Ampelkoalition in Turbulenzen – Neue Gespräche über Jagdgesetz in Mainz

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

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Liebe Leserinnen und Leser,

 

wer Führung bestellt, bekommt Führung, soll Olaf Scholz einmal mit Blick auf sich selbst gesagt haben. Davon ist jetzt jedenfalls nichts zu sehen oder zu hören. Der Kanzler ist in einer der größten haushaltspolitischen Krisen öffentlich nahezu abgetaucht. Außer Floskeln kein Wort, wie es weitergehen könnte – ein Wort, auf das Bürger und Investoren gleichermaßen dringend warten. Schlimmer noch, Scholz und mit ihm die ganze Bundesregierung hatte offensichtlich keinen Plan B für den Fall, dass ihr fiskalischer Ritt auf der Rasierklinge vom Bundesverfassungsgericht gestoppt würde. Hätte man vorher auf unabhängige Experten gehört, wäre diese böse Überraschung ausgeblieben. Eine solche Fahrlässigkeit ist bei einem Regierungschef, der nach außen hin so viel auf Solidität und Sachverstand gibt, höchst befremdlich. 

 

Jürgen Wermser
Jürgen Wermser

Doch bevor wir uns weiter mit der großen Berliner Politik befassen, erst einmal ein kurzer Blick nach Rheinland-Pfalz. Auch dort zeigt sich gerade beim geplanten neuen Jagdgesetz, wie notwendig rechtzeitiges Miteinanderreden sein kann. Verglichen mit der dramatischen Haushaltskrise des Bundes mag der dortige Konflikt klein anmuten. Doch für die Betroffenen geht es hier um viel, wie wir in unserem Politblog mehrfach ausführlich dargestellt haben. Die Mainzer Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) hatte mit ihrem Reformkonzept – Stichwort Wald vor Wild – massiven Protest der Jäger hervorgerufen. Diese fühlten sich schlichtweg missverstanden und übergangen. Ein konstruktiver Dialog mit Eder kam nicht zustande. Doch jetzt scheint die Grüne einzulenken. Der Landesjagdverband (LJV) begrüßte es jedenfalls ausdrücklich, dass die Ministerin vor der offiziellen Vorlage des Gesetzentwurfs eine weitere Beteiligungsrunde einlegen will. 

 

Jäger zu neuen Gesprächen bereit

 

Es sei wichtig, dass eine zweite Fassung des Gesetzentwurfs nicht erneut ohne die Jägerschaft erarbeitet werde, denn auf diese komme es entscheidend an. „Wir sind in erster Linie vom Gesetz betroffen und wir sind die handelnden Akteure in Wald und Feld“, betont LJV-Präsident Dieter Mahr die wichtige Rolle der 20.000 Mitglieder seines Verbandes auch beim Waldumbau. Man kann nur hoffen, dass die Ministerin es mit ihrem Gesprächsangebot diesmal tatsächlich ernst meint …

 

Wie man es nicht machen sollte, kann sich Eder in Berlin anschauen. Dort wollten ihre Parteifreunde zusammen mit SPD und FDP gleichsam mit dem Kopf durch die Wand. Es wird schon gut gehen, so war augenscheinlich die Haushaltsdevise der Ampelkoalition beim Umbau der deutschen Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität. Doch das Regieren auf Pump droht in einer schlimmen Pleite zu enden – einer Pleite für diese Koalition, aber viel schlimmer noch in einer Pleite für die Zukunft unseres Landes. Nahezu alle sind davon betroffen, nicht nur Großkonzerne, sondern auch viele Handwerker und mittelständische Betriebe im ländlichen Raum. Sie haben sich auf zahlreiche Modernisierungsprojekte eingestellt. Doch angesichts einer gewaltigen Milliardenlücke im Etat sind diese Perspektiven nun vage. Denn jede Vorgehensweise, auf die sich die Ampelregierung jetzt verständigt, müsste erst noch beweisen, dass sie nicht ähnlich dubios finanziert ist wie die gerade in Karlsruhe gescheiterten Regelungen. 

 

Hier ist ein großer Vertrauensverlust entstanden. Investitionswillige Zukunftsindustrien werden es sich nun doppelt genau überlegen, ob Deutschland für sie noch der richtige Standort sein kann. Denn neben einer zunehmend veralteten Infrastruktur hat auch die politische Verlässlichkeit stark gelitten. Dies liegt nicht am guten Willen der drei Berliner Koalitionsparteien, sondern am Eindruck fehlender handwerklicher – sprich in diesem Fall juristischer – Kompetenz. Und das ist ziemlich erschreckend angesichts der großen Herausforderungen, vor denen Deutschland und insbesondere seine strukturschwächeren Gebiete gerade im ländlichen Raum stehen.

 

Milliardeninvestitionen erforderlich

 

Die erforderlichen Milliardeninvestitionen für klimafreundliche Energien und Verkehrssysteme sind ohne angemessene staatliche Zuschüsse kaum zu stemmen. Zusätzlich muss privates Geld in gewaltiger Höhe mobilisiert werden, damit der Umbau gelingt. Doch wer investiert, braucht Vertrauen in die Rahmenbedingungen – ein Vertrauen, das gerade von Scholz, Habeck und Lindner auf eine schwere Belastungsprobe gestellt wird. 

 

Nicht zuletzt im ländlichen Raum wächst die Befürchtung, bei wichtigen Vorhaben vom Bund im Wesentlichen alleingelassen zu werden. Die überfällige Digitalisierung von Verwaltungen, um so den Bürgern lange Anfahrtswege zu ersparen, der Ausbau des Breitbandnetzes bis hin zur stärkeren Unterstützung bei der Integration von Migranten: All dies sind Herausforderungen, die gerade den Menschen in kleineren Städten und abgelegenen Dörfern auf den Nägeln brennen. Ihre Orte müssen zukunftsfähig werden. Entscheidend dabei sind eine gute Infrastruktur und moderne Arbeitsplätze. Hier ist in den vergangenen Jahrzehnten viel versäumt worden. Um diesen Rückstand aufzuholen, braucht es viel Geld, was dann zwangsläufig an anderer Stelle fehlt.

 

„Robert Habeck könnte doch mal bei sich selbst anfangen: Wenn festgestellt wird, dass die Ampel-Koalition mit einem handwerklichen Fehler begonnen hat, ist es gewagt, die Schuld auf die Union abzuwälzen. Ich fände es angemessener, einfach mal demütig festzustellen, dass man da schlecht gearbeitet hat. Und die Konsequenzen müssen wir alle jetzt tragen.“

(Jens Boysen-Hogrefe, Ökonom am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, im Interview mit shz.de über Löcher im Etat, Klimapolitik und subventionierte Batteriefabriken)

 

Schafft diese Bundesregierung jetzt noch einmal einen überzeugenden Neustart? Man mag es ihr und vor allem dem Land wünschen. Doch die Skepsis ist leider recht groß. Denn SPD, Grünen und FDP scheint weiterhin der Mut zu fehlen, gemeinsam klare politische und finanzielle Prioritäten zu setzen. Hält diese interne Blockade an, dürften auch Angebote zur Zusammenarbeit mit der Union wenig erfolgversprechend sein. Erschwerend kommt hinzu, dass etwa Wirtschaftsminister Habeck der Union die Schuld an der aktuellen Finanzmisere gibt, weil sie in Karlsruhe geklagt hatte. Doch dies ist ein bloßes Ablenkungsmanöver. Denn hätten die Koalitionäre ordentlich gearbeitet, wäre ihnen und dem Land die Niederlage vor dem Verfassungsgericht erspart geblieben.

 

Die jetzt von Finanzminister Lindner verhängte Haushaltssperre des Bundes ist lediglich ein erster Schritt, um das Schlimmste – sprich weitere Versprechen auf Pump – zu verhüten. Das für 2023 verplante Geld kann grundsätzlich weiter ausgegeben werden. So erklärte das niedersächsische Finanzministerium denn auch, der Ausgabenstopp in Berlin habe zunächst „keine unmittelbaren haushalterischen Auswirkungen“ aufs Land. 

 

So weit, so gut. Doch ob und welche Vorhaben langfristig in einem Bundesland gestrichen oder gekürzt werden, ist weiterhin nicht absehbar. Immerhin werden dem Bund nach bisherigem Stand in den kommenden Jahren 60 Milliarden Euro für den Klimaschutz fehlen. Und das könnte erst der Anfang sein, wenn die Wirtschaft in Folge geringerer Investitionen dauerhaft zu schwächeln beginnt.

 

Dachse und Biber stoppen Züge

 

In dieser Woche haben wir uns im Politblog natur+mensch einmal damit beschäftigt, welche Schäden und damit Sorgen die Fischotter unseren Teichwirten bescheren. Dazu passen gleich auch die Meldungen, die wir über die ohnehin schon geplagte Bahn zu lesen hatten: Zwischen Unna und Fröndenberg in Nordrhein-Westfalen fahren keine Züge mehr, weil die Gleise und Dämme von Dachsen mit ihren Bauten unterhöhlt wurden. Die Bahn wird dem nicht Herr. Wie zu hören ist, soll die Sanierung lange dauern und sehr aufwändig werden. Dies heißt: Das Ganze kostet viel Geld, was durch die Haushaltslage generell ein Problem angesichts geplanter und nun ungesicherter Sanierungsmaßnahmen darstellt. Besonders aufwändig wird wohl der Versuch werden, die ungeliebten Buddeler zu vergrämen. Im Allgäu hat es die Bahn dagegen bereits geschafft, ein ähnliches Problem mit einem anderen, manchmal auch ungeliebten Zeitgenossen der Natur zu lösen: In der vergangenen Woche wurde die Bahnstrecke Sonthofen-Oberstdorf wieder freigegeben, nachdem dort wegen Biberbauten im Bahndamm ebenfalls der Zugverkehr für einige Zeit stillgelegt worden war. Hier dauerte es nur drei Wochen, um das Problem zu lösen. So wurden auf 600 Metern Hohlräume verfüllt und der Bahndamm mit Stahlnetzen gesichert. Jetzt müssen die Biber also anderswo nagen. 

 

Was lernen wir daraus? Wie bei den Wölfen sollen politisch korrekt die Probleme mit Schadtieren durch Draht und Zäune gelöst werden. Unschädlich werden sie damit nicht… 

 

Genießen Sie trotz der düsteren Lage in Berlin das Wochenende und freuen sich auf einen hoffentlich guten Start in eine positive Woche. In diesem Sinne verbleibe ich mit den besten Grüßen
Ihr

Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

 

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