Tierschutz nicht um jeden Preis

Die zunehmende Ausbreitung des Fischotters sorgt für ähnlich gelagerte Konflikte wie bei der Rückkehr der Wölfe. Teichwirte fürchten um ihre wirtschaftliche Existenz

Ein Fischotter vertilgt rund 500 kg Fisch pro Jahr. (Foto: Huskyherz / pixelio.de)
Ein Fischotter vertilgt rund 500 kg Fisch pro Jahr. (Foto: Huskyherz / pixelio.de)

 

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Von Jürgen Wermser

 

Der Schutz bedrohter Tierarten ist grundsätzlich sinnvoll. Darüber dürfte über alle Parteigrenzen hinweg Einigkeit bestehen. Insofern war es auch verständlich, dass die Rückkehr des Wolfs nach Deutschland zunächst allgemein eher begrüßt als behindert wurde. Doch von Anfang an war klar, dass dieses Tier in einem so dicht besiedeln Land wie der Bundesrepublik keineswegs überall willkommen sein könnte.

 

Mittlerweile hat sich diese vermeintliche Erfolgsgeschichte längst zu einem großen Problem und Konfliktthema ausgewachsen. Verständlich, denn die negativen Folgen gerade für die Weidetierhaltung sind immens. Schafe und andere Nutztiere fallen dem Wolf in großer Zahl zum Opfer. Teure Schutzvorkehrungen und staatliche Entschädigungen können die Situation allenfalls finanziell etwas entschärfen. Doch mit Geld allein lässt sich das Problem nicht lösen. Eine Regulierung des Bestandes ist vielerorts unumgänglich. Wir haben darüber in unserem Politblog des Öfteren und sehr intensiv berichtet. 

 

Zahlenmäßig nicht so bedeutsam, aber für die jeweils betroffenen Naturnutzer mindestens ebenso dramatisch bis hin zu existenzbedrohend, ist die erneute Ausbreitung des Fischotters in Deutschland. Über Jahrhunderte war der Wassermarder (Lutra lutra) wegen seines dichten Fells und als Konkurrenz beim Fischfang systematisch bejagt worden. In weiten Teilen seines Verbreitungsgebiets wurde er ganz oder beinahe ausgerottet. Hinzu kam die Zerstörung des Lebensraums durch den Ausbau von Fließgewässern, die Entwässerung von Feuchtgebieten und die Belastungen durch Industrie und Landwirtschaft. 

 

Bestände breiten sich aus

 

Doch mittlerweile breiten sich die Bestände wieder aus. Der Fischotter steht unter Schutz, und obendrein verbessern sich für ihn die natürlichen Lebensräume. Die Tiere tauchen wieder häufiger in ihren ursprünglichen Verbreitungsgebieten auf, so auch im niedersächsischen Heidekreis. Laut Nabu ist das Kernverbreitungsgebiet der Fischotter in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, doch auch in anderen Bundesländern fasse der Fischotter wieder Fuß, weil Gewässerlebensräume revitalisiert, Auen und Uferstreifen entwickelt würden sowie die Wasserqualität sich insgesamt durchaus wieder verbessert habe.

 

So weit, so gut. Allerdings hat der Fischotter nur wenige natürliche Feinde wie den Luchs, Wolf oder Seeadler. Trifft er auf besonders günstige Lebensräume, so kann er zu einer richtigen Plage und ökonomischen Gefahr werden. Ein Fischotter vertilgt rund 500 kg Fisch pro Jahr. Teichwirte müssen um ihre Bestände fürchten. Bei manchen von ihnen geht es um die Existenz. So berichtet etwa ein Fischzüchter aus dem oberpfälzischen Bärnau, dass er im Mai 4000 kleine Störe gesetzt habe. 1370 seien davon noch übrig. Die anderen habe der Fischotter geholt.

 

In der Oberpfalz und in Niederbayern, wo die Teichwirtschaft stark vertreten ist, haben die Behörden mittlerweile unter bestimmten Auflagen die Entnahme des Fischotters ohne Einzelgenehmigung erlaubt. Dagegen hat ein Aktionsbündnis Fischotter aus Niedersachsen beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung geklagt, dass der Abschuss von Fischottern in einigen Regionen Bayerns den Schutzvorschriften für besonders geschützte Tierarten widerspreche, zu denen der Fischotter zähle.

 

Starke wirtschaftliche Schäden

 

Ohne gezielte Entnahmen wird sich das Problem - ähnlich wie beim Wolf – aber nicht lösen lassen. Dies zeigen schon die gut gemeinten, aber wenig überzeugenden „Empfehlungen zur Einzäunung von Fischhaltungsanlagen zum Schutz gegen Fischotter“, wie sie die Landwirtschaftskammer (Lwk) Niedersachsen in einem Merkblatt gibt.

 

Die Lwk räumt darin ein, dass die Fischotter in traditionellen Teichwirtschaften zur Erzeugung von Forellen oder Karpfen, die im Flächenland Niedersachsen weit verbreitet sind, zunehmend zu starken wirtschaftlichen Schäden führen. Betroffen seien überwiegend kleine Familienbetriebe im Haupt- und Nebenerwerb. Die meist den natürlichen Bedingungen der Landschaft angepassten und nahe von Fließgewässern angelegten Teiche seien für Fischotter sehr attraktiv. Die Tiere seien Nahrungsopportunisten und nutzten einfache Verfügbarkeit in Fischhaltungsanlagen. Betriebe seien zunehmend gefährdet. Auch die Vorgaben der Europäischen Union über Gesundheits- und Hygienevorschriften für Tiere in Aquakultur und die Möglichkeit zur Übertragung von Krankheiten durch Wildtiere stünden hier im Spannungsfeld. 

 

Zum Schutz der Teichwirtschaften und Fischhaltungen empfiehlt die Lwk, die Anlagen einzuzäunen. Eine Variante sei ein Metallzaun. Doch dieser habe hohe Anschaffungskosten und sei in schwierigem, strukturreichem Gelände nur schwer und aufwändig zu installieren. Eine Elektrozaunanlage mit Kunststoffmaschennetz ist eine Alternative. Doch sie bedingt laut Lwk aufwändige Wartungsarbeiten in der sommerlichen Vegetationszeit. Und im Winter könnten Schneemassen den Zaun niederdrücken und die Stärke des Elektroimpulses schwächen.

 

Das Beispiel Fischotter zeigt ebenso wie die Entwicklung der Wolfsbestände in Deutschland, wie wichtig ein passgenaues Umsteuern bei Schutzmaßnahmen ist. Aus einem zu wenig kann schnell zu viel werden, wenn die legitimen Belange von Naturnutzern konsequent missachtet werden. Dann sind Konflikte programmiert, die am Ende niemandem nutzen. Das geschützte Tier wird dann von immer mehr Menschen – speziell im ländlichen Raum – abgelehnt statt willkommen geheißen. Und die natürlichen Verhältnisse können sich mancherorts stark zum Negativen verändern – Stichwort Weidetierhaltung und Teichwirtschaft. Menschen wird die Existenzgrundlage genommen, weil sie sich nicht mehr angemessen und in finanziell vertretbarer Weise vor dem vermeintlich seltenen Tier schützen können. Konsequenz: Eine traditionelle und naturnahe Wirtschaftsform verliert ihre Grundlage, mit all den negativen gesellschaftlichen Konsequenzen bis hin zur Stärkung ausländischer Billigkonkurrenz. 

 

Die Lehre aus alldem: Mensch und Natur müssen mit Augenmaß zusammen gedacht werden. Wer den Schutz von Tierarten, auch wenn sie nicht mehr ernsthaft bedroht sind, um fast jeden Preis betreibt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

 


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