Tempolimit auf dem Trittbrett

Der Greenpeace-Vorstoß zum Tempolimit ist vor allem eins: das Haschen nach billigen Effekten

Verkehrsschild "100 km/h Höchstgeschwindigkeit" mit einer Autobahn im Hintergrund (Symbolbild: Felix Müller)
Verkehrsschild "100 km/h Höchstgeschwindigkeit" mit einer Autobahn im Hintergrund (Symbolbild: Felix Müller)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen und 80 auf Landstraßen hätte laut Greenpeace seit Kriegsbeginn 170 Millionen Euro an Zahlungen für russisches Öl eingespart. Doch der Limit-Vorstoß auf dem Trittbrett der Kriegsgräuel ist vor allem eins: das Haschen nach billigen Effekten. Eine bessere Öko-Bilanz und eine höhere Verkehrssicherheit: Manche Argumente der Tempolimit-Befürworter sind nicht von der Hand zu weisen. Aber jetzt bremsen für den Frieden? Das schießt reichlich übers Ziel hinaus.

 

Sehr viele Verkehrsteilnehmer erkennen die Absicht und sind verstimmt. Im „BaWü-Check“ der dortigen Tageszeitungen halten nur 37 Prozent der Befragten (Mehrfachnennungen waren möglich) in der Debatte um hohe Benzinpreise und steigende Energiekosten ein vorübergehendes Tempolimit für sinnvoll. 47 Prozent haben Vorbehalte. 54 Prozent schränken sich preisbedingt bereits generell stärker ein. 45 Prozent fahren weniger Auto, 34 Prozent auch spritsparender. Schon jetzt wirken sich die selbst auferlegten Sparmaßnahmen auf das Mobilitätsverhalten aus. Zwölf Prozent gaben an, gar kein Auto mehr zu fahren. 44 Prozent fahren weniger, ein Drittel fährt langsamer. 

 

Einer anderen Umfrage zufolge reduziert jeder Zehnte seit Beginn des Ukraine-Kriegs seinen Energieverbrauch. Sogar 19 Prozent sparen nach Angaben der YouGov-Meinungsforscher seit dem Einmarsch russischer Truppen im Februar mehr Energie als vorher.

 

Umweltverbände halten am Ziel fest

 

Trotzdem werfen Umweltverbände Seit an Seit mit Grünen-Chefin Ricarda Lang und sanft nickenden Sozialdemokraten wieder ihren Tempolimit-Motor an – zusammen mit dem alten Ruf nach autofreien Sonntagen. Wo im Bundesgesundheitsministerium trotz hoher Corona-Inzidenz künftig auf Freiwilligkeit beim Maskentragen gesetzt und an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger appelliert wird, soll beim Tempolimit die Verbotskeule herausgeholt werden.

 

Auch andere Auto-Gegner segeln im Windschatten des Krieges. Gerade Berufspendler treibe der russische Angriffskrieg in eine „Ölpreisfalle“, sagt die Denkfabrik Agora Verkehrswende - und fordert eine grundlegende Trendwende im Pendelverkehr. Dazu gehörten „unabdingbar“ ein Abbau von Autoprivilegien, heißt es in der Studie – und spürbare „preisliche und infrastrukturelle Maßnahmen zur Begrenzung des Autoverkehrs“. Weil 22,4 Prozent der klimarelevanten Emissionen des Personenverkehrs auf das Berufspendeln entfielen und sich diese mit 95 Prozent fast vollständig dem Pkw-Verkehr anlasten ließen.

 

Die Nutzung des Autos soll unattraktiv gemacht werden

 

Demnach ist das Berufspendeln für rund ein Fünftel des Personenverkehrs verantwortlich. Seit 1976 hätten sich die mittleren Distanzen dabei von gut acht auf 16 Kilometer und die Zahl der Menschen, die nicht in ihrer Wohngemeinde arbeiten, im Jahr 2020 mit 19,6 Millionen um mehr als 30 Prozent im Vergleich zu 2000 erhöht. Das Agora-Fazit: Deutschland brauche City-Maut, ein generelles Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde innerorts und weniger kostenfreie Parkplätze. Kurzum: Die Nutzung des Autos auf dem Weg zur Arbeit müsse unattraktiv gemacht werden. Und wohl nicht nur dort.

 

Das ist die generelle Richtung. Zurzeit kleidet sie sich in blau-gelbe Farben.

 


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