Haushaltspolitik gegen den ländlichen Raum, der Wolf und die Weihnachtsbäume

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

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Liebe Leserinnen und Leser,

 

für den Begriff „Gewürge“ fallen mir im Zusammenhang mit politischen Prozessen Beschreibungen wie „umständliches, beschwerliches, oft planloses Vorgehen“ oder auch ganz einfach „Gewurschtel“ ein. Treffender kann man die Haushaltsberatungen der drei Ampelspitzen im Kanzleramt mit und ohne Gefolge nicht einordnen, zumal am Ende ein Ergebnis mit offenen Fragen steht. Tagelang waren im Fernsehen immer wieder die Szenen vorfahrender Limousinen meist mit dem aussteigenden Finanzminister zu sehen. Begleitet wurde das dann in den laufenden Nachrichtensendungen fast vier Wochen lang mit vielfach wiederholten Texten, dass man sich über den Haushalt 2024 noch nicht geeinigt habe und wieder in die Nacht hinein verhandeln werde. Und am nächsten Tag weiter …

 

Jost Springensguth
Jost Springensguth

Am Freitag hat der Bundestag erst einmal den Nachtragshaushalt 2023 mit einfacher Mehrheit mit Aussetzung der Schuldenbremse und der „nachholenden Erklärung einer Haushaltsnotlage“ beschlossen. Kurz vor Toresschluss ist so mit einer Überschreitung der Kreditaufnahme um fast 45 Milliarden für das laufende Jahr das Haushaltsbuch geschlossen worden.  

 

Im Blickpunkt stand dann für 2024 das zitierte Gewürge in gefühlten Endlos-Verhandlungen. In der Summe haben Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister auch als Repräsentanten der Ampelparteien in den letzten Wochen circa 200 Stunden nach den 17 Milliarden gesucht, die am Ende nach dem Verfassungsgerichtsurteil für den nächsten Haushalt fehlten, um wenigstens noch zu einem Kabinettsbeschluss zu kommen. Da fällt mir nur die Randbemerkung ein, dass die für viele Menschen in dieser Zeit angeblich zunehmend wichtige Work-Life-Balance wohl unter den drei Beteiligten in den letzten vier Wochen ziemlich gelitten haben muss. Die tarifliche Stundenwoche von 35 Stunden passt mehr als fünfmal in diesen Zeitaufwand für die harte Arbeit der drei Herren am Etat. Man sah das am Ende auch den Protagonisten in der abschließenden Pressekonferenz an. Dort war nur Lindner zu einem bissigen Scherz aufgelegt. 

 

Der Deckel ist allerdings noch längst nicht drauf, weil viele Einzelheiten fehlen und die Bürger im Detail noch nicht wissen, was nun im nächsten Kalenderjahr auf sie zukommt. Für die letzte Sitzung des Bundestages hat es jedenfalls nicht gereicht, einen entsprechenden Haushaltsbeschluss zu fassen. Das geschieht nun rückwirkend im Februar. Solange gilt die sogenannte vorläufige Haushaltsplanung. Das alles dient den Symbolen der jeweils unverrückbaren Eckpunkte der Ampelparteien: der klimaneutrale Umbau des Landes, kein Abbau von Sozialleistungen bei Einhaltung der Schuldenbremse. 

 

Kommen wir kurz zu den bisher bekannten Ergebnissen, die im Einzelnen mit den entsprechenden Preisschildern konkret noch nicht komplett vorliegen. Es gibt Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen in vielen kleinen Happen, um auf die Gesamtsumme des notwendigen Sparvolumens von 17 Milliarden zu kommen. Die einzelnen Ministerien müssen ihre Finanzplanungen nach unten korrigieren. Einzelne sogenannte klimaschädliche Subventionen werden gestrichen. Der CO₂-Preis steigt auf 45 Euro pro Tonne. Das heißt, dass beim Tanken und Heizen mit fossilen Energien Preissteigerungen anstehen. Da wurden schon Zahlen für die Zapfsäulen errechnet: Zum Jahreswechsel sollen Benzin um 4,3 Cent und Diesel um 4,7 Cent teurer werden. Und wer stattdessen im Inland fliegen will, wird durch die neue Kerosinsteuer und damit höhere Luftverkehrsabgaben ebenfalls mehr zu berappen haben. Und mit der Bahn zusammen ist festzustellen: Reisen wird erheblich kostspieliger.

 

Steigende Existenzängste in Landwirtschafts- und Forstbetrieben

 

Und Arbeiten auch. Und das auf dem Lande: Beschlossen hat das Ampeltrio weiter den Abbau von Steuervergünstigungen für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft. Man hört vom Ende des Agrarpreises für Diesel. Um rund eine Milliarde werden hier die Kosten steigen. Für den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, wäre das eine Kampfansage an die Deutsche Landwirtschaft und an „uns Bauernfamilien“. Als ob die Agrarwirtschaft nicht ohnehin schon gewaltig unter Druck stände. Da machen sich noch mehr Existenzängste breit! Deshalb wird mit wirkungsvollen Protesten gerechnet.

 

Am Ende habe ich mir die ARD-Sendung „Farbe bekennen“ mit Olaf Scholz angesehen.  Abgesehen, dass der Kanzler nicht auf Details eingegangen ist, sondern nur aufs Große und Ganze, hat er drei konkrete Fragen zu den erwartbaren Verhältnissen auf dem Lande ohne zu antworten wortreich umschifft. Ohnehin steht die Frage, was ein bäuerlicher Familienbetrieb oder ein ländlicher Durchschnittshaushalt mit zwei Kindern an Kostensteigerungen zu erwarten hat, nicht im Drehbuch der Berliner Regierungskommunikation. Also was bleibt? Da gibt es nur eine Antwort: abwarten, was der Bundestag am Ende beschließen wird.

 

Partnerwechsel in Hessen

 

Still und leise, aber offensichtlich zielstrebig organisiert derweil Boris Rhein die Zukunft seiner Landesregierung in Hessen. Und das mit Partnerwechsel. Während Söder nach der Wahl am selben Tag Anfang Oktober schon in die Regierungsroutine zurückgekehrt ist, wurde in Wiesbaden bis zum Ende dieser Woche verhandelt. Der 190-seitige Koalitionsvertrag steht. Das Motto der ungleichen Partner (CDU acht, SPD drei Ministerien): „Die Herausforderungen bewältigen wir gemeinsam – oder gar nicht“. „Folgen des Ukraine-Krieges, Wirtschafts- und Migrationskrise, digitale Transformation und Klimawandel“ lautet deren Beschreibung der Rahmenbedingungen. Mit einem Bekenntnis zur Schuldenbremse sollen Wohnungen mit dem „Hessengeld“ für Eigenheime gefördert, Investitionen in Wirtschaft und Struktur getätigt, der ÖPNV gestärkt und bei Klimaschutz und Nachhaltigkeit Ökologie und Ökonomie nicht gegeneinander ausgespielt werden. Abgetrennt vom Begriff Umwelt wird es künftig ein „Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Wein, Forsten, Jagd und Heimat“ geben. 

 

Das sind schon andere Gewichtungen als im benachbarten Rheinland-Pfalz, wo zurzeit die Umweltministerin ein Jagdgesetz durchsetzen will, das nicht mehr viel mit dem zu tun hat, wie wir es als bewährte Grundlagen der Jagd kennen. Und das Thema Wolf wird wohl auch in Hessen nun anders angegangen als unsere in Deutschland weit verbreitete gängige Praxis des Totalschutzes – politisch und juristisch. Derweil meldete am Donnerstag der Landesjagdverband Brandenburg einen möglicherweise ersten Wolfsangriff auf einen Menschen. Im Landkreis Elbe-Elster wurde ein 47-Jähriger während eines Spaziergangs mit seinem Hund im Wald angegriffen und liegt schwer verletzt in einem Krankenhaus. Wenn es ein Wolf war, was behördlich noch geprüft wird, wird er es wohl erst einmal auf den Hund abgesehen haben. 

 

Blick auf den Weihnachts-Wunschzettel der CSU

 

Um die Umwelt geht es bei diesem Dauer-Thema. Dass die Artenvielfalt ohne Viehweiden verarmt, erkennen auch informierte Umweltschützer. Dass eine entsprechende Bestandsregulierung des Wolfes nicht an der Euro-Bürokratie scheitert, sondern am Umweltbundesamt, hat zumindest die CSU-Fraktion im bayerischen Landtag in ihrem Weihnachts-Wunschzettel festgehalten: „Wir wollen Normalität im Umgang mit dem Wolf, wie in vielen anderen Ländern bereits üblich. Dazu gehört ein realistischer Blick auf die Bestände und Eingriffe – wenn nötig und geboten. Die Ampel muss jetzt Bestandsregulierung ermöglichen und den günstigen Erhaltungszustand feststellen. Wir können nicht länger zusehen, wie die Rückkehr des Wolfs den Erhalt unserer Kulturlandschaft immer mehr in Bedrängnis bringt. Wölfe sind nicht bedroht, aber unsere Weidetierhalter sind es, wenn nicht bald etwas passiert.“

 

Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de
Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de

Dass Weihnachtsbäume in diesen Tagen einem Teil der Umwelt-Bewegten Sorgenfalten bereiten, ist nicht mehr ganz neu. Aktuell kommt erschwerend hinzu, dass die ganz Korrekten kulturelle Bevormundung Andersgläubiger befürchten. Zum Beispiel in einer Hamburger Kindertagesstätte, die in diesem Winter deshalb auf den Baum verzichtet. Vermutlich wissen die „GewissenswächterInnen“ nicht, dass die Menschen schon zu heidnischen Zeiten und nahezu weltumspannend Immergrünes in ihre Höhlen und Stuben holten. Auch als Symbol des Lebens, dem sogar die Plantagen-Tannen unserer Tage nützen: Dass junge Bäume mehr Kohlendioxid binden als die alten, ist ebenso bewiesen wie der Umstand, dass „das Klima“ nicht zwischen Plantagen-Gewächsen und Naturverjüngung unterscheidet.

 

Dazu passt irgendwie, dass die Weltnaturschutzunion (IUCN) den Atlantik-Lachs auf die „Rote Liste“ gesetzt hat. Speziell in Europa sei der Lieblingsfisch der Discount-Feinschmecker bereits akut gefährdet. Zumal im Öko-Sehnsuchtsland Norwegen schwinden die Wildlachs-Bestände dramatisch. Zu den Ursachen zählt neben dem Ausbau der Wasserkraft auch das Geschäft mit den Farm-Lachsen, die die rasche Ausbreitung von Seuchen und Parasiten unter ihren in Freiheit lebenden Artgenossen bewirken. Während Angler-Vereine in Deutschland viel Geld und Mühe aufwenden für oft höchst erfolgreiche Wiederansiedlungsprojekte.

 

Das wäre es dann wieder einmal mit meinen Bemerkungen zur abgelaufenen Woche. Und bis zum nächsten Jahr: Wir gönnen uns mit unserem Autorenteam natur+mensch eine kleine Weihnachtspause und melden uns mit dem nächsten Newsletter und Wochenkommentar wieder. Vorher empfehle ich im Blog die Lektüre unseres Autors Christian Urlage mit dem Beitrag vom Freitag über das, was die CDU in ihrem noch nicht verabschiedeten Programm mit dem ländlichen Raum vorhat. Er konnte das bisher unveröffentlichte Papier bereits lesen.

 

Mit diesem Hinweis wünsche ich unseren Leserinnen und Lesern bereits jetzt ein friedvolles Weihnachtsfest.

Ihr 

Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination

 

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