Die Parteipolitik und die Jäger

Nicht nur in Bayern kämpfen Volksvertreter auf Jägertagen und Hubertus-Messen um Einfluss und Wählerstimmen

Foto: Carsten Przygoda / pixelio.de
Foto: Carsten Przygoda / pixelio.de

 

Von Michael Lehner

 

Mit der Materie weniger vertraute Journalisten amüsieren sich mal wieder über Hubert Aiwanger: Der Chef der Freien Wähler hat der CSU die Zuständigkeit für Forst und Jagd abgehandelt. Und dafür im Wirtschaftsministerium auf die scheinbar weit wichtigere Verantwortung für das Hotel- und Gaststättengewerbe verzichtet. Wer die Zusammenhänge über die Jahrzehnte kennt, weiß jedoch, dass die CSU damit einen Erbhof preisgibt, der ihr noch im vergangenen Jahr Machtworte des Ministerpräsidenten und Fraktionskrach wert war.

 

Nachdem das Münchner Forstministerium lange Zeit von Überläufern aus der einst wichtigen Bayernpartei geführt wurde, begann im Jahr 1990 die Zeit der reinen CSU-Regentschaft im wohl wichtigsten Ressort für den ländlichen Raum. Mit zunächst häufigen Personalwechseln an der Spitze des als schwierig geltenden Hauses. Den Führungsanspruch im Bayerischen Landesjagdverband (BJV) hatte die CSU schon im Jahr 1972 mit der Präsidentschaft des CSU-Landtagsabgeordneten Gerhard Frank übernommen – und bis heute nicht abgegeben.

 

CSU-Macht im Jagdverband bröckelt weiter

 

Dem skandalumwitterten Jäger-Präsidenten und CSU-Abgeordneten Jürgen Vocke folgte im Jahr 2020 CSU-Fraktionskollege Ernst Weidenbusch, dem schon vor seiner ersten Wiederwahl bedrohliche Konkurrenz aus dem Lager der Freien Wähler erwuchs. Ein Machtwort des Ministerpräsidenten verhinderte zwar die Kampfkandidatur von Aiwangers Staatssekretär Roland Weigert. Aber die CSU-Macht im Jagdverband bröckelt weiter. Vor allem wegen der enttäuschten Hoffnung, dass die Anliegen der Jäger bei CSU-Mandatsträgern am besten aufgehoben seien.

 

Ziemlich machtlos mussten Weidebusch und vorher schon Vocke mit ansehen, wie sich das Münchner Landwirtschaftsministerium zu einer Hochburg der Konkurrenz vom Ökologischen Jagdverband (ÖJV) entwickelte. Mit klarer Übermacht des Öko-Flügels unter den für den Forst zuständigen Beamten. Und damit auch der unter Jägern in solch rigoroser Form höchst umstrittenen These „Wald vor Wild“. Weidenbusch versuchte vergeblich, in seiner CSU-Regierungsfraktion dagegenzuhalten. Zur jüngsten Landtagswahl ist der 60-Jährige nicht mehr angetreten.

 

Landwirtschaft, Forst und Jäger nicht auseinanderdividieren

 

Mit dem neuen Zuschnitt der Zuständigkeiten müssen sich die Ministerialbeamten der Forst-Abteilung mit Aiwanger an einen Chef gewöhnen, der sich nicht nur mit beißendem Spott über die forstamtlichen Wildschadenserhebungen lustig macht, sondern auch im Jagdverband eindeutig Position gegen die sehr kleine ÖJV-Konkurrenz bezieht. Schon beim jüngsten Landesjägertag feierten die Delegierten Aiwanger wie einen heimlichen Präsidenten für sein Minister-Grußwort mit der Kernforderung, dass sich Landwirtschaft, Forst und Jäger nicht auseinanderdividieren lassen dürfen.

 

Da kommen wohl spannende Zeiten auf Bayerns Forstverwaltung zu. Und auch auf die Jäger, für die nun einer Regierungsverantwortung trägt, der mit Flinte und Büchse aufgewachsen ist. Und nicht erst in späteren Lebensjahren die Passion fürs Waidwerk entdeckte. Was sonst nicht ungewöhnlich ist in der Berufspolitik. Obwohl es aus der Mode kommt, die bestandene Jägerprüfung in Parlamentshandbüchern anzuführen. Lieber offenbart „man/frau“ sich nur in Jägerkreisen, zum Beispiel auf Hubertus-Messen oder Hegering-Versammlungen.

 

Andere orientieren sich lieber an Negativ-Erfahrungen jagender Politiker-Kollegen. Zum Beispiel am niedersächsischen SPD-Mann Olaf Lies, der als Umweltminister auch für die Jagd zuständig war und die Öffentlichkeit an seiner Jungjäger-Ausbildung teilhaben ließ. Die Quittung war ein veritabler Shitstorm, Drohungen und Verwünschungen inklusive. Mittlerweile ist der Waidmann Wirtschaftsminister und nicht mehr fürs Jagen zuständig. Umweltminister in Hannover ist nun Christian Meyer von den Grünen. Er ist jagdlicher Ambitionen unverdächtig.

 

Rheinland-Pfalz: Glatter Bruch mit dem Bundesjagdgesetz

 

Während in Bayern sogar „Gründerväter“ der Grünen wie der Bio-Bauer Sepp Daxenberger ein ziemlich entspanntes Verhältnis zum Waidwerk pflegten, zeigt der aktuelle Blick nach Rheinland-Pfalz, wie sehr Parteipolitik und Jagd verwoben sind. In Mainz will Umweltministerin Katrin Eder von den Grünen eine Novelle durchsetzen, die erklärtermaßen als Blaupause für einen bundesweiten Paradigmenwechsel des Jagdrechts dienen soll. Mit drastisch verkürzten Schonzeiten und freier Jagd für die Besitzer kleiner und kleinster Agrarflächen. 

 

In der Praxis bedeutet der rheinland-pfälzische Entwurf den glatten Bruch mit dem geltenden Bundesjagdgesetz, dessen Grundlagen der preußische Ministerpräsident Otto Braun setzte, ein Sozialdemokrat. So spannend wie die Frage nach der Erinnerungskultur in der Regierungspartei SPD ist in Mainz auch die Rolle des Junior-Koalitionspartners FDP, der in den Beratungen zur Jagdrechtsnovelle durch einen Jagdscheininhaber vertreten wird. Aber der hat dabei wohl kaum mehr zu sagen als Bayerns Jäger-Präsident Weidenbusch bei der CSU-Forstpolitik.

 

Jäger Aiwanger genießt derweil schon einen vollen Terminkalender im neuen Zuständigkeitsbereich. Bei der Hubertus-Messe der Berufsjäger im Gebirgsort Fall saß er mit Königlichen Hoheiten des Hauses Wittelsbach ganz vorn unter den Ehrengästen. Im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung geißelte er den „unvernünftigen“ Umgang mit den Wölfen, von denen nach seiner Schätzung schon 2000 Exemplare durch Deutschland streifen. Damit der Bestand nicht explodiert, lässt der Minister die Republik wissen, sei der Abschuss von jährlich 500 Tieren nötig.

 

Ach ja, von den Förstern verlangt Aiwanger schon seit Jahren, dass sie weniger kapitale Hirsche und Gamsböcke schießen sollen, sondern besser die eher mühsame Winter-Jagd aufs Schwarzwild verstärken. Der Absatz des Wildprets sei schließlich gesichert in Bayerns Wirtshäusern. Aber für die sind die Freien Wähler ja nicht mehr zuständig.

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Hubertus (Donnerstag, 09 November 2023 12:41)

    Ein lesenswerter Beitrag, danke dafür.

    Allerdings bedarf er in einem wesentlichen Punkt der Korrektur: Das von Hubert Aiwanger geführte Wirtschaftsministerium ist fortan nicht für "den Forst" - im Sinne der Forstverwaltung - zuständig, sondern lediglich für das Unternehmen Bayerischen Staatsforsten, wo das Ministerium als Rechtsaufsichtsbehörde fungiert. Hinzu kommt die im Artikel genannte Rolle als oberste Jagdbehörde.

    Im Ergebnis rutschen also die alten Abteilungen F7 und F8 des StMELF in das Wirtschaftsministerium. Hoffentlich ohne das dortige Führungspersonal, mit dem jagdpolitisch kein Blumentopf zu gewinnen ist.

    Die Umstrukturierung ist - aus den im Artikel genannten Gründen - absolut zu befürworten. Das sieht man an dem Geschrei des forstlich geprägten BUND, der als anerkannter Naturschutzverband (!) dem flächigen Totschießen von Reh, Hirsch und Gams das Wort redet, aber den heiligen Forst gleichzeitig mit Windrädern zupflastern will. Ganz so wie die Grünen.

    "Jagdpolitik" gab es im StMELF seit Jahrzehnten nicht mehr. Zudem hat das forstlich geprägte Ministerium dem wirtschaftlichen Debakel bei den BaySF ("nachhaltig wirtschaften"...) tatenlos zugesehen, ebenso wie dem Treiben im Nationalpark Berchtesgaden, in dem teilweise ganzjährig gejagt werden darf. Weil der Nationalpark Waldumbau betreiben muss...

    All das kann letztlich nur besser werden. Es setzt allerdings voraus, dass auch die Jägerschaft sich einbringt - Rotwildgebiete, Abschussplanung, Schonzeitaufhebungen, Drückjagden im Winter sind alles Punkte, die in die öffentliche Diskussion müssen. Keine Zeit mehr, die Jagd nur mit dem Einfluss auf das eigene Revier zu verbinden.

    Zum rheinland-pfälzischen Jagdgesetz verliere ich an dieser Stelle keine vertieften Worte. Nur so viel: Es ist beschämend, welche Akteure heute Gesetzgebungsvorhaben bestimmen. In Rheinland-Pfalz ein oberster Behördenleiter, der bereits durch mehrere Verstöße gegen Jagdrecht geglänzt hat und meint, Führungspersonal der Forsten müsse in der Dienstzeit auf die Jagd gehen dürfen - mit seinen Freunden ("Dritten") natürlich. Das ist eigentlich ein Fall für den Bund der Steuerzahler.

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