Putin verspielt Russlands Zukunft

Die Sehnsucht nach alter Stärke macht Moskau langfristig zum großen Verlierer einer neuen Weltordnung nach Pekings Geschmack

Der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin (Foto: DimitroSevastopol)
Der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin (Foto: DimitroSevastopol)

 

Von Michael Lehner

 

Dass strategisches Denken nicht zu den Stärken des Wladimir Putin gehört, ist offensichtlich. Sonst müsste er begreifen, wie wichtig Europa und Nordamerika für Russlands Zukunft sind. Die neue Weltmacht China wartet nur darauf, dass der Rest der Welt sich selber schwächt. Aus Peking betrachtet, ist das, was Putin in der Ukraine anrichtet, ein Bruderkrieg der Alten Welt. Also ein Zeichen der Schwäche im Wettbewerb der Systeme.

 

Statt dem Beispiel der Ukraine zu folgen und den Anschluss an die freie Welt zu suchen, setzt Putins Moskau auf den Irrglauben, das Rad der Weltgeschichte lasse sich zurückdrehen. Womöglich bis ins Zarenreich, das allerdings weit europäischer geprägt war als das Russland unserer Tage. Von der Wirtschaftskraft gerade mal so stark wie Italien, industriell rückständig mit Ausnahme der Militärtechnik. Und, vor allem, meilenweit entfernt vom sozialen Frieden, der Zukunftsfähigkeit erst möglich macht.

 

Gut gefahren mit Rezepten aus dem Westen

 

Aus gutem Grund fürchtet der Kreml-Chef die Ukraine als weiteres Beispiel dafür, dass Staaten der ehemaligen Sowjetunion gut fahren mit Rezepten aus dem Westen. Er sieht zudem, wie Weißrussland selbst mit der (Zaren-)Knute kaum noch zu beherrschen ist. Und er ahnt, dass Chinas Diktatur 2.0 kein Beispiel für Europa sein kann. Peking wartet nur darauf, seinen Kapital-Kolonialismus auf Russland auszuweiten. Zu einer Welt, in der Zaren alter Schule allenfalls noch als Filialleiter gebraucht werden.

 

Wahr ist leider auch, dass der Westen nach dem Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums Russland nur sehr zögerlich die Hand gereicht hat. Man gefiel sich im Siegestaumel vor den Trümmern des real existierenden Sozialismus. Und vergaß die Lateiner-Weisheit, dass Besiegte zu schonen seien. Auch US-Präsident Obama mit seinem höchst unbedachten Satz, dass Russland nun nur noch eine Regionalmacht sei. So blieb vielen Russen bis heute verborgen, dass der Westen offenbar die besseren Rezepte hat, sogar für die Verteilung des Wohlstands.

 

Auf dem Weg in die nächste Unfreiheit

 

Putins Untertanen merken mehrheitlich nicht, dass sie Zar Wladimir vom Sowjet-Bonzenstaat in die nächste Unfreiheit des Oligarchen-Kapitalismus geführt hat. Wie alle Diktatoren beschwört er den Nationalstolz, um die Nation bei Laune zu halten. Sogar dann, wenn der Weg sehenden Auges in noch mehr Armut und noch weniger Freiheit führt.

 

Dass sich in Deutschland ausgerechnet die AfD in die lichten Reihen der

Putin-Versteher reiht, mag Geschichtslose verwirren. Geschichtsbewusste werden Ähnlichkeiten zur Diktatur auf deutschem Boden erkennen. „Heim ins Reich“ führte über Österreich und das Sudetenland direkt in die Katastrophe. Auch an diesem Punkt hat Putin wohl Nachhilfe-Unterricht in Geschichte nötig: Wenn der Rest der Welt zusammenrückt, sind auch Führer schnell am Ende, die sich für übermächtig halten.

 


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