EU rüttelt am Schutz des Wolfes

Die Kommission schlägt vor, den Status des Beutegreifers von „streng geschützt“ abzustufen auf „geschützt“. Nun müssen die Umweltminister Farbe bekennen

Foto: Alexas_Fotos
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Von Ludwig Hintjens  

 

Der Vorschlag der EU-Kommission kam kurz vor Weihnachten. Das Gremium der 27 Kommissare schlägt vor, den Status des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“ abzustufen. Auf den ersten Blick sieht es nach einem kleinen Schritt aus, tatsächlich handelt es sich um einen Paradigmenwechsel. Wie der Chef des EU-Agrarausschusses, Norbert Lins (CDU), sagt, stellt dies einen „Wendepunkt in der Debatte um das Zusammenleben des Menschen und der Natur“ dar. Die Kommission ändert ihre Position im Hinblick auf den Beutegreifer fundamental. Bislang ist der Wolf als Vertreter einer akut bedrohten Tierart behandelt worden. Die Botschaft ist: Das wird nicht so bleiben. 

 

Der Wolf ist nicht mehr in seiner Existenz gefährdet. Nach Erkenntnissen der EU haben seine Populationen in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen. Der Wolf besiedelt immer größere Gebiete. Mittlerweile geht die Kommission davon aus, dass rund 20.000 Wölfe in 23 Mitgliedstaaten leben. Es ist ein Erfolg des Artenschutzes, dass der Wolf, der kurz vor seiner Ausrottung in Europa stand, wieder heimisch geworden ist.

 

Jetzt ist es aber an der Zeit, die neue Lage anzuerkennen. Der sich stetig vermehrende Wolf, der keine natürlichen Feinde hat, muss als eine Bedrohung für den ländlichen Raum gesehen werden. Der Wolf gefährdet die Weidehaltung und damit die wirtschaftliche Existenz vieler landwirtschaftlicher Betriebe in Europa. Nach der Neubewertung seines Status müssen Konsequenzen gezogen werden. Die Bestände müssen reguliert werden. Es muss nicht nur die „Entnahme“ einzelner auffälliger Tiere stattfinden wie jetzt. Vielmehr müssen gezielt und von den Behörden geplant Abschüsse erfolgen, um die weitere Ausbreitung zu verhindern und die Rudel in Regionen deutlich zu reduzieren, wo die Übergriffe überhandgenommen haben.  

 

Wird internationaler Vertrag geändert?

 

Derzeit ist dies für Behörden nicht möglich. Der Wolf genießt unter der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU den strengsten Schutz, den es für eine Tierart geben kann. Um hieran etwas zu ändern und ein aktives Management der Bestände zu betreiben, muss zunächst das Berner „Übereinkommen über die Erhaltung der in Europa wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume“ geändert werden. Dabei handelt es sich um einen internationalen Vertrag, der den Schutzstatus auch des Wolfes auf der Basis der 1979 vorhandenen wissenschaftlichen Daten festgelegt hat. 1979 sah die Welt aus Sicht der Tierart aber anders aus als heute: Damals war der Wolf akut bedroht. Nicht nur das: Die Vernichtung der Tierart war in vielen Ländern erklärtes Ziel, die Behörden zahlten staatliche Abschussprämien für jeden toten Wolf.   

 

Am strengen Schutzstatus in der EU lässt sich aber erst etwas ändern, wenn die Berner Konvention angepasst ist. Den Vertrag haben inzwischen 50 Staaten gezeichnet, darunter alle EU-Mitgliedstaaten. Wie geht es nun weiter, nachdem die Kommission vorgeschlagen hat, von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zu gehen? Jetzt sind die Mitgliedstaaten am Zug. 27 Regierungen sind gefordert, Position zu beziehen. Am Ende geht es darum, eine Mehrheit für den Vorschlag der Kommission zu bekommen. Sobald die Mitgliedstaaten mehrheitlich grünes Licht geben, wird die Kommission dem Ständigen Ausschuss des Berner Übereinkommens die Änderungen vorschlagen. Und erst wenn der Ständige Ausschuss die Änderung angenommen hat, kann sich an der konkreten Wolf-Politik in der EU etwas ändern.

 

Lemke muss den Weg frei machen für eine Neubewertung

 

Auf die Haltung der Bundesregierung kommt es dabei entscheidend an. Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke hatte sich bereits sehr schwergetan, den Abschuss von Problemwölfen in Deutschland zu ermöglichen. Dies ist auf Basis der FFH-Richtlinie möglich. Die Umweltministerin darf nicht weiter Rücksicht nehmen auf grüne Stammwähler mit esoterischer Vorliebe für den Wolf, sondern muss den Weg frei machen für eine Neubewertung. Es ist höchste Zeit, die Distanz zwischen Wolf und den Nutztieren der Menschen neu zu vermessen. 

 


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