Vertrauen in den Staat schwindet

Zwei Drittel, so ergab eine Umfrage, halten momentan den Staat für überfordert und bezweifeln seine Handlungsfähigkeit

Das Kanzleramt in Berlin. (Symbolbild: PixelAnarchy)
Das Kanzleramt in Berlin. (Symbolbild: PixelAnarchy)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Nicht nur in Berlin, sondern auch in den Ländern und Kommunen sollten die Alarmglocken schrillen. Bei einer regelmäßig im Auftrag der Gewerkschaft DBB Beamtenbund und Tarifunion durchgeführten Befragung hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa (Berlin) diesmal in puncto Staatsvertrauen einen Tiefstwert ermittelt.

 

Zwar zeigen die Bürgerbefragungen zum öffentlichen Dienst immer wieder Ausschläge nach oben und unten, doch nun ist der Wert regelrecht abgesackt. Nur 29 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass der Staat handlungsfähig ist und seine Aufgaben erfüllen kann. Im Jahr zuvor waren es bei der Umfrage 45 Prozent und im Jahr 2020 sogar 56 Prozent.

 

Diese höchst bedenkliche Vertrauenskrise zieht sich nach Erkenntnissen von Forsa durch alle Altersgruppen und ist im Osten und Westen gleichermaßen feststellbar. Selbst Beamte und Tarifbeschäftige im öffentlichen Dienst sehen die Lage kritisch. 64 Prozent derjenigen, die öffentlich beschäftigt sind, halten den Staat aktuell für überfordert. Sie dürften wissen, wovon sie reden.

 

Überlastung des Staates in mehreren Bereichen

 

Energieversorgung, Klima- und Umweltschutz, Schul- und Bildungspolitik, soziale Sicherungssysteme wie zum Beispiel Rente sowie Gesundheitsversorgung sind die Aufgabengebiete, an denen die Überlastung des Staates am häufigsten festgemacht wird. 46 Prozent der Befragten sind gleichzeitig der Meinung, dass die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes im Vergleich zu den vergangenen Jahren geringer geworden ist. Für die Gewerkschaft, die die Umfrageergebnisse natürlich nutzt, um unter anderem einem weiteren Stellenabbau im öffentlichen Dienst argumentativ zu begegnen, sind die Werte ein Indiz für einen Unmut vieler Bürgerinnen und Bürger über das Agieren der jetzigen Koalition in den zahlreichen Krisen.

 

Vor Jahren war das Thema sichere und bezahlbare Energieversorgung nur in wenigen Köpfen präsent. Jetzt machen sich die Menschen wegen der explodierenden Strom-, Gas-, Öl- und Kraftstoffpreise größte Sorgen. Gerade auf diesem Feld ist dementsprechend die Erwartungshaltung hoch. Es liegt der Schluss nahe, dass das Staatsvertrauen massiv schwindet, weil genau an diesem Punkt Hoffnungen auf Hilfe bisher nicht erfüllt werden. Die diffusen Konzepte der Ampelregierung verärgern dabei nicht nur die Bundesländer, sondern breite Bevölkerungsschichten.

 

Für den DBB-Vorsitzenden Ulrich Silberbach erweist sich der Staat beim Klima und in der Corona-Pandemie als schlechter Krisenmanager. Mit der Politik geht er hart ins Gericht: „Jetzt zahlt die Gesellschaft den Preis dafür, dass wir bei der Politik um jeden Euro und jede Stelle für den öffentlichen Dienst feilschen müssen.“

 

Skepsis gegenüber den Entlastungspaketen

 

Aus Sicht des Gewerkschafters mag dies so sein. Doch viel wesentlicher ist aktuell, wie sich die selbst als „Fortschritts-Koalition“ benannte Ampel-Regierung auf die Herausforderungen reagiert. Das Bündnis wird von vielen daran gemessen, ob es den richtigen Weg einschlägt, um das Land durch eine sich abzeichnende Wirtschaftskrise zu führen und die Folgen für den Einzelnen in der Stadt und auf dem Land so erträglich wie möglich zu halten. Bisher sehen die allermeisten die Abfolge der Entlastungspakte und deren Wirkungen eher skeptisch.

  

Einfach hinnehmen und ignorieren darf man den von Forsa ermittelten enormen Vertrauensverlust nicht. Die Ergebnisse müssen für alle ein Weckruf sein. Denn wenn das Binnenverhältnis Staat-Bürger weiter so leidet, geht es um die Zukunft des ganzen Landes.  

 


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