Grüne Woche unter dem Eindruck der Bauernproteste – Kanzler macht vage Versprechungen

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

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Liebe Leserinnen und Leser,

 

über eines kann sich der ländliche Raum in diesen Tagen nicht beschweren: mangelnde Aufmerksamkeit. Erst die eindrucksvollen Trecker-Demonstrationen der Bauern und jetzt die Leistungsschau Grüne Woche in Berlin. Über beides wurde und wird in den Medien ausführlich berichtet. Auch in vielen persönlichen Gesprächen geht es nun vermehrt wieder um die Frage, wo und wie wir unsere Lebensmittel regional, naturnah, umweltgerecht und zugleich bezahlbar herbekommen. Entsprechend wichtig und notwendig ist es, dass alle Naturnutzer – nicht nur Landwirte, sondern beispielsweise auch Fischer, wir Jäger und die Waldbesitzer – jetzt herausstellen, welchen Beitrag sie für ein solch „gutes Leben“ in Deutschland leisten können. 

 

Jürgen Wermser
Jürgen Wermser

Es ist ein Verdienst der Bauern, mit ihren Demonstrationen die großen Herausforderungen in der Landwirtschaft auf die politische Tagesordnung gesetzt zu haben. Doch das allein reicht natürlich nicht. Es muss jetzt auch eine überzeugende Reaktion der Bundesregierung mit handfesten Zusagen geben. Doch bei der Koalition heißt es bislang nur: bitte warten.

 

Auf der an diesem Sonntag endenden Grünen Woche in Berlin wäre für den Kanzler reichlich Gelegenheit zum Dialog gewesen. Olaf Scholz hat diese Chance leider ausgelassen. Er besuchte zwar pflichtgemäß diese internationale Leitmesse für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau, aber ernsthafte Diskussionen und kritische Fragen lächelte er in der vergangenen Woche einfach weg, sofern er sie überhaupt an sich rankommen ließ. Der SPD-Politiker räumte ein, dass es in der Tat viel zu viel Bürokratie gebe. Konkret gehe es darum, die vielen Vorschriften in Deutschland und auf EU-Ebene so zu verändern, dass Leben und Arbeiten auf dem Hof leichter würden. „Das ist etwas, worauf sich alle verlassen können, und insofern auch eine gute Aussage für die Zukunft unserer Landwirtschaft“, sagte der Kanzler. 

 

Wie in einer politischen Blase

 

Unverbindlicher geht es kaum. Bei vielen Bauern dürfte sich daher der Eindruck verstärken, dass der Regierungschef in einer Art politischen Blase in Berlin lebt – abgeschottet von den wirklichen und drängenden Problemen von Millionen Menschen, die auf einen funktionierenden ländlichen Raum angewiesen sind. Und die dort gerne für sich und ihre Kinder eine Zukunft sehen wollen. Andere Kabinettsmitglieder und Parlamentarier haben aufmerksam Gespräche geführt und auch zugehört, wie wir aus Kreisen der Verbände gehört haben. Erstmals luden der Deutsche Jagdverband, der Forstwirtschaftsrat und der Deutsche Schützenbund gemeinsam zu einem Parlamentarischen Abend auf der Messe ein. Der Andrang war groß, die Botschaften der drei Gastgeber in Richtung der zahlreichen anwesenden Politiker deutlich. Die Präsidenten Helmut Dammann-Tamke, Georg Schirmbeck und Hans-Heinrich von Schönfels betonten: „Wir müssen im ländlichen Raum zusammenhalten.“ Sie appellierten an die circa 30 anwesenden Bundestagsabgeordneten, das Große und Ganze im Blick zu haben und die Betroffenen nicht mit immer neuen Gesetzen und bürokratischen Auflagen zu beschäftigen. Die Nachhaltigkeit stehe bei allen drei Verbänden im Mittelpunkt.  

 

Bei den Landwirten bleibt es auf Regierungsseite offenbar bei den bekannten Grundpositionen. Vor diesem Hintergrund ist es nur verständlich, wenn Bauernpräsident Rukwied bereits weitere Proteste ankündigt. Gewiss, grundlegende und zugleich schnell umsetzbare Reformen sind schwierig. Doch dies ist keine Entschuldigung für Nichtstun. Denn diese Regierung hat kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Es gibt genug praktikable und zukunftsweisende Konzepte, wie Naturnutzer ihre Aufgaben für die Gesellschaft erfüllen können, ohne dass sie dabei überfordert werden und sich politisch alleingelassen fühlen.

 

„Es wird kein Landwirt Millionen investieren, wenn er nicht die Sicherheit hat, dass die Rahmenbedingungen und die Finanzierungsdinge langfristig laufen.“

 Jochen Borchert, früherer Agrarminister und Vorsitzender des „Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung“

 

Ein besonders gutes Beispiel für ein praktikables Lösungskonzept sind die Vorschläge der Borchert-Kommission zum Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland. Doch die Koalition zeigt sich hier weiter uneins, wie Jochen Borchert am Freitag dieser Woche gegenüber unserem Politblog kritisierte. Er war der Vorsitzende und Namensgeber dieses Gremiums, das erst einmal seine Arbeit eingestellt hat. Der frühere Bundeslandwirtschaftsminister glaubt nicht mehr, dass die Bundesregierung in den drängenden Fragen der Agrarpolitik zu vernünftigen Ergebnissen kommen wird – eine ebenso frustrierende wie leider realistische Perspektive.

 

Foto: norbert47
Foto: norbert47

Lokführer ramponieren Ruf der Bahn

 

Derweil stöhnt die Republik wieder einmal unter einem Streik der Lokführergewerkschaft. Die Grüne Woche hat allerdings wohl kaum darunter gelitten. Und die GdL schafft es mit ihren Aktionen, den Ruf der Bahn als klimagerechte Alternative zum Autofahren noch weiter zu ramponieren. Dies gilt speziell für den ländlichen Raum, wo das eigene Auto über Jahrzehnte zum unverzichtbaren Teil des Alltags geworden ist. Nur führende Politiker der Ampel scheinen dies nicht so zu sehen. Zumindest handeln sie nicht entsprechend. Während der öffentliche Nahverkehr zum Vorteil der Ballungsräume stark subventioniert wird, gelten die Millionen Verbrennerautos als politisch unerwünscht.

 

Der Fokus der Bundesregierung liegt unverändert auf Elektromobilität. Man mag davon mit Blick auf Klimaschutz halten, was man will – Stichwort Technologieoffenheit. Doch selbst auf diesem für sie zentralen Feld schafft die Ampelkoalition mehr Verwirrung als sinnvolle Fakten. Anders gesagt: Die Regierung ist handwerklich nicht in der Lage, ihr Konzept auch tatsächlich umzusetzen. Der renommierte Automarktexperte Ferdinand Dudenhöffer prophezeit deswegen gar eine Renaissance der Verbrenner. Seine Abrechnung mit der aktuellen Verkehrspolitik der Regierung ist vernichtend. Dies betrifft sowohl die Lade-Infrastruktur als auch die wirtschaftliche Zukunft der hiesigen Hersteller. 15 Millionen E-Autos habe die Regierung bis 2030 auf die Straße bringen wollen. Doch das könne nicht gelingen, weil all diese Pläne auf Sand gebaut seien, so der Volkswirt und Leiter des Bochumer CAR – Center Automotive Research, der vor seiner Pensionierung an der Universität Duisburg-Essen gelehrt hatte.

 

„Wer bitte soll denn noch in Ladeinfrastruktur investieren, wenn der Elektroautomarkt in den Keller geht? Und dann die miserablen Stromnetze! Aral wollte für Busse und Lkws Schnellladesäulen auf den Autobahnen aufstellen. Das scheiterte, weil das Stromnetz es nicht schafft. Wo leben wir? Mit der derzeitigen Infrastrukturpolitik macht die Regierung die Mobilitätswende total kaputt.“ 

Ferdinand Dudenhöffer, Automarktexperte

 

Zu guter Letzt möchte ich gerne noch ein Thema ansprechen, das gerade im ländlichen Raum viele Menschen betrifft: die Jagd – speziell die im Ausland – und deren teilweise maßlosen Kritiker. Während die Akzeptanz für Jagd und Jäger hierzulande beständig wächst, versuchen militante Jagdgegner auf Messen wie der „Jagd und Hund“, das Laien-Publikum mit Lügen über die Auslandsjagd aufzustacheln. Wahr ist aber: Jagdreisen bringen das Geld in die Kassen, ohne das sich viele Entwicklungsländer wirksamen Artenschutz und Bekämpfung der Wilderei nicht leisten könnten. Darüber hinaus finanziert die Auslandsjagd wichtige Projekte wie Schulen, Wasserversorgung und Kliniken. Für Montag hat übrigens die ARD im Abendprogramm einen Beitrag unter dem Titel „Tiere als Trophäen – wer rettet Elefant, Löwe & Co.“ angekündigt. Das soll wohl passgenau unmittelbar vor der Dortmunder Messe gesendet werden.  

 

Über die unrühmliche Rolle, die der von Großwild-Herrenjägern gegründete WWF auf diesem Feld vielerorts spielt, wurde 2019 viel berichtet. Die Neue Zürcher Zeitung aus der schweizerischen WWF-Stammheimat: „Das Gesamtbild war verheerend: Eine Organisation, die für sich in Anspruch nimmt, die Welt besser zu machen, hat offenbar während Jahren gravierende Menschenrechtsverletzungen vertuscht.“ Was den aufs Spendeneintreiben spezialisierten Verein nicht am modernen Ablasshandel mit seinem Maskottchen hindert: Der Panda-Bär gehört zum Werbe-Auftritt großer Lebensmittelkonzerne. Und Kritik an der Auslandsjagd zum Geschäftsmodell des WWF. 

 

Zum Schluss unsere Empfehlung: Wenn’s um Tierwohl geht, den Metzger um die Ecke nach der Herkunft der Schlachttiere fragen. Und wegen der Auslandsjagd seriöse Quellen im Internet nützen, etwa den „Internationalen Rat zur Erhaltung der Jagd und des Wildes“ (CIC). Der achtet auf Tiere und Menschen.

 

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und einen guten Start in eine positive, erfolgreiche Woche.

Mit den besten Grüßen

Ihr

Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

 

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