Bestandsimmobilien werden zum Geheimtipp

Nachdem der Verordnungswahn der Ernüchterung weicht, kommen die Preise für ältere Häuser wieder aus dem Keller

Häuschen im Grünen. (Symbolbild: Thorben Wengert / pixelio.de)
Häuschen im Grünen. (Symbolbild: Thorben Wengert / pixelio.de)

 

Von Michael Lehner

 

Alte Häuser gelten als Ladenhüter. Aber hinter den Kulissen hat sich die Stimmung längst gedreht. Zumal im ländlichen Raum werden Bestandsimmobilien zum Geheimtipp, gerade für junge Familien. Und als Rettungsanker für die Bundesregierung, deren Pläne beim Wohnungsbau zur Illusion geworden sind. Sogar das Vorurteil, dass nur Neubauten gut fürs Klima seien, ist kein Dogma mehr.

 

Einen Monat ist es her, dass Bundesbauministerin Klara Geywitz den Sinneswandel verkündet hat: „Wir haben viele alte Häuser, und wir haben einen wachsenden Bedarf an Wohnraum und an bezahlbaren Einfamilienhäusern.“ Die Bundesregierung werde deshalb ein neues Programm zur „Förderung des Erwerbs von Bestandsimmobilien“ auflegen. Details sind noch nicht bekannt, aber nach teilweise brutalen Wertverlusten durch das (bald entschärfte) Heizungsgesetz hat eine klammheimliche Schnäppchenjagd begonnen.

 

Entlarvt sind zudem einige Parolen aus der Hochphase der Maximalforderungen zur Klima-Rettung durch energiesparenden Wohnungs(neu)bau: Erstens sind Baukosten und Kreditzinsen derart gestiegen, dass sich Neubauten mit erschwinglichen Anschaffungs- und Mietpreisen kaum noch realisieren lassen. Zweitens hat sich herumgesprochen, dass es auch preiswertere Lösungen zur Verbesserung der Energiebilanz älterer Gebäude gibt als den Einbau komplett neuer Heizungsanlagen nebst maximaler Wärmedämmung.

 

Drittens ist die Goldgräberstimmung in der Klima-Branche einer gewissen Ernüchterung gewichen: Bisher massiv überhöhte Preise für Wärmepumpen sind kaum noch höher als in anderen EU-Ländern. Und in gut frequentierten Internet-Foren räumen private Bauherren mit dem Vorurteil auf, dass die Pumpen zwingend den Einbau von Fußbodenheizungen oder Niedertemperatur-Heizkörpern erfordern. Einfache Luft-Luft-Wärmepumpen sind in wenigen Stunden installiert, kosten nicht mehr als eine Gastherme vergleichbarer Leistung und bieten ebenso Energieeinsparung wie weit kostspieligere Geräte, die das Leitungswasser bestehender Zentralheizungen erwärmen.

 

Ministerien müssen neu überlegen

 

Der schlimmste Haken an der Sache: Selbst bei den akut hohen Heizölpreisen sind die Betriebskosten von Wärmepumpen kaum niedriger als bei der (längst bezahlten) Ölheizung. Elektrischer Strom ist einfach viel zu teuer, um wirtschaftliche Anreize für den Wechsel auf ökologisch sinnvolle Systeme zu schaffen. Auf diesem Feld werden sich die Klima-Strategen in den Bundesministerien also noch viele Gedanken machen müssen, wenn Öko-Ziele auch im Altbau gelten sollen.

 

Kaum besser sieht es bei der Wärmedämmung aus. Auch dabei ist die Flut der Verordnungen und Förderrichtlinien eher für ökonomische Schönwetter-Lagen geeignet als für Krisenzeiten auf dem Wohnungsmarkt. Beispiel: Ältere kennen noch die segensreiche Wirkung von Winterfenstern. Damit ließen sich auch heute ältere Gebäude kostengünstig nachrüsten. Per starrer Einfachverglasung, die in der kälteren Jahreszeit zusätzlich in der Fensterlaibung montiert wird. Im Winter reicht es ja, wenn sich pro Zimmer ein Fenster ohne großen Aufwand zum Lüften öffnen lässt.

 

Aber „Hausmittel“ wie Winterfenster oder gar schwere Filzvorhänge stehen in keiner Förderrichtlinie. Keine Behörde klärt Verbraucher darüber auf, dass Wand- oder Deckenheizungen weit weniger kosten als der nachträgliche Einbau einer Fußbodenheizung, die angeblich unentbehrlich ist, um von den Segnungen der Wärmepumpe zu profitieren. Experten-Streit tobt auch zur Frage, ob alte Häuser wirklich mit Dämmstoffen zugepflastert werden müssen – oder ihre meist dicken Mauern besser zum Speichern der Sonnenenergie zu nützen wären, die auch an schönen Wintertagen kostenlos vom Himmel strahlt.

 

Umdenken bei Öko-Bilanzen

 

Eingesetzt hat das Umdenken wenigstens bei den Öko-Bilanzen: Dass Neubauten erst mal einen gewaltigen „Fußabdruck“ bei der Produktion und beim Transport des Baumaterials hinterlassen, ist in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung ebenso angekommen wie die Einsicht, dass ein großer Teil der Menschen nicht im Null-Energie-Plattenbau leben will. Sondern lieber dort, wo Stadt- und Dorfkerne noch eine Seele haben.

 

Sanierung alter Bausubstanz ist im Begriff, zur Mode zu werden. Mit einer Fülle guter Ideen von der Weiterverwendung alter Bauteile bis zum Einsatz von Bio-Dämmmaterialien aus Schilf oder Abfall-Holz. Und während der Rest der Branche jammert, können sich scheinbar altmodische Handwerksbetriebe kaum vor Aufträgen retten. Zum Beispiel Schreiner, die noch wissen, wie Kastenfenster aussehen müssen. Ganz ohne Kunststoff, aber aus ausgesuchtem Nadelholz mit eng gewachsenen Jahresringen. Mit Leinöl gut gepflegt halten die länger als ein Menschenleben. Und länger als jede Energie-Verordnung.

 

Am Rande: Unter Immobilienmaklern kursiert derzeit der Geheimtipp, nach denkmalgeschützten Immobilien Ausschau zu halten. Die bleiben bisher weitgehend verschont von energetischen Sanierungszwängen und lassen ihren Besitzern die Freiheit zu ganz persönlichen Sparmaßnahmen. Etwa zur Entscheidung, im Pullover vor dem Fernseher zu sitzen, wenn es trotz Erderwärmung ausnahmsweise mal knackig kalt sein sollte.

 


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