Jochen Borchert: Ampel ist weiter uneins

Der frühere Landwirtschaftsminister glaubt nicht, dass die Bundesregierung in den drängenden Fragen der Agrarpolitik zu vernünftigen Ergebnissen kommen wird

Bundesminister a.D. Jochen Borchert (Foto: Stiftung natur+mensch)
Bundesminister a.D. Jochen Borchert (Foto: Stiftung natur+mensch)

 

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Von Wolfgang Kleideiter

 

Tierwohlcent, Bürokratieabbau, ökologische und ökonomische Modernisierung, Entwicklung alternativer Antriebe für landwirtschaftliches Gerät, Gesprächs- und Verhandlungsrunden – die Ampel gibt sich nach außen den Anschein, als würde sie die harsche Kritik aus der Landwirtschaft und dem ländlichen Raum endlich ernst nehmen. Doch wer den von der Koalition erdachten Entschließungsantrag „Landwirtschaft in Deutschland im Dialog zukunftsfähig gestalten“ liest, findet kaum mehr als einen bekannten Fragenkatalog. Alter Wein in neuen Schläuchen, denn die großen Themen und Herausforderungen sind hinlänglich bekannt. Es hapert vielmehr an der Bereitschaft, sie anzupacken und dabei gute und praxisnahe Lösungsvorschläge einzubeziehen.

 

Zum Beispiel die bereits 2020 formulierten Empfehlungen und Finanzierungsmodelle der Borchert-Kommission. Das „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“, wie das Gremium offiziell hieß, hatte im vergangenen Sommer entnervt und enttäuscht die Arbeit eingestellt. Ein letzter Auslöser für diesen Schritt war die fehlende Bereitschaft der Regierung, langfristig ausreichend Gelder für den Umbau der Tierhaltung einzuplanen.

Und auf diesem Feld sieht Jochen Borchert, wie er in einem Gespräch mit unserem Politblog erklärte, bislang weiterhin keinerlei Bewegung. Vor allem nicht bei der FDP. Zwar gebe es hin und wieder anderslautende Äußerungen aus der Partei, aber Finanzminister Christian Lindner sei von seiner Linie, keine neuen Steuern und Abgaben und keine Steuererhöhungen zuzulassen, nicht abgerückt. „Damit gibt es keine öffentliche Finanzierung der Transformation der Nutztierhaltung“, so Borchert.

 

Kritik an Özdemir-Vorschlag

 

Den Vorschlag von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, einen Tierwohlcent einzuführen, sieht der frühere Chef des Ministeriums kritisch. „Mit einem geringen Aufschlag würde man zunächst nur die Schweinehaltung umstellen können, aber das wäre alles nicht langfristig genug“, spricht Jochen Borchert ein Hauptproblem an. Schon die eine Milliarde Euro, die im Haushalt vorgesehen sei, würde nicht die notwendige Planungssicherheit für die Betriebe bieten. Denn diese Summe sei auf mehrere Jahre verteilt – am Ende enthalte der Topf nur noch wenige Millionen pro Jahr. Bei der Abgabe sei es ähnlich. Borchert: „Es wird kein Landwirt Millionen investieren, wenn er nicht die Sicherheit hat, dass die Rahmenbedingungen und die Finanzierungsdinge langfristig laufen.“ 

 

Während FDP und Grüne uneins sind, erkennt Borchert in der SPD-Fraktion eine Mehrheit, die bereit wäre, den Weg mitzugehen. Der Druck aus den Bundesländern und von den SPD-Ministerpräsidenten, die fast einstimmig für eine Ausweitung der Förderung seien, sei in Berlin angekommen. Glasklar sei die Position der CDU/CSU, die wegen der nationalen Alleingänge wie beim Agrardiesel die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft in Gefahr sieht.

 

Investitionen auf den Höfen sind dramatisch zurückgegangen

 

Ob es der Ampel bis zum Sommer in Verhandlungen gelingen wird, zumindest eine gemeinsame Linie zu erarbeiten, bezweifelt Jochen Borchert. Wenn es Ergebnisse geben sollte, müssten diese auch noch in Gesetze gegossen werden. Erst dann herrsche Klarheit. „So lange nur gesagt wird: ,Wir machen das‘, so lange werden die Bauern nicht investieren.“ In den vergangenen zwei Jahren seien die Investitionen auf den Höfen bereits dramatisch zurückgegangen. „Viele junge Landwirte, die vor der Hofübernahme stehen, fragen sich zurzeit, ob es Sinn macht, die Nachfolge anzutreten“, weiß der frühere Minister. Erträge aus der Nutztierhaltung seien für den Bestand gerade nicht allzu großer Höfe enorm wichtig. 

 

Auch wenn die Regierung ihre Sparbeschlüsse bisher in Gänze nicht zurückgenommen hat, die Bauernproteste hatten zumindest einen wichtigen Effekt: In der Gesellschaft wird viel intensiver als in der Vergangenheit über die Landwirtschaft und die großen Herausforderungen gesprochen. Jochen Borchert: „Die Landwirtschaft ist ein Thema. Und es gibt viel Verständnis für die Proteste.“ Auch die Widersprüche zwischen politischen Forderungen und der Alltagspraxis und Wirklichkeit kämen vermehrt zur Sprache. 

 


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