Koalitionsvertrag zur Gesundheit: Vage Ankündigungen

Arzt in einem Krankenhaus (Symbolbild: tungnguyen0905)
Arzt in einem Krankenhaus (Symbolbild: tungnguyen0905)

 

Von Christian Urlage

 

Noch ist nicht klar, wer nach dreieinhalb Jahren die Nachfolge von Jens Spahn als Gesundheitsminister antritt – und in Zeiten von Corona drängt sich wohl kaum jemand nach diesem Posten, weil die Bekämpfung der Pandemie noch lange dauern wird. Sicher ist nur: Ressortchef(in) wird voraussichtlich eine SPD-Frau, vielleicht auch ein SPD-Mann. Mehr weiß man noch nicht. Auch inhaltlich lässt der Koalitionsvertrag in seinen Ausführungen zur Pflege und zur Gesundheit vieles in der Schwebe.

 

Fest steht: Die von Sozialdemokraten und Grünen lange propagierte

Bürgerversicherung wird nicht kommen, das hat die FDP wohl verhindert. Einführen will die Ampelkoalition hingegen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene – ein höchst umstrittener Schritt, der zu gefährlichen Eingriffen im Straßenverkehr und zu mehr Unfalltoten führen kann. Klar ist auch: Das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche soll abgeschafft und Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs gestrichen werden. Dagegen hatten sich die Unionsparteien in der vergangenen Wahlperiode mit Verweis auf den Schutz des ungeborenen Lebens vehement gewehrt.

 

Großer Handlungsspielraum für die künftige Ressortleitung

 

Zwar sind die Passagen zu Pflege und Gesundheit recht umfangreich und der Koalitionsvertrag erwähnt etliche Baustellen. Vieles ist jedoch nicht neu; die Pläne sind aus den Debatten der Fachpolitiker bekannt. Aber generell bleibt der Koalitionsvertrag schwammig. Denn was bedeutet es, wenn von einer erreichbaren und „bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung“ die Rede ist und von einem vorsorgenden, krisenfesten und modernen Gesundheitssystem? Positiv ausgedrückt, lässt der Koalitionsvertrag der neuen SPD-Gesundheitsministerin (oder dem neuen SPD-Gesundheitsminister) einen großen Handlungsspielraum. Die beiden vorherigen Koalitionsvereinbarungen von 2013 und 2018 waren jedenfalls deutlich detaillierter und präziser formuliert.

 

Regierungskommission ohne Zeitplan

 

Spannend wird es bei der Planung und Finanzierung der Krankenhäuser, von denen viele rote Zahlen schreiben – denn die Finanzierung über Fallpauschalen und die Investitionen der Länder reichen seit Jahren nicht aus. Daher schrumpfte die Zahl auf bundesweit nur noch rund 1.900 Kliniken. Eine Regierungskommission soll nun Empfehlungen erarbeiten, etwa zur Einführung von Vorhaltepauschalen.

 

Aber es bleibt unklar, wann das Gremium seine Ratschläge veröffentlichen wird. Ein Zeitplan fehlt, wäre aber wichtig. Denn die Überlegungen zur Finanzierung könnten sich gravierend auf den ländlichen Raum und die Existenz kleinerer Krankenhäuser auswirken. Und davon hängt eine Grund- und Regelversorgung ebenso ab, wie die Erstversorgung im Notfall. Weite Wege zur nächsten Klinik würden viele Bevölkerungsgruppen benachteiligen: ältere Menschen ohne Angehörige, Familien, Menschen mit Behinderung und mit geringem Einkommen. Schon jetzt fehlt in manchen Krankenhäusern die Geburtshilfe.

 

Die Koalition erspart sich Details

 

Konkreter sieht es immerhin bei den Plänen für unterversorgte Regionen aus: Die Koalition möchte die ärztliche Versorgung gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen sicherstellen. Dafür will die Ampel die Gründung von kommunalen Medizinischen Versorgungszentren und deren Zweigpraxen erleichtern. Angebote durch Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen sollen ausgebaut werden, kündigt die Koalition an, erspart sich aber Details. Das gilt ebenso für die allgemeine Ankündigung, die Bedarfsplanung in der Psychotherapie zu reformieren, um die Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz auch in ländlichen und strukturschwachen Gebieten zu reduzieren.

 

Beim Ausbau der Digitalisierung im Gesundheitswesen profitiert die künftige Regierung davon, dass Jens Spahn bereits einiges angestoßen und Weichen gestellt hat. Darauf kann die Ampel-Koalition aufbauen. Sie will die Videosprechstunde, Telemonitoring und die telenotärztliche Versorgung erweitern, die Einführung der elektronischen Patientenakte beschleunigen und Bürokratie abbauen. Das sind erfreuliche Passagen, die erkennbar die Handschrift der FDP tragen.

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