Der Klima-Taliban verlässt Brüssel

Was der plötzliche Abschied von Frans Timmermans, Vize-Präsident der EU-Kommission und Chef des Green Deal, für Bauern und Industrie bedeutet

Frans Timmermans, Vize-Präsident der EU-Kommission (Foto: Georges Boulougouris – European Union, 2018)
Frans Timmermans, Vize-Präsident der EU-Kommission (Foto: Georges Boulougouris – European Union, 2018)

 

Von Ludwig Hintjens

 

Die Gerüchte gab es schon länger. Doch Frans Timmermans, Vize-Präsident der EU-Kommission und zuständig für den Green-Deal, hat immer abgewiegelt. Der Niederländer hat immer beteuert, sein Platz sei in Brüssel. Er wolle das Mandat bis zur Europawahl ausüben und strebe darüber hinaus an, auch in der nächsten Kommission für Klimaschutz und gegen das Artensterben zu kämpfen. Jetzt kam es doch anders: Dem 62-jährigen Sozialisten ist die Karriere wichtiger als der Auftrag, den er in der Kommission übernommen hat. Nach fast zehn Jahren als Vize der Kommission schwingt er sich auf seine Harley, röhrt Richtung Niederlande, wo er Ministerpräsident werden will. In der Nachfolge von Mark Rutte, der die Vierparteien-Koalition aus zwei liberalen und zwei christdemokratischen Parteien kalkuliert platzen ließ.

 

Timmermans hat seit 2019 mit seiner ideologischen Politik viel Schaden angerichtet. Darunter leiden insbesondere die Bauern, viele Menschen im ländlichen Raum sowie die Automobilhersteller. Der Niederländer, der nahezu akzentlos Französisch, Deutsch und Englisch spricht, ist verantwortlich für das rigorose Verbrenneraus in 2035. Er hat gezielt hintertrieben, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor klimaneutral mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden können und damit der Technologie den Garaus gemacht, mit der die Motorenbauer der deutschen Marken Weltruhm erlangt haben. Seine Beamten haben die EU-Gesetze geschrieben, die unrealistische Ziele beim Ausbau der Biolandwirtschaft setzen und den Pflanzenschutz in einem Maße einschränken werden, dass darunter die Nahrungsmittelsicherheit leiden wird. Er hat auch beim Renaturierungsgesetz die Strippen gezogen. Das Gesetz wird dazu führen, dass das Eigentumsrecht von Landwirten eingeschränkt wird. Wenn sie Pech haben und ihr Grund und Boden nach EU-Plänen renaturiert werden soll, werden sie ihn nicht mehr intensiv, sondern nur noch extensiv bewirtschaften können.

 

Brachiale Methoden werden in Erinnerung bleiben

 

Timmermans wird vielen in Brüssel auch wegen seiner brachialen Methoden in unangenehmer Erinnerung bleiben. So versuchte er, die Parlamentarier zu erpressen: Er wollte neue Züchtungsmethoden etwa für Saatgut nur erlauben, wenn das Parlament das Renaturierungsgesetz durchwinken würde. Mit dem Geld des EU-Steuerzahlers ließ er NGOs Lobbyarbeit für seine Gesetze machen. Ob Timmermans inhaltlich immer hinter seinem Klima-Kurs stand, muss angezweifelt werden. Die Inhalte hat sein Büroleiter vorgegeben: Diederik Samsom, der früher für Greenpeace Kampagnen gemacht hat.

 

Bezeichnenderweise hat Ursula von der Leyen als seine Chefin nie den Versuch gemacht, den Klima-Taliban zu bremsen. Auch dann nicht, als ihre eigenen Parteifreunde von der christdemokratischen EVP im Europaparlament gegen das Renaturierungsgesetz mobilisiert haben.

 

Ob Timmermans es schafft, Regierungschef zu werden, bleibt abzuwarten

 

Timmermans will in den Niederlanden Chef der gemeinsamen Liste von Sozialdemokraten und Grünen werden. Da die einst stolze sozialdemokratische Partei (PvdA) in den Niederlanden in die Bedeutungslosigkeit gefallen war, versucht sie nun, in Kooperation mit den Grünen nach der Macht zu greifen. Ob Timmermans, der bereits in der niederländischen Politik Außenminister war, es schafft, bei den Wahlen im November Regierungschef zu werden, bleibt abzuwarten.

 

Klar ist, dass ihm der Rückzug in die Niederlande die Konfrontation mit der Realität erspart. Längst hat eine Gegenbewegung zum Green Deal eingesetzt. Die ehrgeizigen Ziele der EU-Klimagesetze werden infrage gestellt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert schon eine zweijährige Regulierungspause. Aufgabe der nächsten Kommission wird sein, abzurüsten. So manches Gesetz, bei dem in der Ära Timmermans über das Ziel hinausgeschossen wurde, wird geerdet werden. Auf EU-Parkett wäre der Spaß für ihn vorbei. 

 


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