Wie geht es weiter in der EU-Landwirtschaft?

Der Unmut der europäischen Bauern ist in Brüssel angekommen. Nun steht die Forderung im Raum, den Green Deal weiter zu entschärfen

Foto: Timo Klostermeier / pixelio.de
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Von Ludwig Hintjens  

 

Die Bauernproteste sind in Brüssel angekommen. Und zwar buchstäblich und in doppeltem Sinne. Zunächst waren die Landwirte in den Mitgliedstaaten auf die Straße gegangen. In Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Rumänien und anderen Ländern. Zum Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs letzte Woche haben sie sich dann durchaus geschickt das Brüsseler Europaviertel ausgesucht. Es gibt Gründe für den Bauern-Unmut, die in der nationalen Politik zu suchen sind: etwa das Streichen von Steuersubventionen beim Agrardiesel in Deutschland, die Maßnahmen gegen zu hohe Nitratkonzentrationen im Boden in den Niederlanden. Den Landwirten in allen EU-Staaten ist aber gemeinsam, dass sie die grüne Architektur in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) als finanzielle und bürokratische Belastung empfinden. Letztlich steht die Forderung im Raum, die Folgen des Green Deal für die Landwirtschaft zu reduzieren. 

 

Auf den akuten Unmut hat die EU-Kommission schon reagiert. Sie hat beschlossen, dass die Bauern auch 2024 nicht verpflichtet werden, einen Teil der Ackerfläche brachliegen zu lassen. In Deutschland sieht die GAP vor, dass Landwirte mit mehr als zehn Hektar Fläche jedes Jahr vier Prozent ihrer Äcker nicht bebauen. Damit soll dem Artensterben entgegengewirkt werden. Im Gegenzug werden sie aber nun verpflichtet, sieben Prozent der Flächen mit stickstoffbindenden Pflanzen anzubauen wie Linsen oder Erbsen oder mit Zwischenfrüchten. Die Mitgliedstaaten müssen dem Vorschlag zustimmen, womit zu rechnen ist. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat bereits Unterstützung signalisiert. Von Kommissionsseite wird die erneute Aussetzung der Verpflichtung zu Brachen mit den vielfältigen Krisen begründet: Krieg in der Ukraine, hohe Treibstoffpreise und extreme Wetterereignisse. 

 

Längst steht aber die Forderung im Raum, GAP-Regeln nicht nur befristet auszusetzen. Der Chef des Agrarausschusses im Europaparlament, Norbert Lins (CDU), verlangt: „Für die Jahre 2025 bis 2027 fordere ich ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren, um den Basisrechtsakt zur Gemeinsamen Agrarpolitik entsprechend abzuändern.“   

 

Die Kommission hält sich vor den Europawahlen zurück

 

Die aktuelle GAP ist Anfang 2023 in Kraft getreten und gilt bis 2027 einschließlich. Schon jetzt fragen sich die Landwirte, wie es in der EU-Agrarpolitik danach weitergehen soll. Die Kommission hält sich zurück. Eigentlich hatte sie angekündigt, noch vor den Europawahlen im Juni eine Mitteilung zur Landwirtschaftspolitik herauszugeben. Die Ankündigung hat sie aber zurückgezogen. Die Kommission sucht jetzt externe Beratung. Sie hat den Strategiedialog zur EU-Landwirtschaft gestartet. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nimmt sich hier ein Beispiel an Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Grüne hatte im Strategiedialog zur Automobilwirtschaft Wirtschaft, Umweltschützer und die Wissenschaft an einen Tisch geholt und dort recht erfolgreich Konflikte beigelegt. Die Kommission hat als Moderator den ehemaligen Chef der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Peter Strohschneider, verpflichtet. Strohschneider hat Erfahrung mit dem Format: Er hat bereits die Zukunftskommission Landwirtschaft auf nationaler deutscher Ebene geführt. 

 

Wohin die Reise in der EU-Agrarpolitik geht, dürfte sich erst 2025 zeigen. Dann ist die neue Kommission im Amt und wird einen Vorschlag für die GAP nach 2027 unterbreiten. Wie bereits beim letzten Mal rechnen Beobachter damit, dass wieder eine Übergangsphase nötig sein wird. Die neue GAP tritt also wohl frühestens 2029 in Kraft. 

 

Der Deutsche Bauernverband hat sich bereits erste Gedanken gemacht. Bis 2035 könnten die Direktzahlen auslaufen. Der DBV bekennt sich dazu, dass weiterhin Umweltmaßnahmen nötig sein werden. Die Förderpolitik der EU sollte aber davon absehen, den Landwirten vornehmlich Geld zu zahlen für Nachteile aus Umweltmaßnahmen. Sie sollte vielmehr den Bauern gezielt Geld geben dafür, dass sie etwas für das Klima und gegen das Artensterben unternehmen. Außerdem fordert die Standesvertretung eine bessere Absicherung der Landwirte gegen Marktversagen und Missernten. Gelder vom EU-Steuerzahler und aus den nationalen Haushalten sollen gezielt dafür eingesetzt werden, im Ackerbau und bei der Viehhaltung Versicherungsschutz aufzubauen. Staatlich bezuschusste Policen gegen „Ernte-Mehrgefahren“ und Tierseuchen sowie Betriebsunterbrechungen sollten kommen.

 


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