Grüne auf Distanz zum Wolf

In Bayern zeigt der Landesparteitag der Grünen plötzlich ein Herz für Almbauern und ihre Tiere

Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, grünes Spitzen-Team für die Landtagswahl 2023 (Foto: © Sonja Herpich)
Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, grünes Spitzen-Team für die Landtagswahl 2023 (Foto: © Sonja Herpich)

 

Von Michael Lehner


Mitunter wirken Wahlen Wunder: Die bayerischen Grünen haben Ausnahmen vom strikten Schutz der zugewanderten Wölfe in ihr Wahlprogramm geschrieben. Vor allem, weil auch der alpine Artenschutz bedroht ist, wenn immer mehr Almbauern aufgeben. Auch wenn es im Beschluss der bayerischen Grünen nicht so klar formuliert ist: Im Kern läuft es auf die wolfsfreien Zonen hinaus, die auch Almbauern, CSU und Freie Wähler seit Jahren fordern. Zumindest dort, wo ein wirksamer Herdenschutz mit vertretbarem Aufwand nicht realisierbar ist.


Damit bricht die politische Unterstützung vom Maximalforderungen einiger Verbände wie dem NABU im Freistaat endgültig ein. Das gilt auch für die Behauptung, dass Europa-Recht die Ausweisung wolfsfreier Zonen nicht zulasse. So duldet etwa Schweden unbeanstandet von der EU-Kommission im gesamten Rentierweidegebiet der nördlichen Landesteile keine Wölfe.

 

„Entnahme da, wo es nötig ist“ 

 

In der beliebten BR-Fernsehsendung „Jetzt red´I“ bekannte sich der Umwelt- und Wolfs-Experte Christian Hirneis zur „Entnahme da, wo es nötig ist“. Wenn eine Wolfspopulation die Weidewirtschaft bedrohe, müsse es Ausnahmen vom strengen Artenschutz geben, findet der Landtagsabgeordnete von den Grünen. Noch vor wenigen Wochen hatte das beim Fraktionschef der Landtags-Grünen deutlich anders geklungen. Aber inzwischen wächst nicht nur der Druck durch die Landtagswahlen im kommenden Herbst. Auch aus der Grünen-Basis im bayerischen Oberland vom Chiemgau bis in die Ammergauer Berge und das Allgäu kommt zunehmend Kritik am bisher ziemlich kompromisslosen Kurs der Parteiführung.

 

Im Fernseh-Dialog gibt es jedenfalls kaum Konfliktstoff zwischen der CSU-Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und dem Grünen Hirneis (übrigens ein Großstädter aus München). Man unterhält sich im gepflegten Lederhosen-Dialekt. Frau Kaniber sagt, dass auch die CSU den Wolf nicht ausrotten, sondern ihn zum Beispiel auf Truppenübungsplätzen durchaus dulden will. Und der Grüne sagt, dass er die Bauern nicht zum Herdenschutz um jeden Preis zwingen will.

 

Bayerische offene Viehwiesen bräuchten 57.205 Kilometer Schutzzäune 

 

Die Ministerin hat ausrechnen lassen, dass es 57.205 Kilometer Zäune für eine halbe Milliarde Euro bräuchte, um alle bayerischen Viehweiden zu schützen. Und dass sie sich nicht vorstellen mag, was solche Zaun-Orgien für die übrigen Wildtiere und ihre Wanderungen bedeuten. Darüber, welche verheerenden Folgen ein Verlust der Bergweide für den Artenschutz brächte, ist man sich ohnehin einig.

 

 

Und klar ist immerhin, dass die Staatsregierung nicht aufgeben wird, sollten die Klagen gegen die erste Version der neuen Wolfsverordnung Erfolg haben. Ministerpräsident Markus Söder hat schon gedroht, die Bundesregierung zum Schwur bei den Wolfszahlen zu zwingen, die einen stabil um jährlich 30 Prozent wachsenden Bestand belegen.

 

Die EU-Kommission wartet ab, ob das Bundesumweltministerium den „günstigen Erhaltungszustand“ offiziell nach Brüssel meldet. Dann wären Abschüsse – wie in Bayern vorgesehen – nicht mehr ausgeschlossen. Aber Frau Kaniber hätte das nächste Problem: Wenn es mit der Regulierung ernst wird, sagte sie bei „Jetzt red´I“, müsse sie die Jäger schützen. Nicht vor den Wölfen, sondern vor den Wolfsliebhabern.

 


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