Viehhaltung muss europäisch geregelt werden

Deutschland laufen die Schweine- und Rinderbauern weg. Als Grund gelten unter anderem deutsche Alleingänge bei den Vorschriften zur Tierhaltung

Ein Schwein schaut in die Kamera des Fotografen. (Foto: Markus Walti / pixelio.de)
Ein Schwein schaut in die Kamera des Fotografen. (Foto: Markus Walti / pixelio.de)

 

Von Ludwig Hintjens   

 

Die Deutschen essen deutlich weniger Fleisch. Im Schnitt hat jeder Bundesbürger 2022 laut vorläufigen Zahlen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft 52 Kilogramm Fleisch gegessen. Das sind vier Kilogramm und 200 Gramm weniger als im Vorjahr. Damit ist der durchschnittliche Fleischkonsum so niedrig wie noch nie seit Beginn der Erfassung vor 33 Jahren.

 

Es ist reine Spekulation, dass der Rückgang den Kampagnen für vegetarische Ernährung geschuldet wäre. Viel plausibler ist, dass die dramatischen Preissteigerungen für Fleisch und Wurst die Essgewohnheiten der Deutschen beeinflusst haben. Die Preise an der Ladentheke liegen heute um bis zu 75 Prozent über den Preisen vor einem Jahr. Viele Menschen dürften sich das Steak in der Pfanne gerade buchstäblich vom Mund absparen.

 

Auch bei der Fleischerzeugung schreibt Deutschland rote Zahlen: So wurden hierzulande 9,8 Prozent weniger Schweine, 8,2 Prozent weniger Rinder und Kälber und 2,9 Prozent weniger Geflügel geschlachtet. Deutschland produziert zwar noch über Bedarf. Beim Fleisch wurde mit 116 Prozent im Verhältnis zum Verbrauch aber zwei Prozentpunkte weniger als im Vorjahr produziert. Beim Geflügel ist Deutschland bereits Importeur. Der Bedarf bei Geflügel wird nur noch zu 97,4 Prozent aus heimischer Produktion gedeckt.

 

Stallhaltung wird zurückgedrängt

 

Für den Negativtrend bei der Fleischproduktion ist auch die Politik der Bundesregierung verantwortlich. Grundsätzlich setzt die EU in der Agrarpolitik die Mindeststandards. Die Bundesregierung und die anderen nationalen Regierungen entscheiden dann, wie sie die EU-Gesetzgebung umsetzen. Die Bundesregierung, zumal unter dem grünen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, sattelt drauf. Die Einführung einer verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung ist dafür ein Beispiel. Erklärtes agrarpolitisches Ziel ist, dass in der Schweinemast mehr Tiere unter Öko- und bioähnlichen Bedingungen gehalten werden. Die traditionelle Schweinehaltung im Stall soll zurückgedrängt werden.

 

Vermutlich wünscht sich jeder Bürger bessere Bedingungen für die Tiere im Stall. Doch die Folgen der nationalen Alleingänge müssen benannt werden. Aus Wettbewerbsgründen werden Schweinebauern in Deutschland, die die unteren Preissegmente bedienen, mit den Özdemir-Plänen unter weiteren wirtschaftlichen Druck kommen. Betriebe werden die Produktion aufgeben. Die Herstellung von Schweinefleisch aus Bio- und Freilufthaltung – staatlich subventioniert und attraktiv für gehobene Käuferschichten – wird den Verlust nicht ausgleichen.

 

Schon im vergangenen Jahr sollen hierzulande 2000 Betriebe mit Schweinehaltung aufgegeben haben. Im Gegenzug stiegen die Bestände in Spanien um 4,5 Millionen Schweine. In die Lücke werden auch in Zukunft Betriebe aus Mitgliedstaaten in Ost- und Südeuropa stoßen, wo weniger strenge Auflagen herrschen.

 

Schon jetzt lässt sich voraussagen: Die Schlachtzahlen für Schweine in Deutschland werden in den kommenden Jahren weiter sinken. Weder dem Tierwohl ist damit gedient noch der Umwelt: Die Emissionen für die Fleischtransporte über viele Hundert Kilometer gehören auch in die Betrachtung.

 

Produzenten wandern ab

 

Das Abwandern von Fleischproduktion aus Deutschland und den Aufbau in anderen Regionen der EU kennt man bereits: Das gab es bei der Putenproduktion und bei den Legehennen. Sollten die Pläne wie angekündigt auch auf die Rindermast ausgedehnt werden, ist auch hier ein Niedergang der heimischen Fleischproduktion zu befürchten.

 

Die EU setzt im Binnenmarkt für die Produktion von Konsumgütern wie Autos, Fahrrädern oder Kleidung einheitliche Standards. Das gehört sich auch so in einem gemeinsamen Markt. Da ist aber nicht einzusehen, warum ausgerechnet bei der Herstellung von Lebensmitteln die Standards auseinanderklaffen. Die Kommission will die Produktion von Lebensmitteln im Zuge der „Farm-to-Fork“-Strategie grundlegend umbauen und auf Bio trimmen. Es wird höchste Zeit, dass sie dabei nationale Alleingänge ausschließt.   

 


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