Bündnis muss die SPD nicht fürchten

Das schwarz-grüne Bündnis in Düsseldorf sitzt fest im Sattel. Mit ein Grund: Die SPD in Nordrhein-Westfalen kommt ein Jahr nach dem Wahldebakel nur langsam in Tritt

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). (Foto: Tobias Koch)
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). (Foto: Tobias Koch)

  

Von Wolfgang Kleideiter

 

Just an dem Tag, an dem die SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag sich personell neu aufstellt und mit breiter Brust dem regierenden Zweier-Bündnis die Vertreibung „aus dem abgehobenen Olymp“ androht, strahlt Hendrik Wüst (CDU) in die Kameras. In einem Veranstaltungszelt neben dem Berliner Kanzleramt wird der 47-jährige Ministerpräsident vom Magazin „Politik und Kommunikation“ und der Quadriga-Hochschule auf einer Gala als „Politiker des Jahres“ ausgezeichnet – wie zuvor schon Annalena Baerbock oder Christian Lindner. Beinahe zeitgleich wird bekannt, dass Wüst in einer Insa-Umfrage im Auftrag der „Bild“ im Ranking der „beliebtesten Politiker“ am bayerischen Landeschef Markus Söder auf Platz zwei vorgerückt ist. Schon stellen Medien die Frage, ob der CDU-Ministerpräsident von Rhein und Ruhr nicht auch Kanzler an der Spree kann.

 

Der Zukunftspakt, den Wüst und die CDU in NRW nach ihrem Erfolg bei der Landtagswahl mit Bündnis 90/Die Grünen geschlossen haben, hält trotz mancher Differenzen. Der Ministerpräsident agiert, gestärkt von guten Umfragewerten, mit der Attitüde eines Landesvaters und achtet mit Geschick auf eine gute Außenwirkung. Immer dann, wenn die Ampel in Berlin große Themen vergeigt, macht sich Wüst zum Sprecher der Länder und der Leute im Land.

 

Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft und Klimaschutz und stellvertretende Ministerpräsidentin, steht trotz der Wüst-Erfolge öffentlich zur gemeinsamen Regierungsverantwortung mit der CDU, hat aber eine ungeduldige Basis im Rücken, die sich mehr Grün in der Politik wünscht. Ihrer Partei hängt die Lützerath-Räumung für den Kohleabbau nach. Umweltverbände sind enttäuscht von der bisherigen Politik und erhöhen den Druck auf den grünen NRW-Umweltminister Oliver Krischer in Sachen Naturschutz.

 

Eigentlich müsste die SPD in ihrem Stammland daraus Kapital schlagen. Die NRW-SPD, der mitgliederstärkste Landesverband in der 160 Jahre alten Partei, ist aber zu sehr mit der eigenen Neuaufstellung beschäftigt. Seit der krachenden Niederlage bei der Landtagswahl steht die SPD, die zwischenzeitlich in Nordrhein-Westfalen allein regieren konnte und an Zeiten von Heinz Kühn und Johannes Rau nur noch sehnsuchtsvoll zurückdenkt, vor der Herausforderung, personell und inhaltlich Profil zu zeigen. Wahlverlierer Thomas Kutschaty, unter Hannelore Kraft NRW-Justizminister, hat zuerst den Landes- und später auch den Fraktionsvorsitz im Streit aufgegeben.

 

Der neue Oppositionschef will „Wüst und seine lahme Regierung“ stellen

 

Jochen Ott, Ex-Lehrer aus Köln und einer von Kutschatys fünf Stellvertretern, ist seit wenigen Tagen Fraktionschef und bemühte zum Start der Konfrontation mit dem schwarz-grünen Bündnis kräftige Bilder. Er wolle „Wüst und seine lahme Regierung stellen“ und sie „quasi auf die Matte zwingen“, formulierte er laut „Spiegel“ in einem Bewerbungsschreiben für den Posten. „Die SPD hat in NRW ein großes Potenzial, die Menschen wollen aber, dass klar wird, wo wir stehen“, erklärte er nach seiner Wahl, bei der er sich gegen zwei Gegenkandidaten durchsetzte.

 

Wofür steht aber die SPD in NRW? So richtig weiß sie es auch nicht. Eine linke wirtschafts- und sozialpolitische Haltung verbunden mit einer progressiven gesellschaftspolitischen Ausrichtung waren lange Zeit das Rezept. Er wolle für ein „soziales Gegengewicht zur Landesregierung“ sorgen, teilte Ott mit. Die schwarz-grüne Koalition finde „keine Antworten auf die Armutsentwicklung, die Wohnungsnot und die Bildungskatastrophe“.

 

Das klingt angriffslustig. Doch bisher konnten CDU und Grüne solche Attacken abwehren oder im Landtag ignorieren. Und die Zeit läuft für die Koalition. Die NRW-SPD wird erst im kommenden August – 15 Monate nach der Landtagswahl – wieder personell komplett sein und sich dann, wenn es gut läuft, auf einem Landesparteitag als „neue SPD im Westen“ vorstellen. Die Partei will wieder mehrheitsfähig werden. Doch bisher nicht einmal klar, wer als Kutschaty-Nachfolger für den Landesvorsitz kandidieren wird. Jochen Ott möchte nicht antreten und sich auf die Oppositionsarbeit konzentrieren.

 


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