Der Wolf, ein Giftkäfer und das Rotwild

Warum der Tierschutz-Branche sogar lebensgefährliche Insekten wichtiger sind als unsere heimischen Wildtiere

Ein Wolf. (Foto: Rudolpho Duba / pixelio.de)
Ein Wolf. (Foto: Rudolpho Duba / pixelio.de)

 

Von Michael Lehner

 

Seit klar wird, dass der Wolf in Deutschland längst nicht mehr vom Aussterben bedroht ist, gibt es eine neue Strategie: Wenn es nach dem Nabu und anderen Pro-Wolf-Organisationen geht, leben hier erst dann genug Wölfe, wenn sie überall dort vorkommen, wo Wölfe prinzipiell leben könnten. Also praktisch überall in Deutschland. Forderungen nach wolfsfreien Zonen – etwa zum Schutz der Deichschäferei und der alpinen Weidewirtschaft – beantwortet die Szene mit Wutausbrüchen bis hin zu persönlichen Drohungen.

 

Was dem interessierten, aber schlecht informierten Publikum verborgen bleibt: Deutschlands größte wild lebende Säugetierart wird nur noch auf Bruchteilen der Landesfläche geduldet und sonst immer gnadenloser vernichtet. In Baden-Württemberg mit dem Hirschgeweih im Wappen sind 96 Prozent des Staatsgebiets „rotwildfreie“ Zonen, in Bayern immerhin 86 Prozent. Und auch innerhalb dieser Reservate wird die Hatz noch weiter verschärft. Mit der Lockerung von Schonzeitvorschriften, aber auch durch Rechtsbruch einzelner Forstbeamter.

 

Unter dem Druck von Organisationen wie der Deutschen Wildtierstiftung und dem bekannten Fachanwalt Florian Asche haben Länder wie Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt das von Teilen der Forstwirtschaft propagierte System zwar aufgegeben. In der Praxis gibt es jedoch immer wieder grausige Beispiele der hemmungslosen Rotwildbekämpfung – etwa im Nationalpark Harz. In solchem Umfeld gilt der Wolf denn auch als natürlicher Verbündeter gegen den angeblich schlimmsten Waldschädling, den Rothirsch.

 

Rotwild lebt von Natur aus in Niederungen

 

Querverbindungen zwischen Öko-Verbänden und (meist verbeamteten) Öko-Jägern erklären womöglich, warum die Marktführer der Umwelt-Spendenbranche dem Wolf das Lebensrecht zubilligen, das dem Hirsch in der Praxis verweigert wird. Gerade im deutschen Süden wissen die meisten Menschen nicht mehr, dass Rotwild von Natur aus in den Niederungen lebt – und erst vom Menschen auf Gebirgslagen verdrängt wurde. Wo es logisch zur Bedrohung für den Schutzwald werden musste und praktischerweise weitere Begründung für noch schärfere Bejagung liefert.

 

Wo Rotwild noch in der Ebene leben darf – wie auf dem bayerischen Truppenübungsplatz Grafenwöhr –, gelingt Forstleuten der Beweis, dass sich intakte Rotwild-Population und gesunder Waldbestand nicht ausschließen müssen. Wenn den Hirschen nur ausreichende Äsungsflächen gelassen werden. Und wenn sie nicht durch brutale Jagdmethoden gezwungen werden, Schutz im Wald zu suchen. Aber solche Beispiele werden in der Szene ebenso ignoriert wie eine neue Studie aus Schweden, die belegt, dass es dem Wald in Regionen mit hohem Wolfsbestand nicht besser geht als anderswo.

 

Das jüngste Beispiel für Artenschutz-Exzesse

 

Dass es in solchen Tierschutz(?)-Debatten regelmäßig nicht um Fakten, sondern um Effekte geht, beweist das jüngste Beispiel für Artenschutz-Exzesse: Kaum war die Nachricht in den Medien, dass sich der Schwarzblaue Ölkäfer nun auch in Deutschland ausbreitet, meldete sich Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller mit dem Hinweis, dass die Krabbeltiere im Bestand gefährdet seien und auf der Roten Liste stehen. Dass das Gift des Käfers Menschen töten kann, ist ebenso unbestritten wie die Tatsache, dass seine Larven als Schmarotzer in Wildbienen-Nestern bösen Schaden anrichten.

 

Sogar dass die Tierchen 40 Jahre nach ihrem ersten Auftreten in Ägypten dort zu einem mittlerweile gefürchteten Ernteschädling herangewachsen sind, wird „echte“ Artenschützer wohl auch nicht weiter stören. Wo das Bundesamt für Naturschutz den Schwarzblauen Ölkäfer doch im Jahr 2019 gemeinsam mit der (auch für unsere Wölfe zuständigen) Senckenberg Gesellschaft zum Insekt des Jahres ausgerufen hat.

 


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