„Spinnerei“ oder Bauernschläue?

Klimafarmer wollen mit einem Pilotversuch zeigen, dass die Ernte in Moorgebieten profitabel sein kann, und stoßen auf Skepsis in großen Kreisen der Landwirtschaft

Foto: Dorothea Jacob / pixelio.de
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Von Jürgen Muhl

 

„Land unter“ auf den Feldern und Wiesen. Wer in diesen Tagen in Schleswig-Holsteins Niederungen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb zu Gast ist, sollte Gummistiefel dabeihaben. Nicht nur Vernässung droht, sondern auch das Verschwinden in der Versenkung. Auch Kühe und Traktoren sind davon betroffen. Rund ein Viertel der Fläche im nördlichsten Bundesland sind Moorflächen, die nach dem Willen der schwarz-grünen Landesregierung noch mehr Wasser aufnehmen sollen. Eben zur Wiedervernässung, damit weitaus größere CO₂-Mengen gespeichert werden können. 

 

Nach einem Gutachten sollen rund 900 landwirtschaftliche Betriebe umgesiedelt werden. Raus aus den Mooren, hin in trockene Gebiete wie jene mit Geestboden. Ein Großteil der betroffenen Hofbesitzer wehrt sich gegen diese Pläne. Wie auch der Schleswig-Holsteinische Bauernverband, der beklagt, dass sowohl das Land als auch die Stiftung Naturschutz einen Alleingang unternommen haben. „Man hat uns bislang nicht in die Pläne eingeweiht“, konstatiert Stephan Gersteuer, Generalsekretär des in Rendsburg ansässigen Verbandes.

 

Bei einem noch höheren Wasserspiegel könnten nach Berechnungen der Landesregierung rund drei Millionen Tonnen CO₂ gespeichert werden. Bei 20 Zentimeter höheren Wasserständen ergäben sich sogar Einsparungen von 17,5 Tonnen CO₂-Äquivalenten pro Hektar und Jahr. Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) spricht sich gegen eine prinzipielle Nutzungsaufgabe der betroffenen Betriebe aus und fordert Bemühungen für eine „dauerhafte wirtschaftliche Perspektive und Planungssicherheit“. Schwarz, einst selbst als Präsident des Bauernverbandes auf der Seite der Landwirte, will das Gutachten nutzen, um „vor Ort im Dialog freiwillige Lösungen zu entwickeln“. 

 

„Moorvernässung nur freiwillig und gemeinsam“

 

Der amtierende Bauernverbands-Präsident Klaus-Peter Lucht appelliert an die Kieler Regierung: „Wir brauchen jetzt verlässliche Zusagen von der Politik, dass Moorvernässung nur freiwillig und gemeinsam mit den Betrieben umgesetzt wird. Es handelt sich um dramatische Auswirkungen auf unsere Agrarstruktur.“ Lucht kritisiert, dass „eine effektive Einbindung der Land- und Wasserwirtschaft trotz entsprechender Angebote nicht vorgesehen ist. Das ist ein Affront gegen die betroffenen Landwirte.“ Die geplanten Maßnahmen dürften nur freiwillig mit der Landwirtschaft vor Ort umgesetzt werden, fordert der Bauernchef, der übrigens seit Monaten auf ein Gesprächsangebot wartet. 

 

Alternative Bauern als „Klimafarmer“

 

Indes hat sich eine Initiative gebildet, um auch in Moorgebieten profitabel zu ernten.  „Klimafarmer“ nennen sich die alternativen Bauern, die mit einem Feldversuch für Aufsehen in der zumeist konservativ geprägten Landwirtschaft sorgen. Bis Ende 2031 will die Gruppe testen, ob sich auf nassen Moorböden etwas erwirtschaften lässt. Dafür erproben sie neue Ernte-, Lager- und Vermarktungsmethoden. Was vom Bundesumweltministerium mit 15,5 Millionen Euro gefördert wird. 

 

Nach der verbreiteten Stimmung im gesamten Lager der Bauern wird kein Erfolg dieses Feldversuchs erwartet. Kaum jemand, mit Ausnahme der kleinen Gruppe der Klimafarmer, glaubt an die sogenannte „Paludikultur“, womit die Ernte auf Moorflächen gemeint ist. Gearbeitet wird mit Pistenraupen, normale Traktoren schaffen es dort nicht, weil der Boden zu tief ist. Die Silage, die jetzt im Winter geerntet wird, kann aber nicht als Tierfutter genutzt werden. Sie ist zu feucht. Eventuell gibt es eine Nutzung in Biogasanlagen, das wird derzeit getestet.

 

Ohne Förderprogramme funktioniert die Nutzung nasser Moore nicht 

 

Aus einem Gutachten des Kieler Instituts für Europäische Landwirtschaftsstudien geht hervor, dass die Paludikultur im Vergleich zur konventionellen Land- und Milchviehwirtschaft nicht lukrativ ist. Ohne Förderprogramme würden die Betriebe nicht freiwillig in den Paludikulturanbau einsteigen, heißt es in dem Gutachten. 

 

So sieht es auch Generalsekretär Stephan Gersteuer. „Wenn die Ernte erst getrocknet werden muss, entstehen hohe Kosten. Das kann nicht wirtschaftlich sein.“ Gersteuer bemängelt weiterhin den Alleingang der Politik gemeinsam mit der Stiftung Naturschutz, die jährlich 8000 Hektar Moorland kaufen will. Bislang sind es nur 134 Hektar im Jahr. „Wir werden nicht an der Niederungsstrategie beteiligt, das kann doch nicht sein“, kritisiert Gersteuer.

 


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