Bundesetat und offene Fragen – Über den Wildbestand in den Wäldern – Niedersächsische Wolfserfahrungen

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

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Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Woche blickt das politische Deutschland weiter auf die Haushaltskrise. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, durch das die bisherigen „Sondervermögen“ zunächst ersatzlos aus der Haushaltsplanung des Bundes gestrichen wurden, hinterlässt einen Berg an Problemen. Das betrifft nicht nur den Bundesetat für dieses und nächstes Jahr. Indirekt strahlt das auch auf die Länder und Kommunen aus. Und natürlich trifft es letztlich am Ende der Kette der Betroffenheit unsere Wirtschaft und damit einen großen Teil unserer Bevölkerung. Das wird überall im Lande zu spüren sein. Politisch gewollte und schon geplante Projekte stehen auf dem Prüfstand. Die Frage, wie das alles gelöst werden und wo das fehlende Geld herkommen soll, haben bisher weder Bundeskanzler noch Finanzminister beantwortet.

 

Jost Springensguth
Jost Springensguth

Scholz bleibt schmallippig und gibt sich im Bundestag und in einem selbst produzierten Video zuversichtlich. Er drängt generell mit seinen Sozialdemokraten und dem grünen Ampelpartner auf die Aufhebung oder zumindest Aussetzung der Schuldenbremse. Selbst die linksalternative TAZ lästerte über seine „Scholzomatische Regierungserklärung“. Sonst sagt er also nicht viel zum Thema und ist erst mal zur Weltklimakonferenz nach Dubai abgereist. Finanzminister Lindner gibt den Ruhigen, der die Problemlage zunächst mit Streichungen von staatlichen Leistungen lösen will. Er hat für gestern erst einmal den Nachtragshaushalt für das laufende Jahr in den Bundestag eingebracht. Vizekanzler Habeck und seine Partei sind am letzten Wochenende auf ihrem grünen Bundeskonvent, als das Unheil in vollem Umfang sichtbar war, erst gar nicht darauf eingegangen, wo nun das Geld für ihre Transformationspolitik herkommen soll. Zu vernehmen war nur: Wir halten an unserem Klima-über-alles-Kurs fest. Koste es, was es wolle.

 

Was das Grundgesetz zulässt …

 

Was heißt eigentlich die Schuldenbremse genau? Artikel 115 des Grundgesetzes gibt generell vor: „Einnahmen und Ausgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.“ Der Bund darf bei einer von der „Normallage“ abweichenden konjunkturellen Entwicklung in gewissen Grenzen neue Schulden aufnehmen – bis 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das reicht bei allen Klima- und Sozialplänen nicht und steht damit jetzt auch nicht zur Debatte, weil es viel zu wenig wäre. Es geht um die in diesem Artikel vorgesehene Ausnahme „Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen.“ Das war bei Corona der Fall und erlaubte die Kreditermächtigung, von der die berühmten 60 Milliarden übrigblieben und in den Klima- und Transformationsfonds verschoben werden sollten. Dazu gab es die Rote Karte aus Karlsruhe.

 

Jetzt will die SPD wenigstens mit Drohszenarien über die Folgen von Haushaltskürzungen auf die Wirtschaft die Schuldenbremse generell aushebeln – immer noch möglichst vor Weihnachten. Sie braucht dazu die CDU, weil es dann um die umstrittene Frage des Abschieds von der einst gewollten strikten Haushaltsdisziplin in der Verfassung geht. Oppositionsführer Merz hält stramm dagegen und riskiert Spannungen in der eigenen Partei mit ihren Länderchefs im Osten. Es bleibt also bei den Auseinandersetzungen darüber, was nun gut für das Land ist. Merz sitzt dabei wohl am längeren Hebel.

 

Ein Blick auf die möglichen Folgen

 

Ob das Loch in der Staatskasse letztlich doch noch die politische Vernunft befördert, bleibt also die spannende Frage dieser Adventstage. Gerade für den ländlichen Raum: Bleibt die Provinz abgehängt beim öffentlichen Nahverkehr? Setzen Forst-Ideologen doch noch ihren Irrglauben durch, dass Holz im Wald verrotten muss? Statt die Heizenergiekrise dort zu entschärfen, wo es keine Fernwärme geben wird und die Stromnetze längst nicht für den massenhaften Einsatz von Wärmepumpen ausreichen. Kann sich Deutschland den Zwangsumbau der Landwirtschaft leisten, obwohl dies die Lebensmittelpreise unweigerlich weiter in die Höhe treiben wird?

 

Es geht also um Themen, die an dieser Stelle in unserem Blog seit Jahren im Zentrum stehen und jetzt erst in den Fokus der überregionalen Politik geraten. Eine warme Stube und ein gedeckter Tisch scheinen plötzlich nicht mehr selbstverständlich. Gelegentlich scheint sogar jene Vernunft auf, die noch vor wenigen Jahrzehnten selbstverständlich war: Es geht auch eine Nummer kleiner! Zum Beispiel, wenn Experten vorrechnen, dass immer schwerere und größere Automobile den Klima-Nutzen der Elektromobilität nahezu zunichtemachen. 

 

Stromtankstelle (Foto: AKrebs60)
Stromtankstelle (Foto: AKrebs60)

Auch deshalb beschäftigen wir uns aktuell mit der Frage, warum deutsche Automobil-Hersteller den Bedarf an erschwinglichen Öko-Autos weitgehend vernachlässigt haben. Und warum es unter einer rot-grünen Regierung keinen Cent Zuschuss für den Kauf besonders kleiner und sparsamer Elektro-Autos gibt. Auch solche Instinktlosigkeit betrifft besonders den ländlichen Raum, weil dort so viele Menschen aufs Auto angewiesen sind – vor allem, um zum Arbeitsplatz zu kommen. Was zwingend notwendig ist, wenn der Staat Steuern kassieren will – und nicht Arbeitslosigkeit finanzieren.

 

Das Thema Mobilität zeigt nur ein Beispiel für die Ungleichgewichte. Mindestens ebenso bedenklich ist die Tendenz, in der Debatte um gefährdete Arbeitsplätze höchst einseitig auf Konzerne zu achten. Wesentliche Träger unserer Wirtschaft sind nun einmal in den mittelständischen Strukturen zu finden. Und dabei drohen nicht nur die Landwirtschaft, sondern ländliche Gewerbe-Betriebe insgesamt aus dem Blick zu geraten. Auch dies belegt eine Realitätsferne, die dem auf Großstädte und ihre Probleme verengten Blick geschuldet ist. Die Wahrheit bleibt, dass sich die akuten Herausforderungen nur mit etwas mehr Bescheidenheit meistern lassen. Und nur mit einem intakten ländlichen Raum, schon gar nicht gegen ihn.

 

… oft den Nagel auf den Kopf getroffen

 

In diesem Zusammenhang melden sich im Kommentarfeld unter den Artikeln unseres Blogs oder in Zuschriften immer wieder meinungsfreudige Leser. Dazu zitiere ich diesmal gerne aus einer Zuschrift als Reaktion auf unseren letzten Wochenkommentar:

 

„Mit Interesse lese ich gerne den natur+mensch-Politblog, da Sie mit Ihren Aussagen oft den Nagel auf den Kopf treffen. Heute habe ich einmal einige Fragen und Bemerkungen, die m. E. oft viel zu kurz kommen. Das ist das Thema Wildbestand in den deutschen Wäldern, insbesondere in den vom Staat und seinen Förstern betreuten Gebieten. Z.B. in den Forstämtern Johanniskreuz, Hunsrück Hochwald, Kaiserslautern, Wasgau – um nur einige aus in diesem Falle Rheinland-Pfalz zu nennen, wo derzeit ja gerade um das neue Landesjagdgesetz gekämpft wird. Dessen noch aktueller Entwurf ist ein Schlag ins Gesicht aller Revierpächter, verantwortungsvoll jagender Jäger, am Ende aber auch der Grundstückseigentümer.“

„Es gab keine entnahmerelevanten Rissereignisse.“


Weiter spricht unser Leser das Thema Wolf an, der uns alle immer wieder beschäftigt. Der Aspekt, wie viel kostbares Wildbret vernichtet wird, spielt in den öffentlichen und politischen Diskussionen praktisch keine Rolle. Die Schäden der Tierhalter werden finanziell (natürlich wohl kaum voll) entschädigt und das nach meist heftigem bürokratischem Aufwand. Im Weserkurier lesen wir dazu über einen Fall im niedersächsischen Landkreis Verden, wie schwierig es ist, einen Antrag auf „Entnahme eines auffälligen Wolfes“ durchzusetzen. Acht Monate dauerte danach die Entscheidung, die mit einer Ablehnung endete, weil: „Es gab keine entnahmerelevanten Rissereignisse.“ Außerdem wurden die im Antrag genannten Nahbegegnungen mit Menschen als Einzelereignisse gewertet, die keinem einzelnen Tier oder einem Rudel zugeordnet werden konnten. In dem Antrag, den das Landvolk im März gestellt hatte, wurden nach Angaben des Weserkuriers unter anderem Begegnungen spielender Kinder in Kirchlinteln (Kreis Verden) und mit einer Radfahrerin in Visselhövede (Kreis Rotenburg) aufgeführt. In dem Artikel wird weiter auf die Umweltministerkonferenz zum Ende dieser Woche in Münster verwiesen, wo das Thema Wolf und „beschleunigter Abschuss“ auf der Tagesordnung steht. Wir werden uns unter www.natur-und-mensch-politblog.de damit beschäftigen.

 

Nun schauen wir auf das Wochenende, wo sich unser Regierungsapparat mit dem Bundeskanzler, der Außenministerin und einer Delegationsgröße von 250 Staatsdienern an der Weltklimakonferenz beteiligt. Insgesamt werden über 10.000 Menschen dorthin fliegen. Mal sehen, was am Ende dabei herauskommt. 

 

Es grüßt Sie mit den besten Wünschen zur Adventszeit von unserem Autorenteam

Ihr Jost Springensguth

 

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