Ohne die Initiative Tierwohl geht es nicht

Die ITW wird wegen des staatlichen Tierhaltungslabels ihre Arbeit nicht einstellen. Eine richtige Entscheidung, denn die Ampel kommt auf diesem Gebiet nicht voran

Foto: aitoff
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Von Wolfgang Kleideiter

 

Eine Sorge weniger für viele Höfe. Auch nach der Umsetzung des im Bundestag und Bundesrat beschlossenen Tierhaltungskennzeichengesetzes wird die seit acht Jahren tätige Initiative Tierwohl weiter jene Landwirte finanziell unterstützen, die höhere und kontrollierte Standards bei der Haltung und Mast von Schweinen und Geflügel einhalten. Ab September können sich die Betriebe für die nächste Programmphase bewerben, die im Januar 2024 beginnen wird. Die Resonanz dürfte erneut groß sein. Schon heute werden rund 80 Prozent der in Deutschland erzeugten Puten und Hühner sowie über 60 Prozent der Mastschweine nach den Kriterien der Initiative gehalten.

 

Die von der Ampel als Erfolg verkaufte staatliche, verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung kommt dagegen erst nach und nach in Tritt. Das Bundeslabel mit den fünf Haltungsstufen von „Bio“ bis „Stall“ wird man, wenn überhaupt, zunächst nur bei frischem Fleisch vom Mastschwein finden. Also in einem Bereich, in dem der Pro-Kopf-Konsum ohnehin gerade sinkt. Und eine ins Gesetz eingebaute Übergangsregelung sorgt dafür, dass diese Kennzeichnung tatsächlich erst ab Ende 2025 verpflichtend sein wird. Dies hielt Landwirtschaftsminister Cem Özdemir nicht davon ab, das Gesetz trotzdem als einen „großen Schritt für eine zukunftsfeste Tierhaltung“ zu loben.

 

Dabei sind die Mängel nicht zu übersehen. Für die Weiterverarbeitung von frischem Schweinefleisch etwa bei Wurstherstellung oder Nutzung in der Gastronomie gibt es bis heute noch keine klaren Regeln. Und Tierarten wie Hühner oder Puten, die dank der von Bauern, Handel und Wirtschaft gemeinsam getragenen Initiative Tierwohl längst nach höheren als den gesetzlichen Standards gehalten werden, sind beim Ampel-Gesetz aktuell außen vor. Zur deutschen Insellösung gehört außerdem, dass ausländische Ware aus anderen EU-Mitgliedsstaaten oder Drittländern weiterhin ohne Label im Kühlregal liegen darf. Und wenn ausländische Unternehmen das Siegel freiwillig nutzen, müssen sie eine scharfe Überwachung nicht fürchten.

 

Warnung vor Vertrauensverlust

 

Anders als bei der Initiative Tierwohl, die die Haltung vor Ort regelmäßig überprüft, ist im Gesetz eine direkte Kontrolle zum Beispiel in den Ställen nicht vorgesehen. So werde, kritisiert die ITW, das aufgebaute Vertrauen in ein zuverlässiges Tierwohl-System gefährdet.

 

Und der Verbraucher? Er wird beim Einkauf oder der Bestellung auch in Zukunft mit vielen Siegeln konfrontiert, die alle auf ihre eigene Art mit dem Tierwohl zu tun haben. Die auch von Kommentaren formulierte Chance zum Aufräumen im Label-Chaos wurde im Zuge der Erarbeitung des neuen Gesetzes verpasst. Damit König Kunde noch durchblicken kann, veröffentlichte kürzlich die Stiftung Warentest sogar eine Übersicht über die Vielfalt der Kennzeichnungen und erläuterte, welche Haltungsformen sich hinter Begriffen wie „Einstiegstufe“, „Premium“ oder einem goldenen DLG-Etikett verbergen.

 

Vierstufiges Logo ist am bekanntesten

 

Am bekanntesten und einprägsamsten ist das vierstufige Logo, das die Lebensmittelhändler Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe gemeinsam mit der Initiative Tierwohl entwickelt haben. Inzwischen ist es auch auf Milchprodukten zu finden. Das Haltungsform-Siegel hätte eine gute Basis für das neue staatliche Label darstellen können. Doch das Angebot der Kooperation wurde von Özdemir und seinem Ministerium nicht angenommen.

 

Dass die Träger und Gesellschafter der ITW sich zum Weitermachen entschieden haben, ist gut. Wer am Programm teilnimmt, hat als Tierhalter eine hohe Planungssicherheit. Zwar haben sich die Finanzierung, Prüfsystematik und Laufzeit geändert, doch die Initiative ist der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung auch auf diesem Sektor immer noch meilenweit voraus.

 


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