Nur eine nette Geste?

Das „Europäische Jahr der Jugend“ soll den jungen, von der Pandemie betroffenen Menschen wieder eine positive Perspektive geben

Vier Jugendliche Arm in Arm in einem Gerstenfeld (Symbolbild: Dim Hou)
Vier Jugendliche Arm in Arm in einem Gerstenfeld (Symbolbild: Dim Hou)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Ursula von der Leyen hat den Ball ins Spiel gebracht. Mitte September kündigte die Präsidentin der Europäischen Kommission an, 2022 zum „Europäischen Jahr der Jugend“ zu machen. Keine schlechte Idee inmitten der Pandemie. Denn die immer wieder neu aufgelegten Ausgangs-, Kontakt- und Reisebeschränkungen in den vergangenen zwei Jahren haben gerade den jungen Menschen viel vom normalen Leben genommen. Ganz gleich, ob sie in der Stadt oder auf dem Land zuhause sind.

 

Schulen, Universitäten und Ausbildungsfirmen vielfach im corona-geprägten Notbetrieb, kein Vereins- und Sportleben, keine Fahrten ins Ausland, kein Jugendaustausch, keine Ferienfreizeiten, abgesagte Konzerte und Festivals, geschlossene Clubs. Selbstentfaltung? Fehlanzeige. Neue Freundschaften? Kaum möglich. Einsamkeit und Zukunftsängste prägen bei vielen den Alltag.

 

Das „Europäische Jahr der Jugend“ soll den jungen, von der Pandemie betroffenen Menschen wieder eine positive Perspektive geben – so lautet das große Ziel. Und verbunden ist dies mit einem Versprechen: Den Prioritäten und Bedürfnissen der Jugend sollen in diesem Jahr in den zentralen Politikbereichen der EU und in allen Entscheidungsprozessen besondere Beachtung geschenkt werden. Klingt verheißungsvoll – gerade für jene, die unter den Folgen der Pandemie leiden und Nachteile zu verkraften haben. Dass das Europäische Parlament mit Blick auf das Aktionsjahr kurzfristig weitere acht Millionen Euro in die Programme „Erasmus+“ und „Europäisches Solidaritätskorps“ gesteckt hat, wirkt im ersten Moment zwar knickerig. Doch Gelder für das Jahr gibt es auch aus anderen Töpfen.

 

„Jahr der Jugend“ kaum an konkreten Punkten festzumachen

 

Erstaunlich ist allerdings, dass das „Europäische Jahr der Jugend 2022“ bisher kaum an konkreten Punkten festgemacht werden kann. Wer bei der Bundesregierung auf Informationen hofft, läuft ins Leere. Neben allgemeinen Feststellungen und freundlichen Worten („Wertschätzung ausdrücken“, „Mut machen“, „Meinungen und Ideen stärker einbeziehen“) finden sich keinerlei Details. Noch peinlicher: Nicht einmal das „Europäische Jugendportal“ der EU, auf das Berlin verweist, geht bisher dezidiert auf das Aktionsjahr ein. Als hätte es sich bei den Machern noch nicht herumgesprochen, dass das 2022 schon begonnen hat.

 

Im Ernst: Wie will die Europäische Union eigentlich in diesem besonderen Jahr diejenigen für ihre Sache gewinnen, die am längsten mit den Entscheidungen von heute leben werden? Wo sind die besonderen Angebote und Hilfestellungen im Jugendbereich zu finden? An einigen Stellen wird zwar von der engen Einbindung der Jugend und Jugendorganisationen gesprochen. Erkennbar ist davon aber bislang nichts. Dass die Kommission sich zum ersten Mal Mitte November mit der Umsetzung des Aktionsjahres befasst hat, passt ins Bild.

 

Jetzt zählen Taten

 

Also doch nur eine nette Geste? Vergleichbar mit dem „Europäischen Jahr der Schiene 2021“, von dem heute auch kein Mensch mehr spricht? Es wäre für die junge Generation, die in der Corona-Klemme steckt, fatal. Die 16- bis 25-Jährigen brauchen mehr als warme Worte. Sie werden nur zu überzeugten jungen Europäerinnen und Europäern, wenn sie sehen, dass die Union sie ernst nimmt und unterstützt. Wie heißt es doch so schön in einem Papier der Kommission zur EU-Jugendstrategie 2019 - 2027: „Junge Menschen setzen zu Recht hohe Erwartungen in ihre Zukunft in Europa. Europa wiederum muss ihnen bessere Lebenschancen bieten und auf ihre Anliegen eingehen.“ 2022 hat begonnen – jetzt zählen Taten.

 


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