Landwirt werden – gegen den Trend

Die Ausbildungszahlen sind in den vergangenen Jahren nicht nur stabil geblieben, sondern weisen sogar wieder deutlich nach oben

Foto: Kollinger
Foto: Kollinger

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

„Historischer Tiefstand“, „Zigtausende Lehrstellen unbesetzt“ – Schlagzeilen zum Ausbildungssektor, der weiterhin massiv unter Druck steht. Gerade von Corona besonders stark betroffene Bereiche wie Pflege oder Gastronomie haben sich bis heute nicht von den Einbrüchen erholen können. Es gibt Berufe wie Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Kaufleute für Büromanagement oder Kraftfahrzeugmechatroniker/in, die weiterhin hohe Zahlen verbuchen. Doch zumeist ist die jeweilige Branche schon froh, wenn die Summe der Neuverträge das Niveau des Vorjahres in etwa hält.

 

Gegen den allgemeinen Trend schneidet der Ausbildungsberuf zum Landwirt und zur Landwirtin überraschend gut ab. Zum ersten Mal seit dem Jahr 2015, so gab vor wenigen Tagen die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Bonn bekannt, nahm die Zahl der Auszubildenden auf den Höfen im Jahr 2022 wieder zu. Während der Gesamtbereich Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei einen leichten Rückgang verzeichnete, stieg im Ausbildungsberuf Landwirt/Landwirtin die Zahl der Azubis von 8538 im Jahr 2021 auf 8730 an. Und dies in einer Zeit, in der der Kampf um die besten Köpfe und Talente bekanntlich immer intensiver geführt wird. 

 

Schaut man in die Statistik, so gibt es die meisten Auszubildenden zum Landwirt und zur Landwirtin in Niedersachsen (1776). In Nordrhein-Westfalen sind es 1359, in Bayern 1275. Auf Platz vier folgt Schleswig-Holstein (762) vor Sachsen (642) und Mecklenburg-Vorpommern (504). Unter den Azubis sind 1830 Frauen. Ihr Anteil hat sich von 2021 zu 2022 um stattliche sieben Prozent erhöht.

 

Viele interessante Möglichkeiten

 

Offenbar fruchten die vielfältigen Bemühungen der Landwirtschaft und ihrer Vertretungen um Nachwuchswerbung. Viele Höfe werden von Betriebsnachfolgern modern geführt und bieten interessante Ausbildungsmöglichkeiten an. Das spricht sich herum und erklärt auch, warum sich allgemein die Grünen Berufe im Wettbewerb um die künftigen Fachkräfte durchaus behaupten können. Und dass Leben und Arbeiten auf dem Land in vielerlei Hinsicht attraktiv sein kann, hat sich längst bis in die Städte herumgesprochen.

 

Im Deutschen Bauernverband hat das Thema Bildung und Fortbildung seit Jahren einen hohen Stellenwert. Dies ist wichtig, denn in den Betrieben werden aufgrund der vielfältigen Aufgaben und Fachfragen motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebraucht, die sich nicht nur mit Ackerbau und Tierhaltung auskennen, sondern auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse haben und Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen wissen.  

 

Damit die Ausbildung stets auf Höhe der Zeit erfolgen kann, hält Gerald Dohme, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, es für erforderlich, den Ausbildungsberuf Landwirt nach 20 Jahren neu zu konzipieren und zum Beispiel die schon in den Rahmenlehrplänen stehenden Inhalte ökologischer Landwirtschaft in allen Sparten zu etablieren. Dohme setzt auf das Miteinander, um den Ausbildungsberuf „zusammenzuhalten“.

 

Ein richtiger Weg, denn die Landwirtschaft lebt bekanntlich mit dem Wandel und kennt viele Phasen der Veränderungen, aber blickt auch stets auf das Morgen. In diesem Zusammenhang hat das Projekt „Zukunfts-Bauer“ des Deutschen Bauernverbandes einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert. Es soll vor allem dabei helfen, eine Entfremdung zwischen bäuerlichen Familien und einem Teil der Gesellschaft zu stoppen. Dass wieder mehr junge Menschen sich entscheiden, in die Landwirtschaft zu gehen, sich dort auszubilden zu lassen und mitzuarbeiten, ist ein gutes Zeichen.

 


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