Green Deal: Bauern kommen glimpflich davon

Der EU-Kommission ist es in ihrem fünfjährigen Mandat nicht gelungen, ihre Ankündigungen für mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft umzusetzen

Foto: lebenslotse
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Von Ludwig Hintjens   

 

Europas Landwirte hätte der Green Deal härter treffen können. Der großangelegte Umbau der europäischen Volkswirtschaft, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Leitthema für ihr fünfjähriges Mandat in Brüssel gemacht hat, hatte auch die Lebensmittelproduktion im Visier. Insgesamt hat die Kommission 45 Gesetzgebungsvorschläge zum Green Deal seit 2019 auf den Tisch gelegt. Die Vorschläge betreffen die Branchen unterschiedlich. Die deutsche Schlüsselindustrie der Automobilhersteller etwa wird vom EU-Gesetzgeber gezwungen, ihr bisheriges Geschäftsmodell – der Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor – aufzugeben, eine Antriebswende zu vollziehen und ab 2035 nur noch batteriebetriebene Fahrzeuge zu verkaufen. Auch die Energie-, Chemie- sowie die Stahlbranche müssen Abschied nehmen von fossilen Kraftstoffen und Vorprodukten.

 

So weit gingen die Ankündigungen, die den Bauern und der Lebensmittelproduktion unter dem Stichwort „Vom Hof auf den Tisch“ gelten, nicht. Doch auch in diesem Bereich ließen sie einiges befürchten. Nun, da sich das Mandat dem Ende zuneigt, können die Landwirte unter dem Strich von Entwarnung ausgehen. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) für die Jahre 2023 bis 2027 wurde noch auf der Basis der Beschlüsse aus dem letzten Mandat festgezurrt. Hier hatte der für den Green Deal bis zum Sommer zuständige Vize-Präsident Frans Timmermans, der ansonsten sehr forsch für Klima- und Artenschutz unterwegs ist, noch nicht seine Handschrift hinterlassen können. Die Kommission schlug zwar vor, dass der Anteil der Biolandwirtschaft bis 2030 EU-weit 25 Prozent betragen soll. Doch schon jetzt ist absehbar, dass wohl allenfalls in Österreich dieser Wert erreicht werden könnte. Es sind zudem keine Konsequenzen beschlossen worden, falls Mitgliedstaaten das Ziel verfehlen.

 

Timmermans nur begrenzt erfolgreich

 

Und mit den anderen Gesetzgebungsvorschlägen, die unter Timmermans Regie erarbeitet wurden, konnte er sich am Ende nicht so richtig durchsetzen. Die Co-Gesetzgeber – Europaparlament und der Rat als Gremium der Mitgliedstaaten – schrieben das Naturwiederherstellungsgesetz so weit um, dass es jetzt nicht viel mehr als den Namen mit dem Vorschlag der Kommission gemeinsam hat. Die Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pestiziden scheiterte ganz. Die Folge ist, dass die bisherige Verordnung bis auf Weiteres gilt. Bei der Industrieemissionsrichtlinie gelang es, große Rinderzuchtbetriebe ganz außen vor zu lassen. Allerdings wurden die Schwellenwerte für Schweine- und Geflügelhalter abgesenkt, sodass diese Betriebe durchaus mit schärferen gesetzlichen Vorgaben aus Brüssel zu rechnen haben. Ebenso scheiterte die Ankündigung von neuen Marketingstandards in der Fischerei und bei Aquakulturprodukten.

 

Die öffentliche Meinung hat sich gedreht

 

Woran liegt es, dass die Bauern bislang glimpflich bei der eingeleiteten Wende hin zu mehr Klima- und Artenschutz davongekommen sind? Zum einen hat sich die öffentliche Meinung im Laufe der fünf Jahre gedreht. Während 2019 der grüne Tatendrang noch besonders ausgeprägt war, hat er spätestens 2022 Gegenwind bekommen. Und die Bauern hatten das Glück, dass die meisten Gesetzgebungsverfahren, die ihre Branche betreffen, erst in der zweiten Hälfte der Wahlperiode aufgerufen wurden. Ein Glücksfall aus Sicht der Bauern war zudem, dass der sich selbst als Klimazar stilisierende Green-Deal-Kommissar Timmermans im Sommer überraschend die EU-Bühne verließ, um in den Niederlanden Karriere zu machen. Mit Timmermans Auszug aus dem Berlaymont war der Elan bei Green-Deal-Themen weg.

 

Relevant war zudem der Widerstand aus dem Parlament. Anders als etwa beim Verbrenner-Aus, wo das Parlament besonders grün tickte, stand bei Agrarthemen eine Mehrheit der Abgeordneten auf der Bremse und sorgte für Mäßigung. Die christdemokratische Parteienfamilie EVP unter Manfred Weber (CSU) hat hier eine Schlüsselfunktion. Jedoch hätten es die Christdemokraten allein nicht geschafft. Sowohl beim Naturwiederherstellungsgesetz als auch bei der Pestizidverordnung haben auch Sozialisten und Liberale mitgestimmt.

 


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