichte schrieb – zum Verkaufsstart ganze neun Pferdestärken unter der Wellblechhaube.

 

Auf das Aus der Steuer-Zuschüsse hat der französische Opel-Mutterkonzern Stellantis (Citroën, Peugeot, Fiat) mit der Zusage reagiert, für bereits bestellte E-Fahrzeuge, die bis zum 29. Februar 2024 zugelassen werden, die ursprünglich geplante Kaufprämie von bis zu 4500 Euro zu übernehmen. Elektro-Pionier „Tesla“ präsentiert derweil den monströsen „Cybertruck“ mit über 800 PS und Beschleunigungswerten im Formel-1-Format. Die deutschen Autobauer schmollen und der Energiewende-Minister beklagt eine „missliche Situation‟.

 


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