Nächster Halt Zukunft

Die Union will, dass der Infrastrukturbereich der Bahn vom Zugverkehr getrennt wird. Er soll sich abseits der gewinnorientierten AG um Gleise und Signale kümmern

Schienen am Hauptbahnhof Stuttgart (Foto: Rudolpho Duba / pixelio.de)
Schienen am Hauptbahnhof Stuttgart (Foto: Rudolpho Duba / pixelio.de)

 

Von Wolfgang Molitor 

 

Der Vorschlag, den CDU und CSU zur Verbesserung der für viele Reisende absehbar unzumutbaren Lage der Deutschen Bahn vorgelegt haben, läuft unter der Überschrift „Nächster Halt Zukunft“. Schon deshalb darf man sich nicht wundern, wenn er wohl mit erheblicher Verspätung sein Ziel erreicht. Wenn überhaupt.

 

Dabei wäre eine lange Verzögerung schade. Denn es geht um nicht weniger als um die Zerschlagung der Bahn AG in ihrer bisherigen Form. Und die ist so sinnvoll wie eilig. Kern des Vorschlags ist, den Infrastrukturbereich, der sich um Gleise und Signale kümmert, vom Zugverkehr zu trennen und das Schienennetz anschließend in einer GmbH zusammenzufassen, die in Staatshand liegt.

 

Das Ziel ist plausibel: Der Bund soll so einfacher darüber entscheiden, welche Strecken neu gebaut, repariert und umgebaut werden. Das heißt: Die Infrastruktursparte soll unabhängig vom restlichen Konzern operieren können, ohne dass Gewinne erwirtschaftet werden müssen und ein Überschuss direkt in den Erhalt und Ausbau von Bahnhöfen, Schienen und Signalen fließt.

 

Die Bereitstellung von Infrastruktur ist eine staatliche Aufgabe, die man nicht dem Markt überlassen darf. Der Staat muss definieren, was wo gebaut wird. Wohin das bei strategischer Unterlassung oder anderer ökonomischer Zielsetzung führt, sehen wir Tag für Tag noch über Jahre hinaus. Gerade die Verbindungen im ländlichen Raum wurden kaputtgespart. Ohne Rücksicht auf Verluste.

 

Seit 20 Jahren wird über die Bahnreform diskutiert

 

Doch vor schneller Einsicht und Abhilfe sei gewarnt, mögen sich auch Grüne und FDP mit dem Unions-Vorschlag im Prinzip anfreunden. Denn ganz neu ist dieser schließlich nicht. Schon seit 20 Jahren wird über die Bahnreform nachgedacht, und es klingt deshalb wie eine Parodie politischer Entscheidungsläufe, wenn sich gerade die Union, die mit ihren Bundesverkehrsministern in über zwei Jahrzehnten alles tat, um den Bahnverkehr aufs tote Gleis fahren zu lassen, jetzt als Reform-Antreiber spreizt.

 

Der starrköpfige, egoistische Widerstand jedenfalls steht schon bereit. SPD, Bahn und die Eisenbahngewerkschaft EVG haben kein Interesse, den Status Quo zu ändern – egal wie stark und unbestritten er einer besseren Entwicklung der Bahn im Weg steht. Viel zu viele Funktionäre auf allen Ebenen leben gut von der jetzigen Struktur und ihren gut dotierten Posten. Die „Eisenbahnfamilie“ lasse sich nicht für Wettbewerbswahn und eine falsche Verkehrspolitik zerschlagen“, wettert die EVG. Da haben wohl einige den Pfiff an der Bahnsteigkante nicht gehört, den die Bahnkunden brauchen.

 

Umfangreiche Aufgliederung der Bahn dürfte lange dauern

 

Und auch die Zeit droht den Unions-Vorschlag schon auf den ersten Metern entgleisen zu lassen. Denn eine umfangreiche Aufgliederung der Bahn dürfte zu lange dauern, um absehbare Fortschritte und Erfolge zu liefern. Und ginge nicht ohne eine Änderung des Grundgesetzes. Immerhin: Im Ampel-Koalitionsvertrag ist verabredet, dass noch in dieser Legislaturperiode eine gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte gegründet werden soll, um dort erwirtschaftete Gewinne ins Schienennetz und die Brücken zu investieren.

 

Aber wer weiß? Vielleicht kommen Ampel und Union unter dem übermächtigen Reformdruck mit ähnlichen Zielen doch zusammen? Nächster Halt Zukunft? Falls Regierung und die größte Oppositionsfraktion ihre Kräfte bündeln könnten, könnte es bei der Bahn doch noch vorangehen. Mit guten Verbindungen und einem berechenbaren Zeitplan. 

 


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