Wenn der Geduldsfaden reißt

Weil es die Ampel nicht schafft, die Rahmenbedingungen für einen zukunftsfesten Umbau der Nutztierhaltung herzustellen, wirft die Borchert-Kommission endgültig hin

Bundesminister a.D. Jochen Borchert (Foto: Jägerstiftung natur+mensch)
Bundesminister a.D. Jochen Borchert (Foto: Jägerstiftung natur+mensch)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Man muss den früheren CDU-Landwirtschaftsminister Jochen Borchert und seine Mitstreiter für ihre Ausdauer bewundern. Seit 2019 haben sie im breit aufgestellten „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ nicht nur intensiv diskutiert, sondern einen Weg zu mehr Tierwohl in den Ställen und auf den Höfen aufgezeigt. Beteiligt waren von Anfang an die Länder, Wissenschaftler verschiedener Fachinstitute und Universitäten, Frauen und Männer aus der Praxis, Agrar- und Wirtschaftsvereinigungen sowie Umweltverbände und Veterinäre. Allesamt Brückenbauer in einer von Grabenkämpfen überlagerten Debatte. Das Gremium schaffte es, schon im Februar 2020 Empfehlungen zu präsentieren, die auf breiter Front gelobt wurden. Die vom Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Folgenabschätzung und die Machbarkeitsstudie zeigten, dass sie umsetzbar sind.

 

Über drei Jahre später gibt es kaum mehr als einen verwässerten, im Politik- und Ministeriumsbetrieb entstandenen Umbauplan, der in letzter Konsequenz keine wirtschaftlich tragfähige Lösung für die Tierhalter darstellt. Nachdem die Kommission in Kenntnis der unzureichenden Bereitschaft zwischenzeitlich ihre Arbeit ruhen ließ und sich dann mit deutlichen Worten zurückmeldete, ist nun die Geduld mit der Politik zu Ende.

 

Die Kommission sieht zwar, dass in den letzten Monaten Änderungen im Bau- und Umweltrecht sowie die Tierhaltungskennzeichnung beschlossen wurden und die Einleitung eines Prozesses zur Einführung einer Tierwohlprämie erfolgt ist. Allerdings, so heißt es, „schafft die gegenwärtige Ausgestaltung für den Großteil der Landwirtschaft keine hinreichende Grundlage für einen Umbau“. 

 

Keine rechtssicheren Verträge 

 

Es gibt nach wie vor keine langfristigen und rechtssicheren Verträge für die Tierwohlprämie und eine ausreichende Finanzausstattung für die Umstellung einer jährlich steigenden Anzahl von ökologischen und konventionellen Betrieben. In beiden Punkten sieht die Borchert-Kommission keinen Durchbruch. Im Entwurf des Bundeshaushalts 2024 fehlt das erhoffte Signal für langfristige staatliche Tierwohlprämien.

 

Mit Blick auf das Papier der Borchert-Kommission, das von Regierung zu Regierung weitergereicht wurde, ist dies höchst bedauerlich. Für die Landwirte setzt sich das große Rätselraten fort, wie es bei der Nutztierhaltung weitergehen wird. Viele sind entsetzt darüber, dass die Kommission nicht mehr direkt an dem Prozess mitwirken wird. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, selbst in der Kommission aktiv, nennt die Selbstauflösung sogar einen Fehler.

 

Fehler wurden in der Politik gemacht

 

Fehler wurden aber nicht in der Kommission, sondern in der Politik gemacht. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir versichert zwar, die Ziele der Borchert-Kommission Schritt für Schritt erreichen zu wollen. Er weiß aber selbst, dass es auch in seiner Partei Stimmen gibt, die eine Nutztierhaltung in Deutschland komplett infrage stellen. Und die eine Milliarde Euro, die für den Umbau der Tierhaltung bisher zur Verfügung gestellt werden sollen, reichen hinten und vorne nicht aus. 

 

Quer im Stall steht vor allem die FDP, die zurecht von vielen Seiten kritisiert wird. Tatsächlich verhindert die Blockadehaltung der Liberalen bei der Finanzierung höhere Tierwohlstandards in deutschen Ställen. Die FDP sollte endlich erkennen, dass sie die Leistungen für mehr Tierwohl nicht allein dem ländlichen Raum und den Bauern aufbürden darf. Die Gesellschaft erwartet gerade bei der landwirtschaftlichen Tierhaltung endlich Lösungen und kein politisches Taktieren. Die Borchert-Kommission hat den Weg zum Ziel genau beschrieben.

 


Lesen Sie auch:

Ohne die Initiative Tierwohl geht es nicht: Die ITW wird wegen des staatlichen Tierhaltungslabels ihre Arbeit nicht einstellen. Eine richtige Entscheidung, denn die Ampel kommt auf diesem Gebiet nicht voran

 

Hier können Sie sich für unseren wöchentlich erscheinenden Newsletter anmelden.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.