Schöne neue digitale Dorfwelt?

Beim Projekt „Digitale Dörfer“ sind bemerkenswerte Angebote entstanden. Voraussetzung ist der Breitbandausbau – und da hakt es mancherorts

Digitalisierung kann nur gelingen, wenn das Internet auf dem Land auch schnell genug ist, und noch ist der Ausbau nicht flächendeckend geschehen. (Foto: Thorsten Neuhaus)
Digitalisierung kann nur gelingen, wenn das Internet auf dem Land auch schnell genug ist, und noch ist der Ausbau nicht flächendeckend geschehen. (Foto: Thorsten Neuhaus)

 

Von Christian Urlage

 

Auf örtliche Events aufmerksam machen, regionale Produkte bestellen, Anregungen an die Verwaltung geben, Mitfahrgelegenheiten finden: Das Projekt „Digitale Dörfer“ revolutioniert nach eigener Aussage die Kommunikation zwischen Bewohnern ländlicher Regionen und ebenso zwischen Bürgern und ihrer Gemeindeverwaltung. Es sieht die Digitalisierung als große Chance.

 

Im Juli 2015 fing es an, gefördert vom Innenministerium in Rheinland-Pfalz, dem Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE in Karlsruhe und der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz. Zusammen mit Einwohnern von Modellkommunen – den drei Verbandsgemeinden Betzdorf-Gebhardshain, Eisenberg und Göllheim – wurden spezielle Angebote für Dörfer entwickelt: die BestellBar, die LieferBar, DorfNews, DorfFunk und die LösBar.

 

Was verbirgt sich hinter den klingenden Begriffen? Die BestellBar ist ein Online-Marktplatz, auf dem Einzelhändler der Region ihre Produkte anbieten, die im Internet bestellt werden können. Die LieferBar ist ein Mitbring-Service, der bei der Auslieferung von Paketen auf Nachbarschaftshilfe setzt, kurze Lieferwege hat und zugleich Händler der Umgebung unterstützt.

 

216 Gemeinden machen deutschlandweit mit

 

Die DorfNews sind ein lokales Online-Portal mit Informationen zu Festen und Konzerten, aktuellen Meldungen und zum Wetter. Der DorfFunk dient wie bei Chats dem Austausch; hier können auch den Rathäusern Mängel oder Vorschläge gemeldet werden. Und die LösBar soll den Kontakt zwischen Verwaltung und Bürgern verbessern. „Buschfunk war gestern“, heißt es daher in einem Video des Fraunhofer-Instituts auf der Website www.digitale-doerfer.de

 

Inzwischen machen deutschlandweit 216 Gemeinden von Absberg bis Zolling mit. Und noch mehr ist geplant: Verbesserungen und Vereinfachungen im Arbeitsleben, in der medizinischen Versorgung und in der Pflege. Oder ein digitaler Schaukasten mit Neuigkeiten, Chroniken, Bildergalerien.

 

Wie sehr das Dorfleben durch diese Angebote verbessert wird, muss man sehen. „Unsere digitalen Dienste steigern die Attraktivität der ländlichen Region – und lokale Unternehmen erleben einen Aufschwung“, sagt das Fraunhofer Institut euphorisch. Doch tatsächlich hängt es vor allem davon ab, wie sehr und wie viele Bewohner sie annehmen und mitmachen. Eine Chance ist es auf jeden Fall. 

 

Niedersachsen will aus Breitbandförderung aussteigen

 

Doch Digitalisierung kann nur gelingen, wenn das Internet auf dem Land auch schnell genug ist, und noch ist der Ausbau nicht flächendeckend geschehen. Enttäuschend klingt daher die Nachricht, dass Niedersachsen 2024 aus der Breitbandförderung aussteigen will. Derzeit gibt es eine Mischfinanzierung: 50 Prozent fördert der Bund, 25 Prozent steuert das Land bei – und weitere 25 Prozent müssen die Kommunen beisteuern.

 

Der SPD-Politiker Olaf Lies, der als ein potenzieller Nachfolger von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil gilt, begründet den Rückzug mit der Haushaltslage. Als Landesminister ist Lies nicht allein zuständig für Wirtschaft, Verkehr und Bauen, sondern auch für die Digitalisierung. Die rotgrüne Regierung in Hannover hält die Streichung für verkraftbar und verweist auf die Anbieter von Glasfaser, die nun gefordert seien, die Anschlüsse eigenwirtschaftlich herzustellen. 

 

Kritik in Hannover von CDU, Landkreistag, Städte- und Gemeindebund

 

Die CDU im Landtag in Hannover sieht im Ausstieg dagegen ein fatales Signal für den Ausbau der digitalen Infrastruktur und wirft der Regierung vor, an der falschen Stelle zu sparen. Mit Kritik reagiert auch der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund. Und der Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistags, Hubert Meyer, erklärt: „In der Sache ein fatales Signal der Landesregierung für den ländlichen Raum. In der Form inakzeptabel.“

 


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