Bei der Green-Deal-Gesetzgebung haben in der Kommission jetzt die Tauben das Sagen

Die neuen Vorschläge für Bodengesundheit und neue Züchtungsmethoden tragen nicht mehr die Handschrift des fundamentalistischen Klimakommissars Frans Timmermans

Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de
Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de

 

Von Ludwig Hintjens

 

Der für den Green Deal zuständige Vize der Kommission, Frans Timmermans, hat eine große Niederlage einstecken müssen. Die Kommission hat am Mittwoch ein Gesetzgebungspaket rund um die Landwirtschaft vorgeschlagen, dem der ehrgeizige Klimakommissar seine Handschrift kaum mehr aufdrücken konnte. Es dürften die ersten Vorschläge seit vier Jahren aus seinem Bereich sein, die auf heftigen Widerspruch bei den Fraktionen im Europaparlament stoßen, denen es beim Klima- und Artenschutz nicht streng genug gehen kann. Und erstmals kommt bei Vorstößen, die vor allem die Landwirtschaft betreffen, Unterstützung von der christdemokratischen EVP.

 

Anders als lange angekündigt, legte die Kommission eben kein scharfes Bodengesundheitsgesetz vor. Brüssel wird den Bauern keine Maßnahmen vorschreiben, um die Konzentration von Schadstoffen im Boden zu senken. Sie wird es vielmehr bei einem Monitoring und dem Erfassen von Daten zum Zustand der Böden belassen. Alles andere überlässt sie den Mitgliedstaaten. Das ist folgerichtig, weil der Boden laut den Europäischen Verträgen nicht in die Kompetenz der EU fällt. Dann sollte sich die Kommission diese auch nicht anmaßen.  

 

Forderung der EVP erfüllt

 

Zudem schlägt die Kommission vor, neue Züchtungstechniken bei Pflanzen zu erlauben. Damit erfüllt sie eine Forderung, die die EVP und die Bauernverbände lange erhoben haben. Es geht um Techniken, die in den USA, Kanada, Brasilien, Chile, also auf Märkten für Lebensmittel, mit denen die EU konkurriert, seit 20 Jahren gang und gäbe sind: Etwa mit der nobelpreisgekrönten Genschere lässt sich Saatgut entwickeln, das unempfindlichere Pflanzen entstehen lässt, die besser gegen die Geißeln des Klimawandels gewappnet sind. Im Unterschied zur Alten Gentechnik sind diese Entwicklungen auch über gezielte Züchtungen zu erzielen. Mit den neuen Züchtungsmethoden geht es nur schneller.

 

Bei den immer stärker in Extreme ausschlagenden Wetterbedingungen sind landwirtschaftliche Nutzpflanzen zusehends Stress ausgesetzt, der sie anfälliger macht für Krankheiten. Die Folgen des Klimawandels führen zudem dazu, dass die Ernten unberechenbarer werden. Widerstandsfähigere Pflanzen, die mit neuen Züchtungsmethoden entwickelt werden, können also die Lebensmittelsicherheit erhöhen und Verdienstausfälle der Bauern abfedern. 

 

Der Vorschlag ist auch brisant. Ökobauern-Verbände und Anbieter, die mit dem Label „Ohne Gentechnik“ werben, lehnen die neuen Züchtungsmethoden vehement ab. Sie bezeichnen sie auch als neue Gentechnik. Dies ist nicht zwingend: Es besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der konventionellen Gentechnik, bei der Pflanzen artfremde Gene eingebaut werden, und neuen Züchtungsmethoden, bei denen mit der Genschere der Evolution nachgeholfen wird. Die Bedenken der Branche und die der Verbraucher, die hohen Wert auf gentechnikfreie Lebensmittel legen, müssen gleichwohl ernst genommen werden. Es sollte im Gesetzgebungsverfahren sichergestellt werden, dass es nicht zur Verunreinigung von Biolebensmitteln kommt und das Label „Ohne Gentechnik“ auch künftig funktioniert.

 

Leere Drohung

 

Noch einmal zurück zur Politik: Timmermans hatte damit gedroht, den Vorschlag für neue Züchtungsmethoden nicht zu bringen, wenn das Parlament das Renaturierungsgesetz durchfallen lassen würde. Heute weiß man, dass es eine leere Drohung war. Eine Mehrheit in den Fachausschüssen hat „Nein“ gesagt zum Renaturierungsgesetz. Und der Vorstoß für neue Züchtungsmethoden wurde doch unterbreitet. Timmermans ist massiv geschwächt. Zugleich hat diese Entwicklung Folgen für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Indem die Kommission bei den Green-Deal-Themen einen gemäßigteren Kurs einschlägt, wird es der Christdemokratin leichter fallen, für ihre EVP-Parteienfamilie in wenigen Monaten in den Europawahlkampf zu ziehen.

 


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