Bei den Gigabit-Netzen muss Deutschland den Ausbau vorantreiben

Ländliche Regionen sind in der Bundesrepublik weiterhin benachteiligt. Die EU-Kommission schlägt ein Gigabit-Infrastrukturgesetz vor

Auf dem Land kommt der Ausbau des Glasfasernetzes zu langsam voran. (Foto: Tim Reckmann / pixelio.de)
Auf dem Land kommt der Ausbau des Glasfasernetzes zu langsam voran. (Foto: Tim Reckmann / pixelio.de)

 

Von Christian Urlage

 

Ein schnelles Internet auch in dünn besiedelten Regionen – dieser Wunsch ist immer noch nicht bundesweit in Erfüllung gegangen, das Fehlen muss weiterhin beklagt werden, obwohl es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt: „Alle Menschen in Deutschland müssen sich auf moderne Standards verlassen können. Dazu gehören … schnelle Mobilfunk- und Breitbandverbindungen.“ Die Regierungsparteien erklärten außerdem, sie wollten das Potenzial der Digitalisierung in Staat und Gesellschaft besser nutzen. „Unser Ziel ist die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard.“ Ein Zeitpunkt für dieses Ziel wurde im Koalitionsvertrag aber nicht genannt – und von der Umsetzung ist die Bundesrepublik noch weit entfernt.

 

Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) verfügen nur 44 Prozent der Haushalte in den ostdeutschen Flächenländern über Gigabit-Netze (mit mehr als 1.000 Mbit/s), dagegen 70 Prozent der Haushalte in den westlichen Flächenländern (Stand Juni 2022). Der Volkswirtschaftler Klaus-Heiner Röhl, im IW zuständig für Mittelstandspolitik und Regionalpolitik, wird in einem Bericht der Wochenzeitung „Die Zeit“ mit dem Satz zitiert: „Je ländlicher eine Region, je dünner besiedelt sie ist, desto schlechter ist das Internet.“ 

 

Ländliche Regionen sind beim Gigabit-Internet benachteiligt

 

Diese bedauerliche Zustandsbeschreibung ist zweifellos nicht neu, aber das macht es nicht besser. Dünn besiedelte Regionen sind in Deutschland nach wie vor benachteiligt. Denn während die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg eine Rate von 97 Prozent erreichen, sind in Sachsen-Anhalt – dem Schlusslicht – nur 34 Prozent der Haushalte mit Gigabit-Internet versorgt.

 

Wie der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft berichtet, war Mitte 2021 immerhin bundesweit in rund acht von zehn städtischen Haushalten eine Bandbreite von einem Gigabit und mehr verfügbar, während der Anteil in ländlichen Gebieten nur knapp ein Fünftel betrug. Die Versorgung hängt auch davon ab, wie wirtschaftlich sie für die zuständigen Telekommunikationsfirmen ist. Die Unternehmen bauen nur in denjenigen Regionen ihre Netze aus, in denen genügend Haushalte Anschlüsse buchen. Und das bedeutet, dass abgelegenere Dörfer mit nur wenigen Interessenten dann oft nicht berücksichtigt werden. 

 

EU-Kommission schlägt Gigabit-Infrastrukturgesetz vor

 

Hier wiederum ist die Politik gefragt, durch Anreize oder Gesetze nachzuhelfen. Denn zu gleichwertigen Lebensverhältnissen gehört auch die Ausstattung mit digitalen Technologien. „Wenn schnelles Internet und gute Mobilfunkanbindungen fehlen, verspielen wir Zukunftschancen“, stellte 2021 der Deutsche Städte- und Gemeindebund fest. Die Länder in Skandinavien machen vor, wie es gehen sollte: Sie zeigen, dass eine gute Breitbandversorgung auch bei einer geringen Siedlungsdichte möglich ist.

Deutschland hat dagegen bei der digitalen Infrastruktur Nachholbedarf. Dem „Digital Economy and Society Index“ der EU-Kommission zufolge belegt die Bundesrepublik bei der Anbindung an das Glasfasernetz unter den EU-Mitgliedstaaten sogar den vorletzten Platz. Doch die EU-Kommission strebt an, dass bis 2030 allen Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen in den EU-Ländern Gigabit-Netze zur Verfügung stehen. Dazu schlägt die Kommission unter anderem ein Gigabit-Infrastrukturgesetz vor, das den bürokratischen Aufwand verringern soll, indem Genehmigungsverfahren vereinfacht werden. Eine sinnvolle Maßnahme.

 

Den nationalen Regulierungsbehörden will die EU-Kommissionen Leitlinien geben, in denen die Bedingungen für den Zugang zu den Telekommunikationsnetzen von Betreibern mit großer Marktmacht festgeschrieben sind. Gut möglich, dass Streamingkonzerne und große Technologie-Unternehmen den Netzausbau künftig mitfinanzieren müssen, was sinnvoll wäre. Noch aber ist das nicht geklärt, aktuell wird darüber beraten. Bis zum 19. Mai haben interessierte Bürgerinnen und Bürger, Organisationen und Unternehmen Gelegenheit, Vorschläge einzureichen. 

 


Lesen Sie auch:

Nicht jedes Dorf ist ein Geschäft: Hunderte Gebiete warten immer noch darauf, in der sogenannten Funklochkarte nicht mehr mit dem Zusatz „kein Empfang“ geführt zu werden

 

Hier können Sie sich für unseren wöchentlich erscheinenden Newsletter anmelden. 

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.