Landwirte bangen um ihre Höfe

Wiedervernässung der Moore in Schleswig-Holstein angestrebt. Damit müssten 900 landwirtschaftliche Betriebe aus den Niederungsgebieten

Foto: cocoparisienne
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Von Jürgen Muhl

 

Schon lange rumort es zwischen der Stiftung Naturschutz und dem Schleswig-Holsteinischen Bauernverband. Die Naturschützer wollen trocken gelegte Moorgebiete wieder vernässen, um mehr CO2 zu speichern. Dazu müssten rund 900 landwirtschaftliche Betriebe umsiedeln. Raus aus ihrer Heimat, aber wohin, darüber schweigt man sich aus. Die Niederungsflächen nehmen ein Fünftel der Landesfläche von Schleswig-Holstein ein. Betroffen sind tief gelegene Gebiete an der Nordseeküste und an der Elbe, bis kurz vor Hamburg. Gut die Hälfte der Betriebe sind in der Eider-Treene-Sorge-Niederung angesiedelt. 

 

Für sie sehen die Agrar-Professoren, die das Gutachten im Auftrag des Kieler Landwirtschaftsministeriums erstellt haben, am bisherigen Standort im Falle der Wiedervernässung keine wirtschaftliche Grundlage mehr. Insgesamt sind es 900 Betriebe, die eine neue Heimat suchen müssten. Diese Empfehlung haben die Kieler Agrar-Professoren Uwe Latacz-Lohmann und Torben Tiedemann der Landespolitik unterbreitet. Die Grünen im Kieler Landtag sind Feuer und Flamme, das Vorhaben umzusetzen. Die CDU gibt sich abwartend.

 

Als Prämisse haben die Wissenschaftler eine Begrenzung auf einen 20 Zentimeter höheren Pegel angesetzt. Damit, so heißt es, lassen sich jährlich gut 1,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen. Bei einem noch höheren Wasserspiegel könnten nach Berechnungen der Landesregierung rund drei Millionen Tonnen CO2 gespeichert werden. Bei 20 Zentimeter höheren Wasserständen ergäben sich sogar Einsparungen von 17,5 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Hektar und Jahr. Experte Torben Tiedemann: „Im Winter anstauen und im Sommer den Wasserstand etwas absenken – das bringt eine Menge fürs Klima.“ So könnte das in der Milchviehfütterung genutzte Grünland weiter genutzt werden. 

 

Neuer Zoff in der schwarz-grünen Landesregierung zu erwarten

 

Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) spricht sich gegen eine prinzipielle Nutzungsaufgabe der betroffenen Betriebe aus und fordert Bemühungen für eine „dauerhafte wirtschaftliche Perspektive und Planungssicherheit“. Schwarz, einst Präsident des Bauernverbandes, will das Gutachten nutzen, um „vor Ort im Dialog freiwillige Lösungen zu entwickeln“. Freiwillig? Davon halten die Grünen bekanntlich nicht viel. Damit ist neuer Zoff in der schwarz-grünen Landesregierung programmiert. 

 

Der amtierende Bauernverbands-Präsident Klaus-Peter Lucht dazu: „Wir brauchen jetzt verlässliche Zusagen von der Politik, dass Moorvernässung nur freiwillig und gemeinsam mit den Betrieben umgesetzt wird.“ Folgte man dem Gutachten, folgten dramatische Auswirkungen auf die Agrarstruktur des Landes. Lucht kritisiert, dass „eine effektive Einbindung der Land- und Wasserwirtschaft trotz entsprechender Angebote nicht vorgesehen ist“. Das sei ein Affront gegen die betroffenen Landwirte. „Die geplanten Maßnahmen bei der Moorvernässung dürfen nur freiwillig mit der Landwirtschaft vor Ort umgesetzt werden“, fordert der Bauernchef. 

 

Flächentausch heißt das Zauberwort. Dafür steht aber kaum ausreichend Land in dem nördlichsten Bundesland zur Verfügung. Nur dort, so der Bauernverband, wo ein Betrieb es als Chance sehe, könne im Einzelfall im Einvernehmen mit dem Landwirt das „Raustauschen“ eines gesamten Betriebes eine gangbare Lösung sein. Angesichts der Unsicherheiten der Finanzen im Landeshaushalt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird wohl das gigantische Umsiedlungs-Projekt zunächst einmal auf Eis gelegt. Das aber beruhigt die betroffene Bauernschaft auf 900 Höfen nicht. Die Zukunftsangst bleibt damit groß. 

 


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