Mächtig Rückenwind fürs Landvolk

Der Bauernprotest ist zum Misstrauensvotum gegen die realitätsferne Politik des linken Flügels der Ampel-Koalition gewachsen

Foto: doosenwhacker
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Von Michael Lehner

 

70 Prozent der Menschen unterstützen die Traktor-Sternfahrten. Im Gegensatz zu den Aktionen der Klima-Kleber nimmt auch das Großstadt-Publikum den Stau auf den Straßen ziemlich gelassen hin. Ganze Berufsgruppen schließen sich dem zivilen Ungehorsam an. Wer immer dachte, dass die Grausamkeiten gegen die Landwirtschaft allenfalls kalkulierbare Schäden an der ohnehin lädierten Regierungsmehrheit anrichten, hat sich bitter getäuscht. Das gilt nicht nur für realitätsferne Politiker in Regierungen und Parlamenten. Sondern auch für Kommentatoren, die – wie man so schön sagt – keine Ahnung haben von Ackerbau und Viehzucht. Aber davon jede Menge.

 

Ahnungslos wird vielfach eine kurzfristige Erholung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise zum Geldsegen für alle Bauern umgedichtet. Obwohl zum Beispiel die Milch-Erlöse längst wieder am ruinösen Tiefpunkt sind. Die Frage, warum immer noch massenhaft Höfe schließen, obwohl dort angeblich prächtig verdient wird, bleibt regelmäßig unbeantwortet. Hof-Einkommen werden nicht auf die Personen umgerechnet, die tatsächlich für die Erträge arbeiten. Von den Alten, die mithelfen bis zur „Kinderarbeit“ bei der Ernte in den Sommerferien. Dass Bauern keinen Anspruch hätten, das oft millionenschwere Kapital zu verzinsen, das in den Betrieben steckt, ist ohnehin gängige Großstadt-Meinung. 

 

Dazu kommt die politische Rosstäuscherei wegen der Subventionen, die in Wahrheit meist nur Ausgleich für Zugeständnisse an den Zeitgeist sind. Etwa der Verzicht auf die Bewirtschaftung fruchtbarer Flächen. In Wahrheit wird die Agrarproduktion seit vielen Jahrzehnten schon als Experimentierfeld einer mühsam getarnten Planwirtschaft missbraucht. Und der Bauernstand gerade so bei Laune gehalten, dass die Versorgungssicherheit nicht in Gefahr gerät. Für Billig-Preise sorgt die ungebremste Marktmacht weniger Handelsketten. Keine Regierungskonstellation, die sich nicht darauf verlässt, dass der Lebensmitteleinkauf immer weniger vom Einkommen beansprucht.

 

Zuständigkeit fürs kollektiv gute Gewissen abgewälzt

 

Wer die Materie auch nur ein wenig kennt, muss wissen, dass im Subventionsdickicht vor allem Großbetriebe profitieren. Also jene „Agrarfabriken“, die der urbanen Linken sonst so sehr zuwider sind. Und die doch herhalten müssen, um einem ganzen Berufsstand Tierquälerei und Umwelt-Frevel anzulasten. Während der Politik zugleich klar ist, dass sich Normalverdiener Tierwohl und Bio kaum noch leisten können. Auch die Zuständigkeit fürs kollektiv gute Gewissen wird dennoch gern aufs Landvolk abgewälzt. Im schlimmsten Fall hilft der Import von Billig-Lebensmitteln aus Ländern, die es mit der Korrektheit in Öko-Fragen so ernst nicht nehmen.

 

Dass der Unmut neuerdings auf Bevölkerungsgruppen übergreift, die von solcher Agrarpolitik nicht direkt betroffen sind, hat Logik. Die Instinktlosigkeiten betreffen nämlich längst nicht nur die Landwirtschaft. Viele Tagträume der Regierung schaden dem gesamten ländlichen Raum. Vom Rückzug der Eisenbahn aus der Fläche über das Kliniksterben bis zum Bildungsnotstand, der auch dem großstädtischen Mehrbedarf an Schulpersonal geschuldet ist. 

 

Ob sich der in Großindustrie-Projekte verliebte Bundeswirtschaftsminister noch unters Volk traut, ist in dieser Gemengelage eher eine Frage für den Boulevard. Weit mehr interessiert, ob Herr Habeck verstehen wird, dass die Menschen momentan andere Sorgen haben als die Anschaffung von Wärmepumpen, für die der „Grüne Strom“ noch sehr lange bei weitem nicht reichen wird. Weit eher geht es den Leuten – schlicht gesagt – um die Wurst. Und um den Wunsch nach Bodenhaftung einer Regierung, die endlich aufhören muss, dem rechten Rand Steilvorlagen zu liefern.

 


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