Bundesliga hat Vorbild-Funktion

Olympiastadion in Berlin (Symbolbild: Pixel-Sepp)
Olympiastadion in Berlin (Symbolbild: Pixel-Sepp)

 

Von Jürgen Muhl

 

Jetzt hat es also auch Joshua Kimmich erwischt. Deutschlands berühmtester

nicht geimpfter Profi-Sportler, der laut Bild nach Monaten des Schweigens

über eine Impfung "ernsthaft nachdachte" - was vom Boulevard beklatscht wurde - kann derzeit während der Quarantäne nur im eigenen Garten trainieren. Wenn er denn über eine solche Grünanlage verfügt.

 

Kimmichs angebliches Interesse, sich einen viel zu späten Nadelstich verpassen zu lassen, stand erst auf seiner Agenda, als sein Arbeitgeber mit Gehaltsausfall für die Zeit der Quarantäne drohte. Das wären in seinem Fall rund 400.000 Euro. Das mag auch ein vielfacher Millionär wie dieser Bayern-Profi und Nationalspieler nicht. Wenn es ans eigene Portemonnaie geht, werden die kickenden Geldakrobaten, deren Berater die am frühen Morgen vom Himmel fallenden Scheine noch im Schlafanzug zählen, putzmunter. Auch im Falle einer hoch ansteckenden Pandemie.

 

Impfpass in dunkler Ecke gekauft?

 

Oder Werder Bremens gefeuerter Ex-Trainer Markus Anfang. Er soll seinen Impfpass irgendwo in einer dunklen Ecke gekauft haben. Versehen mit einem Impfdatum, ausgestellt in Köln, als er mit seiner Mannschaft das Trainingscamp in Österreich aufgeschlagen hatte. Irgendein aus dem Schlaf erwachter Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden entdeckte diesen Fauxpas.

 

Derzeit sind über sechzig Fußballprofis der ersten beiden Ligen vom Virus infiziert. Geisterspiele in Sachsen, immer mehr infizierte Spieler und sogar die Forderung nach einem „Fußball-Lockdown“ - die Pandemie hat die Profivereine längst wieder fest im Griff.

 

Dem deutschen Fußball steht ein knallharter Corona-Winter bevor. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL), der Dachverband der Profi-Clubs, aber versteckt sich wie die Video-Assistenten in einem dunklen Keller. In der angespannten Lage sorgte der spektakuläre Vorschlag des Präsidenten des Zweitligisten Erzgebirge Aue keineswegs für helle Aufregung.  „Wir brauchen bis Ende Dezember einen Fußball-Lockdown. Die nächsten vier Wochen werden extrem schwierig für unser Land und stellen uns vor eine Zerreißprobe, sagte der erfolgreiche Unternehmer Helge Leonhardt - und brachte damit die Deutsche Fußball Liga (DFL) gegen sich auf.

 

Ligaverband gegen Lockdown

 

Der Ligaverband trat der Forderung umgehend entgegen. Seit Beginn der Pandemie sei die „abgestimmte Linie“ der Klubs, „auf Basis der staatlichen Vorgaben zu agieren. Ein selbstverhängter, flächendeckender Lockdown im Sinne einer Saison-Unterbrechung ist daher kein Thema, teilte die DFL mit. Reduzierte Stadion-Kapazitäten reißen erneut große Löcher in die ohnehin knapp gefüllten Kassen der Vereine - wie schon in der vorherigen Corona-Saison.

 

Maßnahmen wurden nun nicht nur in Sachsen ergriffen: Die 2G-Regel ist inzwischen ohnehin die Mindestanforderung in allen Stadien, in einigen Bundesländern greift sogar 2G plus. In Bayern dürfen maximal 25 Prozent ausgelastet werden, in Baden-Württemberg und Niedersachsen 50 Prozent. Ganz im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen, wo die Party auf den Rängen fast überall vorerst weitergeht. Der 1. FC Köln etwa feierte seinen 4:1 Derby-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach am Samstag mit 50.000 Fans im eigenen Stadion. Karneval auf den Rängen. Was muss eigentlich noch passieren, bis Politik und Fußball-Funktionäre klar denken?

 

Amateure verhalten sich vorbildlich

 

Wie das geht, zeigen derweilen die Amateure in Bayern, in Sachsen, in Teilen von Niedersachsen und Baden-Württemberg. Von den Kreisligen bis zu den Regionalligen werden die Spiele abgesagt - die Winterpause werde vorgezogen, heißt es. Jene Spielklassen also, bei denen nur wenige hundert Zuschauer - wenn überhaupt - gezählt werden. Wo die Ansteckungsgefahr sehr gering ist. Diese Amateure, denen das Fußballspielen im Monat zumeist einige hundert Euro kostet, zeigen Solidarität. Sie zeigen einem verwöhnten Wohlstandskind wie Kimmich, wie es geht.

 

Es wird höchste Zeit, dass die Innen- und Gesundheitsministerien der Länder ein Machtwort sprechen. Der Profi-Fußball hat eine Vorbildfunktion. Eine Rolle, der er nicht gewachsen ist. Am Mittwochabend pilgerten über 20.000 Menschen zum Hamburger Millerntor, wo der FC St. Pauli gegen den SV Sandhausen in der zweiten Liga mit 3:1 gewann. Fast alle Fans setzten ihre Masken nicht auf. Hamburgs erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der noch vor zwei Monaten kaum vor die Tür ging und in Talkshows den Eisenharten spielte, ist offenbar zum Weichei verkommen. Der Fußball macht es möglich.

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