Zunächst tauchte der Bund unter 

Die Jahrhundertflut hat an Schleswig-Holsteins Ostseeküste Millionen-Schäden verursacht. Jetzt will Berlin helfen. In welchem Ausmaß, das ist noch nicht bekannt

Foto: UdoSchroeter
Foto: UdoSchroeter

 

Von Jürgen Muhl

 

Wenn in der Vergangenheit in Schleswig-Holstein vor einer drohenden Flut gewarnt wurde, war immer nur von der Nordsee die Rede. Hunderte von Millionen Euro sind in den Küstenschutz zwischen Sylt und der Elbmündung geflossen. Inseln und Halligen wurden fit gemacht für den Kampf mit dem „Blanken Hans“.  Kaum jemand hatte die Ostsee mit ihren Meeresarmen wie die Flensburger Förde, die Kieler und Lübecker Bucht oder die Schlei im Visier. Auch nicht die Grünen im Lande, der Koalitionspartner der CDU. Bis dann in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober eine „Jahrhundertflut“, wie das Hochwasser inzwischen offiziell bezeichnet wird, an der gesamten Ostseeküste hohe Schäden verursachte. 

 

Pegelstände von zwei Metern und mehr über normal überfluteten große Teile der Küste. Besonders betroffen sind die Städte Flensburg und Eckernförde, dazu ein Großteil von Kommunen an der Schlei. So wie die kleinste Stadt der Bundesrepublik. In Arnis mit seinen nicht ganz 300 Einwohnern ist nichts mehr wie vor dem 20. Oktober. Fast jeder Haushalt ist betroffen. Noch heute präsentiert sich der Sportplatz wie ein See.

 

Der Einsatz von Feuerwehren und Technischem Hilfswerk und noch mehr die Hilfsbereitschaft untereinander verhinderten Schlimmeres. Beim Blick in die Versicherungspolicen wurde so mancher Bootsbesitzer oder Gastronom, der seinen Betrieb mit dem so attraktiven Meeresblick bewerben konnte, blass. Zumeist heißt es „Höhere Gewalt“. Haftung ausgeschlossen. Mehrere Hotels an der Ostseeküste beklagen Schäden in Millionenhöhe.

 

Auch von Habeck nichts zu sehen

 

Nichts zu sehen war in den Tagen danach von der Bundespolitik. Niemand machte sich aus Berlin auf den Weg in den hohen Norden. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck blieb seiner arg getroffenen Heimatstadt Flensburg fern. Bis vor wenigen Jahren agierte der grüne Habeck, auch heute noch Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Schleswig-Flensburg, in Schleswig-Holstein als Minister für Umwelt, Energie und Küstenschutz.  Sein Nachfolger Tobias Goldschmidt, für den es außer Wasserstoff kaum ein Thema im Land zwischen Nord- und Ostsee gibt, sorgte indes mit der Feststellung, man könne nicht jeden Quadratmeter Land schützen, besonders bei den Landwirten für helle Aufregung. 

 

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), der seinen Urlaub in den Herbstferien nach Bekanntwerden der Katastrophe sofort abgebrochen hatte, kündigte zunächst als Sofortmaßnahme ein Darlehensprogramm an. Es handelt sich um Kredite in einer Höhe von jeweils 50.000 Euro pro Schadensfall, mit einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren und einem Zinssatz von einem Prozent. Landesregierung und kommunale Verbände haben sich auf einen Wiederaufbaufonds in Höhe von 200 Millionen Euro verständigt. Jedoch ist sich die Landespolitik quer durch alle Parteien darüber einig, dass Kredite allein nicht reichen.

 

Günther sieht Ampel-Koalition in der Pflicht

 

Inzwischen will auch der Bund, der zunächst zwei Wochen lang untergetaucht war, helfen. Günther und Bundeskanzler Scholz haben sich am Rande des Treffens zwischen Bundesregierung und Länderchefs darauf geeinigt, dass mithilfe von Arbeitsgruppen Details zur finanziellen Hilfe erarbeitet werden sollen. Daniel Günther sieht die Ampel-Koalition in der Pflicht, den Ländern langfristig zu helfen. „Küstenschutz ist eine grundgesetzlich verbriefte gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern. Die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel für die Küstenschutzmaßnahmen an Nord- und Ostsee genügen den steigenden Herausforderungen in Folge des Klimawandels nicht mehr“, sagte Günther.

 


Lesen Sie auch:

Günther regiert mit Bezug zur Basis im Lande: Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident kann auf eine erfolgreiche Startphase verweisen

 

Hier können Sie sich für unseren wöchentlich erscheinenden Newsletter anmelden.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.