Raus aus der „Agrar-Blase“

Verzerrte Darstellungen verstellen den Blick auf die Landwirtschaft. Mit dem Projekt „Zukunftsbauer“ bemühen sich Landwirte um die dringend notwendige Korrektur

Ein Traktor rollt über ein Feld. (Foto: kasina / pixelio.de)
Ein Traktor rollt über ein Feld. (Foto: kasina / pixelio.de)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Manchmal ist es nicht verkehrt, Expertenrat einzuholen. Jens Lönneker, Psychologe und Inhaber der renommierten Marktforschungsagentur Rheingold Salon, hielt schon vor Jahr und Tag der Landwirtschaft in einer Studie den Spiegel vor. Dass man auf den Höfen zuweilen unter einem falschen gesellschaftlichen Bild leide, habe auch etwas mit den Landwirten selbst zu tun. Laut Lönneker leben die in der Landwirtschaft tätigen Menschen oft isoliert von anderen Gesellschaftsgruppen in einer Art Parallelwelt und kommunizieren überwiegend in ihrer eigenen „Agrar-Blase“. 

 

„Blase“ - ein Bild, das man vornehmlich aus der Bundespolitik kennt. Wenn das grundlegende Wissen über die Lebenswelt und die Werte der Bürger und Wähler fehlt, kommt es zu falschen Entscheidungen, zu Verdruss und Abkehr. Unterm Strich ist dies ein perfekter Nährboden für Vorurteile und Zerrbilder. 

 

Schon vor zehn Jahren empfahlen Claudia und Hans-Heinrich Berghorn in ihrer Studie „Neue Wege in der Agrarkommunikation“, die sie damals im Auftrag der Stiftung Westfälische Landschaft erstellten, eine „umfassende strategischen Kommunikationsoffensive auf der Basis intensiver Selbstreflexion“. Mit „Zukunftsbauer“ geht der Deutsche Bauernverband jetzt genau in diese Richtung. 

 

Präsident Joachim Rukwied sprach kürzlich auf der Internationalen Grünen Woche davon, das eigene Selbst- und Rollenverständnis der Landwirte in der Gesellschaft zu thematisieren und die Kommunikation zu stärken. „Die Bäuerinnen und Bauern der Zukunft werden weiterhin ihrer zentralen Rolle als Erzeuger von Nahrungsmitteln gerecht werden, immer stärker aber auch als Energiewirte arbeiten und ihr Einkommen als Schützer der Artenvielfalt erzielen“, so der DBV-Präsident.

 

Landwirte als Partner für Naturschutz

 

Letzteres sieht auch eine interne Arbeitsgruppe so. Sie glaubt sogar, dass das Bild vom Ernährer der Gesellschaft in den Hintergrund treten sollte. Bauern sollten vielmehr als verantwortungsvolle Partner und Experten für Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz auftreten. Stichwort: Naturschutzunternehmer.

 

DBV-Vizepräsidentin Susanne Schulze Bockeloh, im Präsidium zuständig für das Projekt „Zukunftsbauer“, erklärte in Berlin: „Heute wird unsere Branche von zu vielen Menschen als ‚Teil des Problems‘ gesehen, künftig wollen wir in vielen Bereichen ein wertgeschätzter ‚Teil der Lösung‘ sein.“ Eine entsprechende Empfehlung kam auch vom Chef des Rheingold Salon.

 

Kommunikation muss neu ausgerichtet werden

 

Der Anstoß ist da. Nun wird sich zeigen, ob es der Landwirtschaft gelingt, die Kommunikation innerhalb der eigenen Branche und hinein die Gesellschaft entsprechend neu auszurichten. Dies ist alles andere als eine leichte Aufgabe, denn die Höfe müssen neben Anbau, Zucht und Ernte viele Zukunftsaufgaben gleichzeitig stemmen und alltägliche Herausforderungen bestehen. Und dies, obwohl es oft an verlässlichen Perspektiven, an Planungssicherheit und Handlungsspielräumen mangelt, um die Betriebe nach vorne entwickeln zu können. Doch diese Rahmenbedingungen brauchen die „Zukunftsbauern“, wenn sie ihre Rolle und ihr Selbstverständnis diskutieren. 

 

Die Landwirte müssen zunächst in der intensiven internen Debatte selbst auf einen gemeinsamen Nenner kommen und sich auf die Kernziele verständigen. Viele wünschen sich verständlicherweise neben einer wachsenden öffentlichen Wertschätzung parallel auch eine sichere und nachhaltige Wertschöpfung. So viel ist sicher: Das Projekt „Zukunftsbauer“ ist nicht mit einem schnellen Sprint zu erledigen, sondern hat den Charakter des klassischen Dauerlaufs.

 


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