Bayern und Hessen mit unterschiedlichem Schwung – Bund-Länder-Gipfel und die Migration

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

Liebe Leserinnen und Leser von „natur+mensch“,

 

diese Woche war geprägt vom gelebten Föderalismus in Deutschland. Die verschiedenen, am Dienstag und Mittwoch aufeinander folgenden Feiertage Reformationstag (evangelisch und in den nördlichen bzw. östlichen Bundesländern) sowie Allerheiligen (katholisch und ab NRW südlich, aber mit Ausnahme Berlins und Hessens) haben uns das ins Bewusstsein gerufen.

 

Jost Springensguth
Jost Springensguth

So bleiben wir mit unserem Blick zunächst in den Bundesländern. Die Landespolitik nimmt in Bayern und Hessen nach den Wahlen unterschiedlich Geschwindigkeit auf. In München hat das Parlament Markus Söder nun endgültig erneut zum Ministerpräsidenten gewählt, als seien die Koalitionsverhandlungen nur Formsache gewesen. Die Koalition mit Aiwanger war trotz der zwischenzeitlichen Verwerfungen um ein Flugblatt zwar gesetzt. Die CSU musste sich aber mit gestiegenem Selbstbewusstsein der Freien Wähler auseinandersetzen. Dass am Ende für sie ein Ministerposten mehr dabei herauskam, ist ihren „Jetzt-erst-recht“-Stimmen zu verdanken, die die Demoskopen schon vorausgesagt hatten. Dass der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger künftig für die bayerischen Staatsforsten und die Jagd zuständig ist, wirft ein Licht darauf, wie die CSU inzwischen zu diesen Themen steht. Dafür sind jetzt Tourismus und Gastronomie in dem von ihr geführten Landwirtschaftsministerium verortet. Allein mit Blick auf die bisher zunehmend umstrittene Forstpolitik im Freistaat ist das schon eine überraschende Rochade in landespolitischen Inhalten. Auf das Thema Wald und Wild komme ich im Weiteren noch einmal zurück.

 

Die Hessen haben am selben Tag (8. Oktober) gewählt und vom Wahlsieger noch keine sicheren Hinweise erhalten, mit wem die Reise weitergeht. Boris Rhein führt mit seiner CDU die Sondierungsgespräche in aller Ruhe weiter. Für die Herbstferien hat er sich Urlaub von den Gesprächen mit SPD und Grünen genommen und das als „Reflexionswoche“ bezeichnet. Da – wie oben bemerkt – in Hessen keine Feiertagsruhe war, gingen die Gespräche am Dienstag und am Mittwoch weiter. Gestern hat er dann seine CDU-Gremien in Wiesbaden über den Stand informiert.

 

Jetzt übernimmt der hessische CDU-Shooting-Star in Berlin erst einmal die Amtsgeschäfte als Präsident des Bundesrats und will dann nach erneuten Sondierungsgesprächen bis zum Ende der Woche die Weichen stellen: weiter mit den Grünen, was bei den anstehenden Kernthemen wie Energie- und Verkehrswende schwieriger werden könnte als mit der SPD. Bei seinem überwältigenden Stimmensieg mit 34,6 Prozent hat er alle Trümpfe in der Hand und beide möglichen Juniorpartner drängen an seinen Kabinettstisch. Wenn nach der Vorentscheidung Rheins erst gut einen Monat nach der Wahl die Koalitionsverhandlungen beginnen, wird es wohl noch lange dauern, bis eine Regierung gebildet ist. Dann erst erfahren wir auch dort, wer für Landwirtschaft und Forst zuständig ist. Die CDU will jedenfalls auf ein eigenes Landwirtschaftsministerium drängen.

 

Berlin vor dem Bund-Länder-Gipfel und der Druck auf den Kanzler

 

Dass Rhein schon vor seiner formellen Wahl zum Ministerpräsidenten durch den Landtag auch als „amtierender“ eine Schlüsselrolle in der Bundespolitik einnimmt, zeichnet sich inzwischen sicher ab. Das gilt für das innerparteiliche Spannungsfeld in der Union mit Merz und den ambitionierten Länderchefs Söder, Wüst und Günther. Zu ihnen gesellt sich jetzt Rhein.

 

Friedrich Merz positioniert sich gerade als CDU- und Oppositionschef mit seinen Ministerpräsidenten in der Schlüsselfrage Migration gegenüber dem Kanzler. Am Montag steht der sogenannte Bund-Länder-Gipfel mit Olaf Scholz in den Terminkalendern der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Von den SPD-Länderchefs ist im Vorfeld nicht viel zu hören, und auch der Grüne Kretschmer hält sich zunächst einmal zurück. Dabei steht der Kanzler erst einmal unter dem Druck seines eigenen linken Parteiflügels und der Grünen, bei denen es im Fußvolk zunehmend Probleme mit den Kernthemen Klima, Energie und Zuwanderung gibt. Habeck und Baerbock müssen zwangsweise versuchen, staatstragende Positionen einzunehmen. Also: anhaltender Druck der FDP gegenüber grünen Kernthemen und Olaf Scholz mit seiner Richtlinienkompetenz, die in einer so komplizierten Lage naturgemäß ihre Grenzen haben muss. Und vor dem Gipfel, so war zu hören, traf sich der Kanzler mit der Oppositionsspitze. Mit Merz und Dobrindt sollte es vor dem Bund-Länder-Gipfel auf die Suche nach gemeinsamen Positionen in der Asylpolitik gehen. Die Ergebnislage wird die Nachrichten und Debatten über das Wochenende beherrschen.

 

Beim Gipfel selbst am Montag steht neben Themen wie Israel, Ukraine, Energie und übrigens auch „Wolfspopulation“ als sechster Punkt das Stichwort „Flüchtlingspolitik von Bund und Ländern“ auf der Tagesordnung. Ob dabei am Ende etwas Gemeinsames rauskommt, wird zur innenpolitischen Schlüsselfrage der deutschen Politik in den nächsten Wochen bis hin zum Ende des Jahres. Die Anstrengungen der Bundesregierung um erhöhte Rückführungen nicht berechtigter Asylbewerber wirken angesichts der Migrationszahlen insgesamt nur marginal. Und der permanente Hinweis auf Ersatz für fehlende Fach- und Hilfskräfte wird das Problem nicht im Kern lösen. Die Warnungen vor sozialen Verwerfungen im Lande, die in all ihren Aspekten etwas mit der Migrationswelle zu tun haben, kommen vor allem aus den Kommunen. Mit Geld allein ist das alles dort nicht mehr zu bewältigen, wenn beispielsweise Turnhallen und Gemeinschaftshäuser in den Dörfern fremd genutzt werden müssen. Den Ministerpräsidenten liegen die Bürgermeister und Landräte in den Ohren, weil sie selbst bei bestem Willen nicht mehr wissen, wie sie auf Dauer die Probleme vor Ort lösen sollen. Hendrik Wüst wird zum Beispiel am Montag darauf drängen, der irregulären Migration Herr zu werden, indem man beginnt, über die Verlagerung der Asylverfahren vor die Außengrenzen Europas „ernsthaft nachzudenken“.

 

Die Sehnsucht nach Frieden im Äußeren und im Inneren

 

Wir können nur hoffen, dass bei diesen Themen gemeinsamer Lösungswille die Gespräche zwischen dem Kanzler mit seinen Regierungsparteien, der Union im Bundestag und allen Länderregierungen die Oberhand gewinnt. Das hat alles etwas mit der Sehnsucht nach Frieden im Äußeren und im Inneren zu tun.

 

Damit ist auch schon angedeutet, dass das Weihnachtsfest nicht mehr weit ist. Hier taucht dann in jedem Privathaushalt die Frage auf: „Was können wir uns überhaupt noch leisten?“ Schwache Konjunkturdaten, steigende Zinsen und Preise werden zum Alltagsthema. Die Inflation, die jetzt wieder leicht gedämpft in den Berichten der Statistiker erscheint, ist fast in jedem Portemonnaie angekommen. Die Unsicherheiten führen dazu, dass wir zum Weltspartag am 30. Oktober Meldungen gelesen haben, dass viele Deutsche bei gefühlt trüben Aussichten das Vorsorgedenken nicht aufgegeben haben. 

Ein großes Zukunftsthema: Wie kommt der Wald wieder auf die Stämme? (Foto: angieconscious / pixelio.de)
Ein großes Zukunftsthema: Wie kommt der Wald wieder auf die Stämme? (Foto: angieconscious / pixelio.de)

Kehren wir zum Schluss dieser Wochenbetrachtung zu einem Thema zurück, das uns überall begegnet, wenn es in die Natur geht. Das ist der Zustand des Waldes und die Frage, wie wir ihn nicht nur erhalten, sondern neu aufbauen. Überall ist zu sehen, wie vor allem in den Mittelgebirgen das Landschaftsbild von Kahlflächen bestimmt ist. Die Kombination aus Folgen der Dürre und dem Befall des Borkenkäfers haben riesige Kahlflächen hervorgebracht. Allein in Nordrhein-Westfalen sind das mit 150.000 Hektar unvorstellbare Flächendimensionen. Eigentümer (staatlich wie privat) stehen vor der Herausforderung, hier neue Wälder aus dem zerstörten Altbestand zu begründen und so wieder aufzuforsten, dass sie dem Klima der Zukunft standhalten. So hat die Präsidentin des Landesjagdverbandes NRW, Nicole Heitzig, Fachleute zu einem Symposium zusammengeführt, das in der Besetzung geradezu demonstriert, wie Eigentümer, staatliche Institutionen, Forst, Wissenschaft und Jagd zusammenwirken müssen, um dieses Thema als gemeinschaftliche Aufgabe anzugehen. 

 

„Wenn sich Waldbesitzer und Jäger streiten, werden wir scheitern.“

Philipp Freiherr Heereman
Vorsitzender des Waldbauernverbandes NRW

 

In der Verbandszeitschrift Rheinisch-Westfälischer Jäger wird beschrieben, was Heitzig als den „nordrhein-westfälischen Weg“ bezeichnet. Auch der Deutsche Jagdverband (DJV) argumentiert nachdrücklich dagegen, dass ein vielfältiger Wald von alleine wieder nachwächst. Vorwiegend aus dem staatlichen Forst kommen Stimmen und Bestrebungen, wonach sich das Thema von selbst regelt, wenn möglichst viele Rehe und Hirsche getötet werden. Es geht um Verbissschäden bei der natürlichen Waldverjüngung, die zu den Debatten unter den Schlagwörtern „Wald vor Wild“ oder „Wald und Wild“ aktuell geführt werden. Im Ergebnis dieser Tagung von Fachleuten sollte es um einen gemeinsamen Weg gehen. Und der wird nur jeweils vor Ort in den betroffenen Bezirken zu einer nachhaltigen und klimaangepassten Zukunft des Waldes auch für unsere nächsten Generationen führen. Heitzig wirbt für eine wildökologische Raumplanung mit allen Beteiligten. Die Eigentumsfrage spielt dabei eine wesentliche Rolle. Und der Vorsitzende des Waldbauernverbandes NRW, Philipp Freiherr Heereman, bringt es auf diesen Nenner: „Wenn sich Waldbesitzer und Jäger streiten, werden wir scheitern.“ 

 

Diese Hinweise sind auch als meine Anregung zum Wochenende zu verstehen. So etwa, wenn ein Waldspaziergang auf dem Freizeitplan steht. Und eine andere Anregung füge ich hinzu: Wenn Ihnen unsere Themen des ländlichen Raumes am Herzen liegen, geben Sie den Link www.natur-und-mensch-politblog.de als Empfehlung weiter! 

Ihr

Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination

 

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