Das Renaturierungsgesetz mit seinen nicht absehbaren Folgen

Zum Abschmettern des umstrittenen Gesetzes reichte die Kraft der Christdemokraten im EU-Parlament nicht. Der Vorschlag geht aber ramponiert in die weiteren Verhandlungen

Flaggen vor dem Europaparlament in Straßburg. (Foto: Rainer Sturm / pixelio.de)
Flaggen vor dem Europaparlament in Straßburg. (Foto: Rainer Sturm / pixelio.de)

 

Von Ludwig Hintjens

 

Es war haarscharf: Nur wenige Stimmen fehlten und das Europaparlament hätte den Gesetzentwurf der Kommission für das umstrittene Renaturierungsgesetz komplett zurückgewiesen. Mit Ach und Krach hat das Parlament nun eine Position für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten festgelegt. Der Jubel bei den vehementen Befürwortern, Grünen und Sozialisten, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen: Drei Fachausschüsse hatten den Vorschlag zuvor als mangelhaft bewertet und zurückgewiesen. Die nun verabschiedete Verhandlungsposition ist ramponiert. 

 

So soll es nach dem Willen des Parlaments keine Auflagen für die Mitgliedstaaten geben, eine Verschlechterung der Natur zu verhindern. Maßnahmen, die verpflichtende Ziele für die Reparatur von landwirtschaftlichen Nutzflächen setzen, will das Parlament nicht mittragen. Die Ziele für die Renaturierung von Flüssen und Bächen wurden zusammen gestutzt. Außerdem fordert das Parlament eine Notbremse: Sollten die Lebensmittelpreise besonders stark steigen, soll das Renaturierungsgesetz ausgesetzt werden. 

 

Handfeste Konsequenzen für die Landwirtschaft

 

Es bleibt aber dabei, dass bis 2030 ein Fünftel der Flächen in der EU, dies gilt sowohl für das Land als auch für die Meere, in ihren natürlichen Zustand versetzt werden sollen. Da auf vielen Flächen, um die es geht, heute intensive Landwirtschaft betrieben wird, wird das handfeste Konsequenzen haben. Wenn überhaupt noch Landwirtschaft erlaubt ist, wird lediglich eine extensive Nutzung erlaubt sein. Die Kritiker haben recht: Dies wird Folgen für die Erträge haben. Steigende Lebensmittelpreise und geringere Selbstversorgungsquoten mit wichtigen Lebensmitteln aus der EU-Landwirtschaft sind zu befürchten. Für die Landbesitzer wird es finanzielle Folgen haben. Wertvolles Ackerland wird entwertet, wenn die intensive Nutzung verboten wird. 

 

Ein großer Fehler des Gesetzes ist, dass es die Folgen für die Eigentümer des Landes nicht benennt. Schon gar nicht ist die Rede davon, wie die Bauern entschädigt werden sollen, wenn ihr Grund und Boden nicht mehr für die Preise verkauft werden kann, die sie jetzt erzielen. Niemand bezweifelt, dass das Anliegen des Gesetzes gut ist: 80 Prozent der unter Schutzstatus stehenden Flächen in der EU sind in keinem guten Zustand. Das Artensterben ist eine große Gefahr für unsere Lebensgrundlagen, ebenso wie der Klimawandel. Und es ist richtig, wenn Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität ergriffen werden. Nur: Bevor die Maßnahmen ergriffen werden, muss darüber geredet werden, wie die betroffenen Bauern entschädigt werden, nicht hinterher. 

 

Noch viel Streit über die Quoten zu erwarten

 

Ohnehin ist noch vieles im Unklaren: Bislang ist das Ziel – Wiederherstellung eines Fünftels der Natur – nicht auf die einzelnen Mitgliedstaaten heruntergebrochen. Es wird noch viel Streit darüber geben, welche Quoten die einzelnen Länder erfüllen müssen. Interessant auch, wie es dann in den Mitgliedstaaten umgesetzt wird: Muss ein dicht bevölkertes, industriell geprägtes Bundesland wie NRW genauso viel leisten wie Mecklenburg-Vorpommern mit seinen vielen Agrarflächen? 

 

Das Schauspiel um das Renaturierungsgesetz ist vor dem Hintergrund der Europawahl im Juni interessant. So hat der Chef der christdemokratischen Parteienfamilie, Manfred Weber (EVP), versucht, ein zentrales Green-Deal-Gesetz der von seiner Parteifreundin Ursula von der Leyen geleiteten Kommission zu verhindern. Ob sich der Schachzug gelohnt hat, kann man jetzt noch nicht sagen. In der Bewertung der meisten Journalisten schneidet Weber schlecht ab. Er wird in die rechte Ecke in die Nähe der Klimaleugner gesteckt. Das ist falsch. Die Christdemokraten haben in dieser Wahlperiode alle zentralen Gesetzgebungsverfahren des Green Deal im Europaparlament mitgetragen. Die Menschen im ländlichen Raum werden von den Plänen der Kommission für die Pestizidverordnung und die Renaturierung massiv betroffen sein. Wenn es Vorschläge der Kommission gibt, die so deutlich den Interessen von Bauern und Menschen auf dem Land widersprechen, muss sich die EVP klar positionieren.

 


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