Ländliche Räume in Niedersachsen leiden unter Ausbau-Stopp von schnellem Internet

Von Jürgen Wermser
Niedersachsen ist ein großes Flächenland. Entsprechend engagiert gibt sich die rot-grüne Landesregierung bei der Unterstützung des ländlichen Raumes – zumindest nach außen mit Worten. Doch wenn es konkret – sprich finanziell teuer und womöglich konfliktträchtig mit anderen Bereichen – wird, spielen plötzlich doch wieder andere Gesichtspunkte eine stärkere Rolle. Beispiel ist die überfällige Versorgung relativ abseits gelegener Regionen mit schnellem Internet. Die Landesregierung hat mit sofortiger Wirkung das bisherige Förderprogramm gestoppt, mit dem die immer noch bestehenden „weißen Flecken“ versorgt werden sollen. Weiße Flecken, das sind Regionen, in denen weder 4G/LTE- noch 5G-Funksignale empfangen werden können. Rund zehn Prozent der Flächen sollen laut Landesregierung bislang nicht ausreichend versorgt sein.
Dies ist ein großes Hemmnis für den ländlichen Raum. Zum einen nimmt es vielen Menschen die Möglichkeit, am für Städter ganz selbstverständlichen Online-Verkehr etwa beim Einkaufen oder bei Bankgeschäften teilzunehmen, vom Home-Office ganz zu schweigen. Gerade letzteres ist für junge Familien, die aufs Land ziehen wollen, ein entscheidender Standortfaktor. Nur wer schnelles Internet zu Hause hat, kann für seinen Arbeitgeber in der nahen oder fernen Stadt arbeiten. Und genau diese jungen Familien und Arbeitnehmer sind eine wichtige Zielgruppe, um den ländlichen Raum zu entwickeln.
Landwirte brauchen Daten
Doch es geht auch um klassische Naturnutzer – konkret um Landwirte. Denn ohne ausreichende Digitalisierung sind moderne Agrarbetriebe nur noch schwer oder gar nicht mehr zu führen. So klagen die Landwirte in den „weißen Flecken“, dass sie etwa bei der Milchviehhaltung wichtige Daten nicht bekämen. Dabei geht es etwa um die individuelle Kontrolle der Tiergesundheit, um frühzeitige Krankheitserkennung, Infos zur Fütterung, Stallklimatisierung bis hin zur kompletten Auswertung des Melkprozesses. Auch Mastbetriebe sind mittlerweile auf eine Vielzahl von digitalen Daten angewiesen, um den Betrieb effizient zu steuern. Wichtige Vorgänge in den Ställen müssen digital überwacht, dokumentiert und dann ins Büro oder aufs Smartphone übertragen werden.
Auch im Ackerbau und bei der Erzeugung von Futtermitteln steigt der Bedarf an leistungsfähigem Internet. Denn Politik und Verbraucher fordern zu Recht aus ökologischen Gründen eine ressourcen- und klimaschonende Landbewirtschaftung. Doch ohne ein leistungsfähiges Internet, das den Bauern die notwendigen Daten liefert, ist dies in Regionen mit „weißen Flecken“ oft reines Wunschdenken. Klar ist: Die Zukunft liegt in der sensorbetriebenen Erkennung von Schädlingen oder Unkräutern und der darauf abgestimmten Dünger-Ausbringung, vom autonomen Fahren der Landmaschinen ganz zu schweigen.
Im Zuge der Energiewende und angesichts großer internationaler Konflikte muss Deutschland immer stärker um seine internationale Wettbewerbsfähigkeit kämpfen. Wir müssen uns in einer raueren Wirklichkeit behaupten. Das bedeutet, alle wirtschaftlichen Ressourcen müssen optimal – das heißt auf dem neuesten technologischen Stand – eingesetzt werden. Dazu gehört ganz wesentlich eine durchgehende Digitalisierung, auch der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes. Die niedersächsische Landesregierung spielt deshalb mit der Zukunft einer ganzen Branche und großer Teile des ländlichen Raumes, wenn sie jetzt die entsprechenden Förderungen einstellt.
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